Von Studiengebühren und Symboltieren

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An den Universitäten werden keine Studiengebühren mehr eingehoben. Über eine neue Regelung ist sich die Koalitionsregierung nicht einig. FURCHE-Gastautor Martin Haidinger zieht historische Parallelen - und damit werden diese Betrachtungen ein polemischer Zwischenruf.

Was haben Studiengebühren und berittene Polizei gemeinsam? Inhaltlich nicht das Geringste, in der Realität österreichischer Symbol-Politik sehr viel!

Beide Themen sind nämlich substanzbefreite Bestandteile einer ideologischen Pappnasenkultur, die in unserem in wichtigen Fragen so konsenssüchtigen Land gerne als Spielwiese zur Abreaktion besucht werden konnte und kann.

Für alle, deren Erinnerung an das Jahr 1927 schon etwas verblasst ist sei’s noch einmal erzählt: Als die Massen den Justizpalast stürmten und in Brand steckten, setzte der bürgerliche Polizeipräsident Julius Schober auch berittene Sicherheitskräfte gegen sie ein. Nun lag es bestimmt nicht an den Pferden, dass hier Demonstranten auseinander getrieben und gemetzelt wurden, doch richtete sich dessen ungeachtet der Zorn der organisierten Arbeiterschaft fortan gegen die unschuldigen Rösser, die zu Symboltieren der Unterdrückung des Sozialismus stilisiert wurden.

Pferde als Symbole der Reaktion

Mag das für traumatisierte ’27er-Veteranen noch verständlich scheinen, wurde es spätestens dort lächerlich, wo viel später, in der tiefsten Zweiten Republik, die rote Stadtregierung das an sich vernünftig anmutende Ansinnen auf Einführung einer im urbanen Raum optimal beweglichen berittenen Polizeitruppe mit dem Argument ablehnte, dass man das den Genossen nicht zumuten könne, da doch anno ’27 die Reaktion auf Pferdehufen galoppiert sei.

Kurioserweise fand dann die hippologische Groteske ihre kampagnenartige Fortsetzung im Wirbel rund um Kurt Waldheims SA-Gaul, der laut SP-Vorsitzendem und Bundeskanzler Fred Sinowatz ein Parteivieh gewesen sei, ganz im Gegensatz zu seinem Reiter. Das Verbot von Cabriolets wurde damals übrigens dann doch nicht angedacht, obwohl doch Hitler 1938 im offenen Wagen …

Aber lassen wir das, und kommen wir zur Vergleichsgroteske, dem anderen Symboltier, den Studiengebühren! Sie werden in der endlos laufenden Diskussion mancherseits so hässlich wie der Zins dargestellt, den im alten Manchester herzlose kapitalistische Hausherren rußgeschwärzten Arbeiterfäusten entwanden. Tatsächlich sind diese "Gebühren“ ebenso wenig Gebühren wie die "Kirchensteuer“ eine Steuer ist, sondern ein Beitrag zu jener Gebühr, die pro Studentennase anfällt! Der Staat, also der Steuerzahler trägt sie, und kommt für die Studienplätze genauso auf wie für die Erhaltung kirchlicher Kulturdenkmäler. Die Frage ist nur, ob zu alledem vom einzelnen "User“ ein Beitrag entrichtet, oder ob die gesamte Last nach dem Gießkannenprinzip auf alle Steuerzahler aufgeteilt wird.

Das ist alles.

Oh nein, das ist es natürlich nicht, nicht bei uns !

Mag selbst in der gruseligsten schwarzblauen Einhebungsvariante die "soziale Staffelung“ es erlaubt haben, dass krisengebeutelten studierenden Arbeiterkindern die Beiträge erlassen wurden und die Chancen auf Umgehung jeglicher Zahlung mannigfaltig waren, bleibt doch bis heute das Verdikt der Auspressung von Studierenden durch die sinistre Obrigkeit just an jenen 363,36 Euro pro Semester vulgo "Studiengebühren“ hängen.

