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Warum das Geld fürs Heizen verschleudern?

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Trotz grundsätzlicher Bereitschaft zum Umdenken wird für das Heizen der Häuser noch immer viel zu viel Energie verschwendet. Gefordert siitd Modelle, die einen echten Anreiz zum Sparen bieten.

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Trotz grundsätzlicher Bereitschaft zum Umdenken wird für das Heizen der Häuser noch immer viel zu viel Energie verschwendet. Gefordert siitd Modelle, die einen echten Anreiz zum Sparen bieten.

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Verstehe es, wer will. Kein Zeitgenosse würde mit einem VW Golf, der statt der üblichen sieben Liter das Doppelte auf 100 Kilometer verbraucht, lange unterwegs sein. Er würde sein Gefährt in kürzester Zeit durch eines mit geringerem Verbrauch ersetzen. Selbst die beträchtlichen Kosten der Neuanschaffung könnten ihn von diesem sinnvollen Schritt nicht abhalten. Für das Beheizen seiner Wohnung ist dem Konsumenten aber anscheinend nichts teuer genug. Denn im Durchschnitt kommt ein österreichischer Haushalt auf die beträchtlichen Heizkosten von 15.000 Schilling jährlich.

Das müßte aber nicht sein, weil es heute Möglichkeiten gibt, die Heizkosten auch in Altbauten auf die 1 Iälf-te zu reduzieren. In die Tat umgesetzt werden sie aber nicht. Daran konnten nicht einmal die beiden letzten außergewöhnlich langen Winterperioden mit ihren hohen Heizkosten etwas ändern.

Umgedacht haben bis jetzt nur die

Häuselbauer. Sie achten seit einigen Jahren schon bei der Planung vermehrt darauf, wo Energie eingespart werden kann. Bessere Wärmedämmungsmaßnahmen, Sonnenkollektoren und Wintergärten, die heute schon an vielen neuen Einfamilienhäusern zu bemerken sind, signalisieren ein geändertes Bewußtsein. Wesentlich geringere Energiekosten und bessere Wohnqualität sind der Lohn der Anstrengungen. Manche Länder, Vorarlberg und Oberösterreich etwa, honorieren die Spar- und Investitionsbereitschaft, indem sie die Wohnbauförderung bei geringerem Energieverbrauch erhöhen.

Wohnhäuser sanieren

Von diesem erfreulichen Trend bleiben auch die vielen Altbauten in Österreich nicht unbeeinflußt. Auch hier setzen am ehesten die Besitzer von Einfamilienhäusern Verbesserungsmaßnahmen, weil für sie der Zusammenhang zwischen Investition und Nutzen nachvollziehbar ist. Praktisch nichts wird jedoch bei den Tausenden1 Wohnbauten in den Städten unternommen. Im Wiener 'Stadterneuerungsfonds gibt man offen zu, daß man andere Aufgaben - Sanierung von Substandardwohnungen - momentan für vordringlicher hält. Auch das Interesse der Wohnbaugenossenschaften an geringeren Heizkosten ist ziemlich gering. „Erst mittelfristig interessant", lautet die Parole.

Dabei gibt es genaue Berechnungen, die das enorme Einsparpotential dokumentieren. Eine von der Technischen Universität Wien im Jahr 1994 durchgeführte Studie liefert darüber sehr genaue Angaben. Der Energieverbrauch eines Hauses oder einer Wohnung wird mit der Energiekennzahl angegeben. Diese sagt aus, wieviel Kilowattstunden (kWh) Energie pro Quadratmeter und Jahr verbrauchtwerden. Der Bedarf von Heizenergie ist ein Teil, allerdings der größte Brocken des Gesamtenergieverbrauches. Als Ziel bei neuen Bauten strebt man einen Ergieverbrauch von etwa 50 kWh/m2 an. Dieser Wert wird bei ökologisch errichteten Häusern noch erheblich unterschritten. Bestehende Wohnbauten liegen aber viel höher: Ein Aufwand von 200 k Wh/m' ist hier der Normalfall, manche Gebäude kommen locker auf 300, das ergibt dann 30 Liter Heizöl im Jahr pro Quadratmeter. Die ärgsten Energiefresser sind dabei die schnell hochgezogenen Bauten aus den sechziger und siebziger Jahren mit ihren dünnen Außenwänden aus Beton.

Mit einfachen Maßnahmen kann dagegen etwas unternommen werden. Am billigsten sind Veränderungen im Heizsystem. Jeder Installateur weiß, daß durch neue Heizkessel und das Anbringen von simplen Thermostatventilen an den Heizkörpern der Energieverbrauch bereits um mindestens ein Viertel reduziert werden kann. Einfache Zeitschaltuhren ermöglichen das Absenken der Heiz-kurve bei Nacht und damit eine zusätzliche Verbrauchsreduktion. Anteilige Investitionskosten: etwa 15.000 Schilling. Der geringere Energieverbrauch wirekt sich nicht nur positiv auf die C02-Bilanz aus, sondern rechnet sich nach fünf Jahren auch wirtschaftlich.

