Von der Doppelgesichtigkeit des Populismus

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Ist der Populismus ein hilfreiches Korrektiv oder eine Gefahr für die Demokratie, fragte der Theologe Wolfgang Palaver bei einer Tagung des Katholischen Akademikerverbandes.

Der Begriff Populismus werde - vor allem in akademischen Kreisen - eher negativ verstanden, merkte Wolfgang Palaver einleitend an. Der von Skepsis gegenüber Populismus geprägte Vortrag des Innsbrucker Theologen stand unter dem Titel "Populismus - hilfreiches Korrektiv oder Gefahr für die gegenwärtige Demokratie?“, zu dem der Katholische Akademikerverband (KAVÖ) im Rahmen der Tagung "Vielfalt hat Zukunft. Demokratie und Populismus“ geladen hatte.

Palaver, Leiter des Institutes für systematische Theologie, sieht den Rechtspopulismus als eine der mit der Postdemokratie in Europa einhergehenden Gefahren. Postdemokratie ist für den britische Politikwissenschafter Colin Crouch jene Art von Gemeinwesen, in dem Wahlen praktisch bedeutungslos seien. Der Wahlkampf der Parteien verkomme zu einem von PR-Experten kontrollierten Spektakel, in welchem die Kandidaten nur die von Spindoktoren ausgewählten Themen diskutieren würden.

Gegensätze und Abgrenzungen

Rechtspopulisten, so Palaver in seiner Analyse, betonen nicht nur den "vertikalen Gegensatz zwischen unten und oben, also von Volk und Elite“, sondern sie würden sich auch von jenen abgrenzen, "die nicht zum homogen vorgestellten Volk gehören.“ Nach dem 11. September äußerte sich das in vielen Ländern Europas in einer Abgrenzung gegenüber dem Islam.

Ein Beispiel dafür sei die 2002 in den Niederlanden gegründete Liste Pim Fortuyn, deren Gründer die "Islamfeindlichkeit als Markenzeichen zur Unterscheidung vom Establishment“ in seinem Land etablierte. Ein weiteres Zeichen in diese Richtung war die im Jahr 2009 durchgeführte Schweizer Volksabstimmung, bei der eine klare Mehrheit von 57,5 Prozent gegen den Bau von Minaretten stimmte. Hier zeige sich laut Palaver deutlich, wie gerade die "Schweizer Direktdemokratie viel schneller latente Ängste in der Bevölkerung in diskriminierende Maßnahmen umsetzen kann.“

Die islamfeindliche Form des Populismus sei eng mit der Frage der Immigration verbunden, betont Palaver. Migranten würden von den Rechtspopulisten oft als Sündenböcke für Probleme dargestellt, die "in keinem Zusammenhang mit Migration stehen.“ Die für den Rechtspopulismus "typischen Freund-Feind-Muster und Sündenbockjagden“ verweisen auf eine "tiefere Versuchung“ des Populismus. Dieser könne mit dem Kampf gegen gemeinsame Feinde am leichtesten politisch mobilisieren. Das jeweilige "Volk“ konstituiere sich dann geradezu gegen seine jeweiligen Feinde: "Im Begriff Mobilisierung steckt immer auch schon der Mob“, bekräftigt Palaver auf René Girard verweisend.

Die problematische Seite des Populismus lasse sich zudem politisch-theologisch interpretieren: Wo das Volk zur einzigen Autorität erhoben werde, liege eine Art von "pantheistischer Demokratie“ vor, die zum Ausschluss aller nicht zum "Volk“ gehörenden Menschen neige. Wo die "Stimme des Volkes“ mit der Stimme Gottes identifiziert werde oder zumindest als "heilig und daher nicht mehr kritisierbar gilt“, drohe die "gewaltsame Ausschließung alles ‚Fremden‘“, wie sich an Carl Schmitt zeige.

Dennoch betont Palaver, dass eine generelle Ablehnung aller populistischen Elemente mit der "allmählichen Abschaffung der Demokratie selbst“ gleichzusetzen sei. Die Berufung auf das Volk bleibe der kritische Maßstab, "der jeder Erstarrung der Demokratie entgegenwirken muss.“ Politisch links stehende Theoretiker wie Slavoj Zizek oder Chantal Mouffe kritisieren - ähnlich wie Colin Crouch - vor allem die linken Parteien, die "gegenüber dem globalistischen Neoliberalismus kapituliert und damit indirekt zum Aufstieg rechtspopulistischer Parteien beigetragen haben.“

Eine Aufgabe christlicher Kirchen

Slavoj Zizek trete daher für ein populistisches Verständnis von Politik ein: Die gesellschaftlich Ausgeschlossenen können so ihren Platz in der Gesellschaft einfordern. In der prinzipiellen Gleichheit aller Menschen wurzele die notwendige Politisierung der Gesellschaft.

Dennoch spielten populistische Mobilisierungen - auch die begrüßenswerten - immer mit dem "Feuer“ der Gewalt. Gerechte Empörung könne leicht in hasserfülltes Ressentiment umschlagen. Dieses Ressentiment sei, wie der Politikwissenschafter Werner Ernst festgestellt habe, mit seiner Angewiesenheit auf Feinde ein wesentliches Kennzeichen des Populismus, der sich partikularer Herrschaft widersetze.

Zurecht betone Stéphane Hessel den "Weg der Gewaltlosigkeit“, der mit aller Empörung einhergehen müsse. Gandhi, so Palaver weiter, sei Beispiel eines gewaltfreien - aber nicht passiven - Widerstandes, der sich aus religiös-spirituellen Quellen speise und so den Populismus zähme. Neben der Gewaltfreiheit sei Geschwisterlichkeit Voraussetzung einer Demokratie, "die sich den Herausforderungen der Globalisierung stellt“. Eine menschengerechte Demokratie lebe von einer moralisch und religiös orientierten Zivilgesellschaft, sagte Palaver: "Auf dieser Ebene haben christliche Kirchen eine wichtige Aufgabe.“

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