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Digital In Arbeit

„Viele Firmen haben Zukunft. Auch für Sie!"

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Wer keine Angst vor unsicheren, turbulenten Zeiten hat, sondern auf seine Möglichkeiten setzt und Chancen wahrnimmt - der kann der Zukunft getrost entgegengehen. Kreativität ist gefragt, nicht Resignation. Engagement, nicht Frustration oder Passivität. Auf diese einfache, optimistische Formel schwor kürzlich der deutsche Unternehmensberater Gundolf Meyer-Hentschel seine Zuhörer, Studenten der Wirtschaftsuni Wien, ein. Die Botschaft des auf Einladung der furche gehaltenen, knapp zweistündigen, fesselnden Beferates: „Viele Firmen haben Zukunft. Auch für Sie." Es sei jedoch wichtig, sich mit Trends und Entwicklungen vertraut zu machen und seine berufliche Zukunft entsprechend auszurichten.

Unsere Arbeitswelt werde sich in einem noch viel dramatischeren Ausmaß verändern, als wir uns das heute vorstellen, prognostizierte Meyer-Hentschel. Alle werden mehr oder weniger, positiv oder negativ, davon betroffen sein: „Die Frage ist gar nicht mehr, ob wir diese Entwicklungen wollen oder nicht." Im Gegenteil. Wer nicht rechtzeitig auf die Veränderungen reagiert hat, „muß jetzt eben irgendwie mitspringen."

Der Marketingexperte skizzierte einige, für WU-Studenten besonders interessante Aspekte der zukünftigen Arbeitsgesellschaft:

1. Extrem kr Wettbewerb:

Information wird zum zentralen Produktionsfaktor. Produziert wird weltweit. Dank der neuen Technologien sind viele Staatsgrenzen völlig unerheblich. Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Verlagerung der Produktion in sogenannte Niedriglohnländer. Heute und zukünftig geht es vielmehr um eine hochflexible Fertigung von Einzelkomponenten durch eine Vielzahl von weltweiten Zulieferern. Wer das jeweils gewünschte Know-how am schnellsten zu den niedrigsten Kosten anbieten kann, hat die Nase vorn.

Die oft zitierte Zuordnung von Billiglohnländern zu gering qualifizierter Arbeit und anspruchsloser Massenproduktion stimmt nicht mehr. In China, Indien, Taiwan wird nämlich längst hochwertige Arbeit geleistet: Design, Konstruktionen, Entwicklungsarbeiten ...

Meyer-Hentschel illustriert das am Beispiel des Sportartikelherstellers Nike. Das Unternehmen produziert und vertreibt weltweit, ohne eine einzige Produktionsstätte zu besitzen.

Die Designer arbeiten in den USA, die technische Produktentwicklung geschieht in den USA, Südkorea und Taiwan, die einzelnen Komponenten werden in Südkorea, Indonesien, Taiwan und Japan gefertigt. Das Endprodukt kommt aus Südkorea und Indonesien.

Daß diese Entwicklungen auch Auswirkungen - positive wie negative auf das weltweite Wirtschaftssystem haben, ist weitgehend noch nicht in unser Bewußtsein gedrungen, sagt der Marketingexperte. „Wir verdrängen, daß sich im Rest der Welt einiges zusammenbraut." Man sollte nicht die Augen davor verschließen, daß Millionen Menschen in Ostasien - und in absehbarer Zeit auch in Südamerika hochqualifizierte Konkurrenten sind, die sich einen westeuropäischen Lebensstandard erarbeiten, reisen und Autos fahren wollen. Und sie werden dafür arbeiten. 50 Stunden und mehr. Auch am Samstag und am Sonntag ...

2. Abschied von der „Arbeitnehmer-Gesellschaft" - Die Zukunft heisst „Untkrnkhmkrgesklischaft": Immer mehr Menschen werden zu den neuen Selbständigen gehören.