Sie sind die berittene Polizei des 21. Jahrhunderts. Die Emphase mit der um sie gerungen wird, könnte man nun als putzige Schrulle eines kleinen Landes hinnehmen, das sonst keine Sorgen hat, aber leider ist es halt nicht so, wir haben Sorgen und zwar gerade an den Hochschulen! Angesichts beschnittener, weil nicht ausreichend nachgebesserter Zuwendungen für Universitäten und andere Forschungseinrichtungen; angesichts einer jungen Wissenschaftlergeneration, die sich jahre- sogar jahrzehntelang von Stipendien aus ächzenden Fonds ernährt, und semi-arbeitslos durch die Zeiten schleppen muss; angesichts klein- bis kleinstteilig zu verhandelnder Globalbudgets, die außer am ISTA Klosterneuburg keine großzügige Langfristforschung über mehrere Jahre ermöglichen; angesichts all dessen sind die Verrenkungen wegen der 363,36 Euro für Vollzahler eine Turnübung mit dem kleinen Finger.

Das sollten allerdings auch jene im Auge behalten, die gerne so tun, als hänge Wohl und Wehe der Unis von der Einhebung von Studienbeiträgen ab. Die angeblich leistungsorientierte Argumentation für die unumgängliche Notwendigkeit der Beiträge hat das Rüchlein des Vulgärliberalismus. Was durch Studienbeiträge in die Kassa käme, wäre durch vernünftiges Wirtschaften anderswo hereinzuholen, wären die Unis annähernd so autonom wie suggeriert wird. In Wahrheit sind Studienbeiträge ein etwas Brachiales und nicht sehr intellektuell anmutendes Steuerungsinstrument, um Scheinstudenten loszuwerden, und selbst dafür gibt es andere, viel treffsicherere Instrumentarien, wie beispielsweise Studieneingangsphasen.

Pattsituation ist das Gefährliche

Da aber beide Seiten an ihrem Symboltier hängen, hat uns dieses Zugpferd schnurstracks in einen rechtsfreien Raum geführt. Dort wollen nach dem Auslaufen der einschlägigen gesetzlichen Regelung die einen all das tun, was nicht ausdrücklich verboten ist (nämlich individuell Beiträge einheben, wie die ÖVP es den Unis zugesteht), und die anderen nichts mehr zulassen mögen, was nicht ausdrücklich erlaubt ist (laut offizieller SPÖ-Linie überhaupt keine Beiträge mehr akzeptieren).

Wenn schon, dann ist diese Situation gefährlicher als der Nutzen oder Schaden von Studienbeiträgen an sich! Was Universitäten wie Wien und Innsbruck ab Herbst beabsichtigen, ist mehr oder weniger die Fortschreibung der bisherigen Regelung, die Beiträge nur für Nicht-EU-Bürger und für Studienzeitüberzieher vorsieht. Die Dummen werden angesichts von Klags- und Einklagsdrohungen von Kanzler, Minister und ÖH wohl die Studierenden sein, die in jedem Fall einen hohen Eintrittspreis in diesen Streichelzoo der Symboltiere zahlen müssen!

Uni-Budgets: Transparenz, Steuerung, Kontrolle

M ehr Transparenz, Steuerungsmöglichkeiten und Kontrolle sind die neuen Kriterien für die Verteilung der Budgets an die einzelnen Universitäten. Diese seien in den Leistungsvereinbarungen zu berücksichtigen, die bis Ende des Jahres mit den betroffenen 21 Institutionen auszuverhandelt werden, sagte Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle vorige Woche.

Den mit insgesamt 450 Millionen Euro dotierten Strukturfonds - ein Teil der 990 Millionen Euro umfassenden Hochschul-Milliarde - will Töchterle als "neues Schärfungsmittel“ einsetzen. Zu den insgesamt 30 Kriterien beziehungsweise Indikatoren gehören Entwicklungspläne, Wissensbilanzen als Dokumentation der Leistung, Projekte in der Reform der Lehrerausbildung, aber auch die Anzahl an Publikationen, Absolventen et cetera. Um das an Formeln gebundene Budget durch den Strukturfonds zu ersetzen, wird das Universitätsgesetz novelliert. (APA)

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