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Vitamine, Traktoren und Persönlichkeitstests

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Der umfassenden und eindringlichen Betreuung durch Scientology-nahe Organisationen können sich weder Landwirte noch Hobby-Fotografen entziehen. So bot die burgenländische Fotronic HandelsgesmbH mit Sitz in Oberpullendorf und Kittsee neben diversen Utensilien für Fotografen in einer einmaligen Sonderaktion auch Traktore an. Die zu Dumpingpreisen (250.000 Schilling) angebotenen Nutzfahrzeuge wurden sogar in der „bvz“ beworben. Nebstbei wird Fotronic-Kunden auch noch ein anderes Service angeboten: die „Ox- ford-Persönlichkeits-Analyse“, ein bevorzugtes Mittel der Scientologen zur Mitgliederrekrutierung.

Geschäftstüchtig erweist sich auch das Scientology-Mitglied und Vizepräsident des „Club Burgenland“ (einem freien Wirtschaftsverband), der Oberpullendorfer Apotheker Alfred Szczepansky. Seine „Apotheke zum Mohren“ führt nicht nur Medi- karriėnte, sondern liefert - von Ober- püllendorf aus - die täglich notwendige Vitaminration für Scientologen und Nicht-Scientologen zwecks „Reinigung“ („Clear“). Auch der als „Cal-Mag-Formel“ bezeichnete Beruhigungstrunk wird exklusiv in der Mohren-Apotheke in Oberpullendorf gebraut und ausgeliefert.

Die Abhängigkeit von Hubbard- Lehren und Gedanken schließt auch die Jüngsten mit ein. Denn der Nachwuchs der Scientologen wird natürlich nicht dem Einfluß unseres Gesellschaftssystem überlassen. Die entsprechende Bildung erfahren Jung-Scientologen im „Kreative- College“, dem „Verein zur Förderung und zum Schutz von Kindern“ in der Rienößlgasse 12 (1040) in Wien. Selbst die ÖVP-nahe Pädagogenzeitung „Wiener Lehrer“ kann sich dem Erziehungssystem der Hubbard-Jünger nicht ganz entziehen. In der Nr. 64 des „Wiener Lehrer“ singt das „Kreativ-College“ unter dem Titel „Können es ,Private1 besser?“ das Hohelied von seinen pädagogischen Lehren.

Überhaupt besitzt das „Lernen“ einen hohen Stellenwert bei den Hubbard-Jüngern. Die „Freie pädagogische Initiative - Institute des Helmut W. Karl“ schwärmt von einer neuen „Lernkultur“, die der Scientologe Helmut Karl errichten will. Karl sucht „Partner in ganz Österreich“, denn „große Aufgaben müssen bewältigt werden“. Öb in Österreich oder anderswo. Insbesondere widmet sich die Wiener „Organisation des Vereins „Scien- tology Kirche Österreich“ unserem nördlichen Nachbarn. So berichtet das interne Mitteilungsblatt „Celeb- rity“ von den „fantastischen Aktivitäten der Wiener Org in der (mittlerweile getrennten) Tschechoslowakei“. Das „Dianetik-Seminar-Work- shop der Wiener Org“ in Prag besuchten immerhin 159 Leute.

Sprachbarrieren sind kein Problem: Im gleichen Gebäude wie die Wiener Scientologen in der Schottenfeldgasse (FURCHE 4/1994) residiert eine Dipolmdolmetscherin.

Das Hauptziel wurde verfehlt Buchstäblich in letzter Minute vor Abschluß der Parlamentssession gelang es Premier Hosokawa, die Zustimmung zu seinem mühsam ausgehandelten Gesetzesentwurf über die Änderung des Wahlmodus für das Unterhaus zu gewinnen.

VON THOMAS IMMOOS

Morihiro Hosokawa vermied damit eine Krise, die sich das Land in der schwersten Wirtschaftsflaute seit dem Krieg nicht leisten kann, und gewann Spielraum, um Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur zu setzen. Das Budget für das kommende Finanzjahr muß ebenfalls bis Ende März vorliegen.

Durch die Änderung des Wahlmodus, der seit 1947 in Kraft ist, soll der Korruption ein Riegel vorgeschoben werden. Bislang sandten die traditionellen Wahlkreise mehrere Vertreter ins Parlament. Die Pflege eines Wahlkreises kostete einen Kandidaten mehr, als selbst ein gut- bezahlter Berufsparlamentarier legal verdienen kann. Umgerechnet 50 Millionen Schilling galten als Maßstab für den Erfolg beim Wahlkampf - denn auf dem Land gab es Broker, die in der Lage waren, die Stimmen eines Dorfes an den Meistbietenden zu verschachern.