Gemeint sind diejenigen, die nicht mehr die traditionellen Beschäftigungsverhältnisse mit fixen Gehältern, Bürozeiten und Arbeitsplätzen eingehen. Der neue Typus eines Ein-Mann-Betriebes ist dank der neuen technologischen Möglichkeiten so leistungsfähig wie zuvor ganze Teile eines Unternehmens. Dazu gehören Programmierer, Dienstleister etc.

3. Inhalte der Arbeit: Viele Unternehmen werden den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Lösung von Problemen, Wünschen und Sehnsüchten ihrer Kunden legen. Denn nur die totale Ausrichtung auf die Zufriedenheit der Kunden garantiert das Überleben am Markt. Gefragt sind entsprechende kreative Ideen. Meyer-Hentschel erläutert das am Beispiel von McDonald's. Dort investiere man - um nur eine entsprechende Aktivität zu beschreiben -eine Menge Gehirnschmälz in die Beantwortung der Frage: wie läßt sich das Prasseln der Pommes-frites-Pfanne optimieren, um bei den Kunden noch mehr Wohlbefinden zu suggerieren ...?

Weitere solche zukunftsträchtige -wenn auch vielleicht interessantere -Arbeitsfelder liegen in der Vermittlung und im Handel von Design, Lizenzen, Copyrights, Verbesserung von Produkt- und Servicemarken, von Dienstleistungen und Arbeitsabläufen. Die Firmen warten bereits förmlich auf entsprechendes Know-how, malt der Unternehmensberater rosige Zukunftsaussichten.

4. Wachstumsmarkt Information: Aufgrund der anschwellenden Informationsflut wird es für die Unternehmen immer schwieriger, die Aufmerksamkeit des Kunden zu wecken. Goldene Zeiten für Ideenproduzenten, Marketing- und Werbeleute.

5. Neue Organisationsformen:

Keine Zukunftschancen gibt Meyer-Hentschel dem stationären Büro. Fixe Schreibtische mit genau eingepaßten Tätigkeiten in einer starren Hierarchie und eindeutigen Zuständigkeiten werden immer weniger. Solche Arbeitsplätze sind für die zukünftigen Arbeitsabläufe kaum mehr notwendig und einfach zu teuer. Gearbeitet wird in Projektgruppen oder flexiblen Ad-hoc-Organisationen. Nur dadurch lasse sich, erklärt Meyer-Hentschel, die Dynamik der Entwicklungen in den Griff bekommen.

6. Das Tempo:

Wenn Produkte und Dienstleistungen weitgehend nicht mehr zu unterscheiden sind, wird die Zeit zum einzigen Wettbewerbsvorteil im täglichen Kampf um die Kunden. Das hat auch Auswirkungen auf die Qualifikationen der Arbeitnehmer.

7. Qualifikation: Generalist oder Spezialist?

Die Nachfrage nach bloßen Generalisten wird abnehmen, ist sich Gundolf Meyer-Hentschel sicher. Entscheidend für Job- und Karrierechancen sei die „generalisierte Lernbereitschaft", sich „umzuspezialisieren". Das heißt, gefragt ist die Einstellung, sich immer wieder neues, andersartiges Spezial-wissen anzueignen.

Weitere Schlüsselqualifikationen sind:

■ Die Fähigkeit, sich klar und präzise auszudrücken.

■ Kooperations- und Führungsfähigkeit in multikulturellen Teams und mit älteren Kollegen/Mitarbeitern.

■ Kreativität und Lernbereitschaft. Besonders wichtig aber sei es, sagt der Experte aus Deutschland, sich selbst Lebensziele zu setzen. Was will ich aus meinem Leben machen? Welche Tätigkeit will ich ausüben? Welcher Lebensstil paßt zu mir? Wie soll das Umfeld „meines" Unternehmens aussehen?

Die Antworten werden auch in Zukunft keinem abgenommen. Auch wenn man - so wie von Gundolf Meyer-Hentschel - in einem wahren Feuerwerk an Optimismus, interessanten Hinweisen, Prognosen und Appellen die Zukunft ausgeleuchtet bekommt.

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