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Viele Lecks in den Kanalnetzen

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Auf dem Weg durch das Kanalnetz versickert viel Abwasser ungeklärt. Undicht sind nämlich nicht nur alte Kanalisationen.

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Auf dem Weg durch das Kanalnetz versickert viel Abwasser ungeklärt. Undicht sind nämlich nicht nur alte Kanalisationen.

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Es kommt auf die Sichtweise an. Für die Bauwirtschaft ist der Siedlungswasserbau ein „Markt mit enormer Zukunft”. Für die meisten Gemeinden dagegen „ein Faß ohne Boden”. Denn während sich viele Orte noch mit dem Ausbau des gesetzlich vorgeschriebenen Abwassersystems plagen, müssen andere ihre Anlagen bereits erneuern. Die Nutzungsdauer eines Kanals liegt bei 50 Jahren, die einer Großkläranlage sogar nur bei 30 Jahren. Schätzungen gehen davon aus, daß daher in Großstädten bis zu 50 Prozent des Kanalnetzes sanierungsbedürftig sind. In Wien, dessen innerstädtische Trassenführung auf die Monarchie zurückgeht, sind daher ständig Bautrupps unterwegs, um schadhafte Stellen auszubessern: Angesichts des gigantischen Ausmaßes des Abwassersystems eine Sisyphusarbeit. Immerhin beträgt das gesamte Kanalnetz in der Bundeshauptstadt 7.500 Kilometer, was einer Flugstrecke von Wien nach Teheran entspricht.

Michael Fusko, Abwasserexperte der Umweltberatung Österreich, sieht aber nicht nur in Großstädten Handlungsbedarf: „Ich gehe davon aus, daß generell 20 bis 25 Prozent der Abwässer auf dem Weg zur Kläranlage versickern. Und das nicht nur bei altersschwachen Kanälen, sondern leider auch bei neuen.” Für undichte Leitungen gibt es in erster Linie zwei Ursachen: schlechte Bohre und deren unsachgemäße Verlegung.

Der Bohrmarkt ist heiß umkämpft. Um die 1,4 bis 1,6 Millionen Laufmeter Bohre, die hierzulande jährlich verlegt werden, wetteifern zahlreiche inländische und ausländische Anbieter. Die Preise sinken auf Kosten der Qualität. Auftraggeber und Planer fehlt meist der Überblick, für welche Ware sie sich entscheiden sollen.

Nach dem Umweltförderungsgesetz von 1993 sind die Gemeinden dazu verpflichtet, die kostengünstigste und ökologisch verträglichste Variante zu wählen. „Ein Kanalprojekt spannt die Finanzen bis aufs äußerste an. Kein Wunder, daß daher sehr auf den Preis geachtet wird”, bedauert Fusko. Er rät den Planern, beim Einkauf von Bohren auch deren Nutzungsdauer zu bedenken, die wesentlich von der Qualität des Werkstoffs abhängt. Fusko: „Man sollte das bei einer jahrzehntelangen Investition nicht unterschätzen.”

Nachdem die Würfel für ein Produkt gefallen sind, muß eine Baufirma zum Einbau gewählt werden, was sich angesichts der großen Konkurrenz wiederum als kompliziert erweist.

Großvorhaben über 70 Millionen Schilling sind EU-weit auszuschreiben. Nicht selten kommen Billiganbieter zum Zug. Und hier orten Experten gewaltige Mängel. „90 Prozent de? Be-klamationen beruhen auf Fehler beim Einbau. Eine baldige Sanierung belastet die Betriebskosten und liegt wohl kaum im Sinne der Auftraggeber. Wir sollten in Osterreich daher schleunigst zu Gütebestimmungen bei der Verlegung von Leitungen kommen. Leider sind die Einbaufirmen dagegen”, kritisiert Karl Georg Doutlik, Geschäftsführer von Eternit-Tiefbau.

Auch die gesetzlichen Bichtlinien bei Hauszuleitungen der Abwasserroh-re lassen zu wünschen übrig. Sie obliegen nicht den strengen Auflagen wie bei Gas, Strom, Telefon und Frisch -wasser. „Da gehören die Bestimmungen geändert”, fordert Doutlik. Doch der Gesetzgeber will davon nichts wissen. Denn bei einer Verschärfung würden die Altlastensanierungen massiv ansteigen, wofür den Kommunen und

Hausbesitzern jedoch das Geld fehlt.

In Österreich hat die große Sanierungswelle im Kanalwesen noch nicht eingesetzt. Jährlich werden zwar 25 Milliarden Schilling in den Siedlungswasserbau investiert. Davon fließt jedoch der Löwenanteil in den Ausbau des Kanalsystems, nur fünf Milliarden gehen in die Ausbesserung der bestehenden Netze.

Verursacher schwerer Schäden sind meist industrielle Sonderabfälle. In Wien stammen 50 Prozent der Abwässer von Gewerbebetrieben. Die Mitarbeiter der Stadt Wien (MA 30) fahnden daher nach Umweltsündern im Kanalnetz. 1996 wurden bei 15 Prozent der Proben Überschreitungen der Grenzwerte festgestellt. Helmut Kadrnoska, Leiter der MA 30, will jetzt an alle Betriebe, die ihre Abwässer j ahrelang ohne Beanstandungen in den Kanal einleiten, eine Art Auszeichnung vergeben: „Dieses Zeugnis soll als Ansporn dienen und kann in der Firmenwerbung genutzt werden.”

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