Verweigerer des vereinten Europa

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Berühmt ist das nicht: Rund 40 Prozent Beteiligung bei den Wahlen zum EU-Parlament. Es ist ja nicht nur die mangelnde Attraktivität heimischer Kandidaten, quer durch Europa zeigt sich dasselbe Phänomen. Ist Europa in der Krise? Die Wahlbeteiligung sinkt auch bei nationalen Wahlen in den meisten Ländern, wenn auch auf höherem Niveau. Manche sind besorgt: Erstens zeugt es nicht unbedingt von demokratischem Bewusstsein, an den europäischen Wahlen nicht teilzunehmen. Luxuskonsumenten, die vergessen haben, wie sich ein autoritäres System anfühlt, spielen auf dumme Weise mit der Demokratie herum. Zweitens steht die Legitimität der Akteure und Gruppen auf dem Spiel, wenn sie sich nur auf wenige Prozent der Wählerinnen und Wähler stützen können.

Es gibt Gegenargumente. Erstens gehört es zu den demokratischen Rechten, an einer Wahl nicht teilzunehmen. Auch Verweigerung ist eine mögliche Botschaft. Zweitens wird durch die Nichtteilnahme die Entscheidung an jene abgetreten, die teilnehmen. Auch amerikanische Präsidentschaftswahlen weisen üblicherweise kaum eine höhere Wahlbeteiligung auf. Drittens könnte die Qualität der Wahlentscheidung steigen: wenn nämlich nur jene teilnehmen, denen die Sache ein Anliegen ist und die sich besser informieren als die Indifferenten. (Es könnten aber auch die besonders Emotionalisierten teilnehmen.)

Man kann allerdings aus dem Wahlergebnis nicht auf die Stimmungslage schließen. Die 40 Prozent Wähler haben sicher nicht dieselben Auffassungen wie die 60 Prozent Nichtwähler. Deshalb lässt sich aus den Wahlergebnissen nicht ableiten, was die Österreicher (oder Europäer) von Europa wollen. Man muss wohl auf die Sozialforschung zurückgreifen - oder sich mit dem Argument zufriedengeben: Wer schweigt, der stimmt zu.

* Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz

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