Dass mein Handy mich im Griff hat und nicht umgekehrt, weiß ich spätestens seit der Sache mit der Uhrzeit. Ich habe mich in mein Schicksal gefügt, denn mittlerweile hängt ja irgendwie mein ganzes Leben von seinem tragbaren Display ab. Außerdem versorgt es mich mit so wichtigen Nachrichten, wie: In Israel gibt es immer mehr Zombies. Aber der Reihe nach. Ich hatte mein neues Handy gerade mal so einigermaßen verstanden (dachte ich), alle wesentlichen Apps und Kontakte installiert, Uhrzeit und Datum eingegeben, da erschien plötzlich neben der Uhrzeit meines Wohnortes Israel eine zweite. Die "Uhrzeit am Heimatort" zeigt konsequent 6 Stunden vor meiner tatsächlichen an. Sämtliche Versuche, sowie die der technischen Experten, diese Heimatort-Zeit abzudrehen oder zumindest zu beeinflussen, sind gescheitert. 6 Stunden also. Das muss irgendwo in Asien liegen. Vermutlich handelt es sich um die Zeit am Herstellungsort meines Handys. Ich habe akzeptiert, dass es die Erinnerung an seine Heimat auf den Straßen Tel Avivs aufrechterhalten will. So lese ich jetzt auf meinem unbeugsamen Handy mit von Tag zu Tag mehr zum Bildschirm hin gebeugten Rücken Meldungen über die zunehmende Spezies der Zombies. Mit gesenktem Haupt, die Augen leer und starr auf das Smartphone gerichtet, spazieren sie blindlings über die Straßen. Eine wandelnde Gefahr für sich und andere. Die Stadtverwaltung Tel Aviv sah sich zum Handeln gezwungen. "Zombie-Ampeln" nennt sie die LED-Leuchten am Boden, die den Handy-Fixierten von unten grün oder rot direkt in die Augen blinken. In der Hoffnung, sie so noch zu erreichen.
Auf dem Handy lese ich auch die neuesten Umfragen, wonach es bei den Wahlen am 9. April wieder für eine rechte Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Netanjahu reichen dürfte. Der wirbt Seite an Seite mit US-Präsident Trump um das Vertrauen der Wähler. Auf riesigen Plakaten an Hochhäusern. Mir schleierhaft, wer diese da oben noch sieht.
Die Autorin ist Korrespondentin der ARD im Nahen Osten