Richtig dämmen

Der nächste, etwas aufwendigere Schritt, um den Heizenergiebedarf zu reduzieren, ist das Anbringen einer besseren Wärmedämmung. In Frage kommen dafür in erster Linie Außenmauern und oberste Geschoßdecke. Vereinfacht gesprochen erhalten die Gebäude dabei eine aus Dämmstoffen bestehende zusätzliche Haut. Diese kann außen oder innen an der Mauer befestigt werden. Technisch ausgereift ist gegenwärtig nur die Außenlösung. Damit läßt sich der Energieverbrauch für Raumwärme relativ zuverlässig auf die oben genannten 50 kWh/m2 herunterdrücken. Das heißt, eine Reduktion des Heizenergieverbrauches auf ein Viertel. Das vorhandene Einsparpotential ist also enorm. Während die Ieistungsfähigkeit der Dämmstoffe außer Zweifel steht, ist die Relation zwischen aufzuwendenden finanziellen Mitteln und der erzielten Heizkostenersparnis differenzierter zu betrachten. Robert Korab vom Ökologieinstitut meint dazu: „Es ist auch bei gegenwärtigen Energiepreisen rentabel, allerdings nicht in einem sensationellen Ausmaß. Welche Maßnahmen man ergreift, sollte individuell von Gebäude zu Gebäude entschieden werden. Oft bringen Einzelschritte - oberste Geschoßdecke von zweistöckigen Häusern dämmen - bereits viel, obwohl sie wenig kosten." Unbestritten ist, daß sich das Anbringen von Wärmedämmung rechnet, wenn eine ohnehin anstehende Fassadensanierung notwendig wird.

Warum diese ökologisch richtigen und obendrein finanziell interessanten Verbesserungen trotzdem kaum in Angriff genommen werden, hat keine technischen, sondern vor allem wirtschaftliche Ursachen. Korab verweist auf die dafür nicht vorhandenen Rücklagen und die fehlenden Finanzierungskreisläufe. Die Althaussanie-rungsfonds seien für derartige Projekte nicht vorbereitet. Außerdem haben Eigentümer und Mieter hier andere Interessen: Die Sanierungsmaßnahmen müssen vom Hauseigentümer finanziert werden, während der Mieter von den eingesparten Heizkosten profitiert. Das bestehende Mietrechtsgesetz hindert den I Iauseigentümer, die Kosten von derartigen Sanierungsmaßnahmen auf den Mieter zu überwälzen. Aber auch gesamtwirtschaftliche Interessen und Strategien wir ken sich negativ aus. Der Bauindustrie und vor allem den Ziegelerzeugern sind Neubauten, die viel Material-und Maschineneinsatz verlangen, viel lieber als die arbeitsaufwendigen Altbausanierungen. Letzten Endes existiert aber auch ein Desinteresse der Konsumenten, die manchmal gar nicht wissen, wieviel Geld sie jeden Monat für Energie bezahlen und wieviel sie davon einsparen könnten. An der fehlenden Technik liegt es also nicht. Es sind wirtschaftliche Interessen, ungeeignete Gesetze, eine unbewegliche Verwaltung und schlichte Borniertheit, die auf das, was nach uns kommt, pfeift.

Es gibt Lösungen

Sinnvolle Lösungen existieren zwar, aber sie sind meist erst im Versuchsstadium und greifen noch kaum. So hat man Finanzierungsmodelle entwickelt, die das Eigentümer-Nutzer-Problem lösen sollen. Das Verfahren nennt sich Contracting. Zwischen Eigentümer und Mieter tritt eine dritte Person: der Contractor. Er nimmt dem Eigentümer die Kosten für energiesparende Maßnahmen ab und holt sich das Geld beim Mieter, indem er einen bestimmten Energieverbrauch, der natürlich wesentlich niedriger als vorher ist, garantiert. Man könnte auch sagen, der Contractor verkauft eingesparte Energie. Alle Beteiligten haben ihren Nutzen: Für den Eigentümer ist die Finanzierung gesichert, der Mieter wird nur mitmachen, wenn er insgesamt nicht mehr zahlt, und der Contractor muß danach trachten, seine Energiedienstleistung möglichst günstig anzubieten.

Besserer Wärmeschutz tut aber nicht nur der Geldbörse gut. Er schlägt sich auch in reduzierten C02-Emissionen nieder. So könnte die Wärmedämmung alter Gebäude in einem Ausmaß von 40 Prozent zur Erreichung des Toronto-Zieles beitragen, wenn sie gesamtösterreichisch durchgeführt wird. Die von der Technischen Universität erstellte Studie beschäftigte sich aber auch mit der Frage, wieviel zusätzliche Arbeitsplätze durch Wärmedämmung geschaffen werden können. Zur Erreichung des Toronto-Zieles müßte man pro Jahr zumindest zwei Prozent der österreichischen Gebäude sanieren. Das erfordert sehr viel Arbeitseinsatz. Die Studie errechnet dafür einen Bedarf von 7.250 Arbeitskräften über mehr als ein Jahrzehnt hindurch.

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