Weitblick versus Kurzsicht

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Der Bundeskanzler hat sich erregt. Hörbar und sichtbar. Typischerweise vor der burgenländischen Landtagswahl. Er, der seinerzeit plakativ befand, „Genug gestritten“, findet nun, dass die Junktimierung von Mindestsicherung (SPÖ-Wunsch) und Transferkonto (ÖVP-Wunsch) einer Erpressung gleichkomme. Er ist empört: „Es ist eine Schande, die Armutsbekämpfung zum Tauschobjekt zu machen.“

Dabei hat er diese Abmachung erst im März in einer Regierungsklausur mitbeschlossen; inklusive der Regelung für Zuwendungen an die Landwirte (im Transferkonto sollen „alle monetären Leistungen ohne Gegenleistung erfasst werden“). Hat er Schwierigkeiten mit dem Kurzzeitgedächtnis? Oder versteht er das in diesem Fall vernünftige Junktim nicht?

Hier geht es ja nicht um einen „Deal“ von der Art: Tausche Zustimmung zu einem Justizgesetz gegen Zustimmung zu einem Gesundheitsgesetz etc. Mindestsicherung und Transferkonto hängen vielmehr sachlich zusammen: Wenn man die Treffsicherheit erhöhen will, ist es notwendig, dass eine Stelle (Behörde) weiß, was ein Staatsbürger von Bund, Land und Gemeinde bekommt, bevor man eine Mindestsicherung zuweist. Sonst könnte der unangenehme Fall eintreten, dass man nach Zuteilung der Mindestsicherung erfährt, dass diese eben nicht „treffsicher“ war; und diese zu entziehen ist peinlich, kompliziert und politisch mühsam. Man denke nur an die vor der letzten Nationalratswahl beschlossene Verlängerung der Hacklerregelung...

Leider hat der heutige Bundeskanzler schon damals keinen Weitblick bewiesen. Er hat den Wahlkampf- bzw. Parteitagsnahblick. Das unterscheidet ihn von früheren Bundeskanzlern: von Franz Vranitzky, ja auch von Alfred Gusenbauer; gar nicht zu reden von Wolfgang Schüssel.

* Der Autor ist Sozialforscher, GfK Austria

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