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Wahrzeiehen Umweltschutz

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Müllvermeidung: 60 Umwelt- und Abfallberater sorgen in steirischen Gemeinden dafür, daß dieses viel strapazierte Anliegen nicht bloße Theorie bleibt.

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Müllvermeidung: 60 Umwelt- und Abfallberater sorgen in steirischen Gemeinden dafür, daß dieses viel strapazierte Anliegen nicht bloße Theorie bleibt.

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Selbst Chemieriesen wie die Firma Hoechst haben sich an der Steiermark schon die Zähne ausgebissen. Im Sommer 1996 wurde ihr Antrag, in der Steiermark genmanipulierten Mais freizusetzen, prompt von 40.000 Unterschriften abgeschmettert. Bei soviel Widerstand blieb Hoechst nur ein Rückzieher. Die Steiermark hat eben, nebst Dachstein und Kürbiskernöl noch ein drittes Wahrzeichen aufzuweisen: den Umweltschutz.

Darauf wurden Besucher der Steiermark schon vor fünf Jahren hingewiesen: Neben den bewährten Willkommenstafeln kündigte an der Landesgrenze der Slogan „Achtung Mülltrennung!” den Eintritt in die umweltbewußte Zone an. Graz, das Zentrum dieser steirischen Umweltschutzzone darf sich neuerdings mit der begehrten, wenn auch etwas holprig klingenden EU-Auszeichnung „Zukunftsbeständige Stadt” schmücken. Unter 100 Bewerbern wurde die Landeshauptstadt als eine von fünf europäischen Gemeinden mit diesem Titel ausgezeichnet.

Die einstige Wiege der Grünbewegung hat sich somit zur Okomuster-stadt gemausert. Wer heute durch das alljährliche Umweltfest in der Grazer Altstadt spaziert, weiß warum. An die 70 Organisationen präsentieren hier ihre Aktivitäten dem interessierten Publikum. Von der „Arge Erneuerbare Energie”, über die Tierschützer bis hin zum Verein für Konsumentenschutz sind diese Organisationen aus der steirischen Umweltpolitik nicht mehr wegzudenken.

Auch die „Arge Müllvermeidung” hat sich ihren festen Platz in der Landeshauptstadt erobert. Mit seinen 15 Jahren zählt der gemeinnützige Verein zu den Pionieren der steirischen Umweltbewegung. Seine innovativen Ideen fielen in der Steiermark auf fruchtbaren Boden - auch der mittlerweile etablierte Beruf des Umwelt-und Abfallberaters in Gemeinden.

Erst kürzlich feierte die mit sechs Abfallberatern besetzte Müllberatungsstelle der Stadt Graz ihr zehnjähriges Bestehen. Von den rund 200 durch die „Arge Müllvermeidung” ausgebildeten Abfallberatern sind rund 60 Personen in der Steiermark tätig - ein österreichischer Rekord. Seit dem Beitritt Österreichs zur EU beteiligt sich die Arbeitsgemeinschaft an mehreren EU-Projekten zum vorsorgenden Umweltschutz.

Umwelt- und Naturschutz sind der Steiermärkischen Landesregierung jährlich rund eine Milliarde Schilling wert. Mit diesem Geld werden Kläranlagen, Altlastensanierungen und ähnliches genauso mitfinanziert wie verschiedene Kleinprojekte. Eine der modernsten Fachabteilungen der Landesregierung ist die Abteilung für Abfallwirtschaft. Seit fünf Jahren aktiv, hat sie sich vom anonymen Amt zum modernen Dienstleistungsbetrieb entwickelt.

Die Infokampagne „Achtung Mülltrennung!” nahm hier ebenso ihren Ausgang wie Projekte für Mehrwegwindeln, Friedhofsabfall-kompostierung oder jenes für Ökodie-sel aus Altspeiseöl. Das Ökodieselpro-jekt verdient übrigens besondere Aufmerksamkeit. Auf Initiative der „Seeg” (Südsteirische Energie und Eiweißerzeugung) entwickelte man in Zusammenarbeit mit der Universität Graz eine Technik, mit der aus Altspeiseöl Dieselkraftstoff erzeugt werden kann.

Der Erfolg kann sich sehen lassen: Heute wird jährlich eine halbe Million Tonnen Altspeisefett zu Ökodiesel verarbeitet. Bereits 150 steirische Gemeinden betreiben ihre Kommunalfahrzeuge mit Ökodiesel aus der Altspeiseölsammlung. Und in Graz wird der neue Treibstoff sogar im öffentlichen Verkehr eingesetzt.

Für die mehrfach ausgezeichnete Klimabündnisgemeinde ist das beinahe schon eine Selbstverständlichkeit. Mit ihrem Umweltsachprogramm „Ökostadt 2000” hat Graz jedenfalls die Nase vorne. Beim Klimabündniswettbewerb 1996 wurde die Landeshauptstadt für ihre Aktivitäten mit dem ersten Preis für Städte über 50.000 Einwohner prämiert. Steiermark weit sind neben Graz 55 weitere Gemeinden von A wie Aflenz bis Z wie Zeltweg Klimabündnispartner. Sie alle haben sich verpflichtet, bis zum Jahr 2010 die COi-Emissionen um die Hälfte zu senken. Seitdem wird auf Alternativenergien umgestellt und versucht, den Verkehr einzuschränken.

Zeltweg wird sich freilich nach der Wiederaufwertung der Autorenn-strecke am AI -Ring schwer dabei tun, als Klimabündispartner ernst genommen zu werden. Und auch Graz hat seine Umweltprobleme. Erneut ist hier nämlich die Diskussion um eine Müllverbrennungsanlage aufgeflammt.

Die Befürworter weisen daraufhin, daß nach der neuen Deponieverordnung Restmüll in seiner jetzigen Beschaffenheit nicht mehr deponiert werden darf, sondern verbrannt werden muß. Kritiker stützen sich auf die Erfahrungen mit der neuesten österreichischen Müllverbrennungsanlage in Wels. Dort ist man nach nur achtmonatiger Betriebszeit bei einem Defizit von 100 Millionen Schilling angelangt. Der Grund dafür: es gibt zu wenig Restmüll, um die Anlage auszulasten. Die Sorgfalt, mit der die Stei-rer ihren Müll trennen, könnte der Müllverbrennung in Graz daher einen Strich durch dte Rechnung machen. Der Slogan „Achtung Mülltrennung!” bekäme dann eine völlig neue Bedeutung.

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