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Vorteile durch den Euro: Stabilität und Integration

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Bei der öffentlichen Diskussion über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Euro steht das europäische Wirtschaftsproblem Nummer eins, nämlich die Massenarbeitslosigkeit, im Vordergrund. Zu Recht. Dennoch sollten auch andere wirtschaftliche Argumente in Erwägung gezogen werden, denn Arbeitslosigkeit läßt sich immer noch am besten in einer prosperierenden und nicht in einer stagnierenden Wirtschaft bekämpfen. Was sind also die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen einer gemeinsamen europäischen Währung?

Positiv ist sicher einmal der Wegfall der Wechselprovisionen der Banken zu bewerten, etwas was vor allem auch Touristen innerhalb Europas unmittelbar als positiv bemerken werden. Für den innereuropäischen 1 Iandel ist vor allem der endgültige Wegfall des Wechselkursrisikos von Vorteil, das es trotz des europäischen Währungssystems gab. Auch im internationalen Wettbewerb wird sich Europa mit einer gemeinsamen Währung und einer eigenen Währungspolitik gegenüber dem Dollar und dem Yen besser behaupten können.

Neben diesen eindeutig positiven Auswirkungen gibt es jedoch auch Befürchtungen, daß die Einhaltung der Maastricht-Kriterien auf Dauer den nationalen Regierungen einen wirtschaftspolitischen Kurs vorschreibt, der zu anhaltender hoher Arbeitslosigkeit und Rezession führen könnte. Was ist daran wahr? Zuerst einmal dienen die Maastricht-Kriterien dazu, den Kreis der Teilnehmerländer an der Europäischen Währungsunion zu bestimmen. Ausdrückliches Ziel dieser Kriterien ist es, nur Länder zur Teilnahme zuzulassen, deren Staatshaushalt soweit in Ordnung ist, daß die Stabilität des Euro (und das Vertrauen der internationalen Finanzplätze in diese Stabilität) von Anfang an gewährleistet ist. Auch wenn die strikte Einhaltung dieser Maastricht-Kriterien immer wieder beschworen wird, so ist schon jetzt vorauszusehen, daß mit der wahrscheinlichen Ausnahme Luxemburgs kein Land diese Kriterien hundertprozentig erfüllen wird. Das ist auch nicht weiter schlimm, denn diese Zahlen sind keine magischen Zauberformeln, ohne die eine gemeinsame Währung nicht funktionieren könnte. Es handelt sich um relativ willkürlich getroffene wirtschaftliche Eckdaten, die eine gesunde Situation der jeweiligen Staatsfinanzen und eine verantwortungsvolle Budgetpolitik widerspiegeln sollen. Die Frage, welche Länder von Beginn an am Euro teilhaben werden und welche nicht, wird hauptsächlich nach politischen Erwägungen getroffen werden, wobei die Maastricht-Kriterien und deren Einhaltung bzw. Nichteinhaltung lediglich als Argumentationshilfe dienen werden.

Das wirkliche wirtschaftspolitische Problem mit dem Euro entsteht für die teilnehmenden Länder erst nach 1999. Die bisherigen Sparmaßnahmen der nationalen Regierungen sind freiwilliger Natur und lassen sich auch ohne Euro gut begründen: In den meisten Fällen stellen sie eine längst überfällige Budgetkonsolidierung dar, die auch ohne den Euro wirtschaftspolitisch vernünftig und wünschenswert gewesen wäre.

Der von Deutschland angestrebte Stabilitätspakt hingegen, der alle teilnehmenden Staaten auf immer und ewig an die doch recht willkürlich gewählten Maastricht-Kriterien binden soll, ist unsinnig. Demnach müßte ein Land, das sich gerade in einer schweren wirtschaftlichen Bezession befindet und deshalb eine der Maastricht-Kriterien (etwa das laufende Budget defizit) nicht einhalten kann, automatisch mit einer massiven Geldstrafe belegt werden, die das Budgetdefizit nur weiter erhöhen würde. In so einem Fall müßte dann die betroffene Regierung weiter Steuern erhöhen, um das Rudgetdefizit zu verkleinern und die Pönale zu bezahlen, anstatt kurzfristig öffentliche Investitionen zu tätigen, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. So eine Politik würde die Rezession nur vertiefen. Wohl keine Regierung, die sich freien Wahlen zu stellen hat, könnte so eine Politik überleben. Hier wird ein flexibler Ansatz, wie ihn etwa die Franzosen bevorzugen, wesentlich vernünftiger sein und sich wohl auch durchsetzen.

Natürlich ist eine, dem politischen Tagesgeschehen entbundene, und weitgehend unabhängige europäische Zentralbank, die sich in erster Linie um die Stabilität des Euro sorgt, von zentraler Bedeutung. Es kann aber nicht sein, daß Geldwertstabilität, so wünschenswert sie für sich genommen auch ist, das alleinig entscheidende Kriterium für die zukünftige Wirtschaftspolitik Europas ist. Insgesamt gesehen, wird der Euro also der europäischen Wirtschaft nützen und auch ein weiterer wichtiger Schritt zur Verwirklichung des gemeinsamen europäischen Marktes sein.

Auch von einem integrationspolitischen Gesichtspunkt betrachtet, ist eine gemeinsame Währung wünschenswert. Man sollte aber an die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung keine überzogenen Erwartungen knüpfen. Zu erwarten, daß die Einführung einer gemeinsamen Währung, außer den zuvor genannten wirtschaftlichen Verbesserungen, auch die strukturellen Wirtschaftsprobleme Europas lösen wird, beziehungsweise daß wir danach die Wirtschaftspolitik an weise alte Herren bei einer europäischen Zentralbank delegieren können, ist nicht nur naiv, sondern gefährlich.

Die Verteilung von Wohlstand und Lebenschancen, nicht nur vertikal innerhalb einer (Gesellschaft, sondern i 11 diesem Fall auch horizontal zwischen den EU-Partnerländern, bleibt eine urpolitische Frage, wenn nicht die politische Frage schlechthin. Sie kann nur von der Politik innerhalb demokratischer Strukturen befriedigend gelöst werden. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, ob mit oder ohne Euro.

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