Seit fünf Jahren diskutiert mein, wie man der dadurch bedingten Korruption beikommen könnte durch Neuordnung der Wahlkreise, die künftig nur noch einen Vertreter ins Parlament entsenden sollten. Befürchtet wurde allerdings, daß beim reinen Majorz die kleineren Parteien verschwinden würden. Deshalb sollte eine Zweitstimme nach dem Proporz der Partei für zusätzliche Sitze angerechnet werden, wobei das ganze Land als ein Wahlkreis betrachtet wurde.

Die beiden letzten Premierminister der LDP, Kaifu und Miyazawa, waren gerade an diesen Entwürfen gescheitert. Hosokawa trat mit dem Anspruch auf, dieses Problem zu lösen oder zurückzutreten.

Diesem Bestreben verdankt er die ungewöhnlich hohe Anerkennung, die Meinungsumfragen höher als 70 Prozent berechnen. Neunzig Prozent verlangen zudem die Behebung der Korruption.

Hosokawas Entwurf sah 274 Wahlkreise mit je einem Volksvertreter vor und 226 durch eine Zweitstimme nach dem Proporz unter die Parteien verteilte Sitze. Dadurch nahm er Rücksicht auf die Sozialisten, die sich bei den Zweitstimmen höhere Chancen ausrechneten.

Wichtig war auch das Verbot, daß Firmen einzelne Kandidaten finanziell unterstützten.

Nur die Parteien sollten solche Beiträge empfangen dürfen. Die Parteien sollten außerdem direkt vom Staat Unterstützung erfahren.

Dieser Vorschlag wurde im November vergangenen Jahres vom Unterhaus mit einer knappen Mehrheit angenommen, doch erlitt er am 21. Jänner eine Abfuhr im Oberhaus, weil 20 Sozialisten gegen die eigene Partei stimmten, die in der Koalition zugestimmt hatte.

Diesen Affront hätte Morihiro Hosokawa mit dem Rücktritt des Kabinetts oder durch Neuwahlen ahnden können. Die Wirtschaftsflaute aber fordert dringend entschiedenes Handeln einer starken Regierung.

Deshalb engagierte sich Hosokawa hinter verschlossenen Türen mit der LDP-Opposition. Der Kompromiß bedeutet, daß er die Sozialisten opferte und die Forderungen der LDP schluckte. Der neue Entwurf, der grundsätzlich angenommen wurde, sieht nun 300 Einzelwahlkreise mit einem Vertreter vor und nur 200 durch Proporz mittels Zweitstimmen gewählte Abgeordnete. Zahlungen von Firmen an Einzelkandidaten sind auch weiterhin erlaubt an je eine Organisation pro Kandidat.

Damit ist das Hauptziel der Reform verfehlt und die alte Küngelei im eisernen Dreieck von Politik, Administration und Geschäft weiterhin festgeschrieben. Kein Wunder, daß die Sozialisten gerade hier nicht nachgeben wollten.

Die Regierungskrise wurde Vermieden. Der Premierminister kann nun den Steuerabbau einleiten zur Ankurbelung der Wirtschaft und das Budget vorlegen. Zudem steht ein Staatsbesuch in den USA bevor, wo der Abbau des Handelsdefizits im Verkehr mit Japan, zuletzt beinahe 50 Milliarden Dollar, in harten Forderungen für die Öffnung des Landes diskutiert werden soll.

Die Dringlichkeit einer Konjunkturpolitik erwies sich an der Börse, als die Aktien am Tag nach der Ablehnung des Gesetzes im Oberhaus plötzlich beinahe 1.000 Yen an Wert verloren. Das neue Wahlsystem wird die politische Landschaft verändern. Die Sozialisten wie die LDP müssen damit rechnen, daß sich die Gegner und die Befürworter des neuen Gesetzes abspalten werden.

Die Sozialisten sind zwar die größte Partei in der Koalition, drohen sich aber am inneren Widerspruch aufzulösen, zugleich Regierung und Opposition zu spielen. Auf lange Sicht zeichnet sich ein Zweiparteiensystem ab, in dem die kleineren Parteien aufgerieben werden.

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