Weitere Verbesserung nötig

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Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel und Reinhold Mitterlehner, Vizegeneralsekretär der Wirtschaftskammer, zur Dienstleistungsrichtlinie.

Die Furche: Nach massiven Protesten gegen die Dienstleistungsrichtlinie wurde das Herkunftslandprinzip umformuliert. Was halten Sie von dieser Änderung?

Herbert Tumpel: Die Zielsetzung, die mit dieser Änderung verfolgt wurde, dass es nämlich kein Sozialdumping geben darf, ist richtig. Aber es gibt drei offene Punkte: Die Richtlinie sieht erstens für das Zielland keine Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung und Sanktionierung vor, wenn die Spielregeln nicht eingehalten werden. Zweitens sind zu wenige Bereiche der Daseinsvorsorge explizit ausgenommen. Es müssen alle Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden. Das dritte Problem ist die Kontrolle, wenn Drittstaaten-Angehörige für einen Dienstleister in einem anderen EU-Land arbeiten. Zum Beispiel heuert eine polnische Firma Ukrainer an, die dann in Österreich arbeiten sollen. Jetzt ist allein der Lohnunterschied zwischen Polen und Österreich schon eins zu zehn, zwischen der Ukraine und Polen nochmal eins zu zehn. Nach dem jetzigen Entwurf darf nur die polnische Behörde kontrollieren, ob diese ukrainischen Arbeitnehmer überhaupt in der EU arbeiten dürfen. Die polnische Behörde hat aber kein Interesse daran, wenn es in Polen ohnehin keine Probleme gibt. Unser Vorschlag: Die Arbeitnehmer müssen längere Zeit im Entsendeland gearbeitet haben, bevor sie entsandt werden dürfen.

Die Furche: Das heißt, es gibt zwar massive Probleme bei der Rechtsdurchsetzung, aber mit der grundsätzlichen Intention der Richtlinie, die Dienstleistungsfreiheit zu gewährleisten, sind Sie einverstanden?

Tumpel: Ja, denn es ist in der Intention ein Umdenken feststellbar. Aber eine gute Zielbeschreibung ist ohne Rechtsdurchsetzung und Sanktionsmaßnahmen totes Recht. So schätze ich das ein, so schätzt das auch die Wirtschaftskammer ein. Die Rechtsdurchsetzung ist ein offener Punkt. Wenn das so bleibt, wird es zu Verstößen kommen, und das wird in der Bevölkerung wieder ein massives Unbehagen gegen EU-Regelungen eine Anti-EU-Stimmung entstehen lassen.

Die Furche: Bringt die Richtlinie Ihrer Ansicht nach denn auch Vorteile?

Tumpel: Ehrlich gesagt nicht. Die derzeitigen bürokratischen Hemmnisse, die immer ins Treffen geführt werden, könnten genauso ohne Dienstleistungsrichtlinie beseitigt werden. Denn die würde der Europäische Gerichtshof ohnehin aufheben, da sie ja dem schon geltenden Regelwerk der EU widersprechen. Dafür brauche ich keine Richtlinie.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag

Die Furche: Nach massiven Protesten gegen die Dienstleistungsrichtlinie wurde das Herkunftslandprinzip umformuliert. Was halten Sie von dieser Änderung?

Reinhold Mitterlehner: Ein Gutteil der Irritationen war darauf zurückzuführen, dass das Herkunftslandprinzip sehr interpretationsbedürftig war. Jetzt ist es präzisiert worden. Zudem ist die Daseinsvorsorge ausgenommen worden und es wurde das Arbeitsrecht des Gastlandes für verbindlich erklärt. Damit sehe ich eine Chance, dass die Emotionen sich beruhigt haben und eine Sachdiskussion möglich wird. Aber man muss schon aufpassen, dass die ganze Richtlinie nicht so ausgehöhlt wird, dass gar keine Vorteile mehr übrig bleiben.

Die Furche: Aber in der ursprünglichen Formulierung war klar geregelt, welche Rechtsordnung zum Zug kommt. Jetzt ist die Regelung schwammig und wird wohl durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes präzisiert werden müssen.

Mitterlehner: Aber das ist doch immer noch besser, als wenn in dem Bereich gar nichts mehr zustande kommt. Man darf nicht vergessen, dass die EU gegründet wurde, um bestimmte Verbesserungen und Freiheiten des Wettbewerbs einzubringen. Es ist das Grundprinzip des Wettbewerbs, dass manche Länder eben Allokationsvorteile haben, das ist ja im Warenverkehr nicht anders.. Da muss der österreichische Staat eben seine Vorteile nutzen, die er durchaus hat im Tourismus, aber auch bei technischen Büros, Architekten. Wir sind ja nicht unterentwickelt.

Die Furche: Sie sehen in der Richtlinie also keinerlei Gefahren?

Mitterlehner: Was wir schon noch dringend brauchen, ist ein Abkommen über die Verwaltungsvollstreckung. Denn eine Regelung ist nichts wert, wenn ein Verstoß dagegen nicht geahndet werden kann.

Die Furche: Haben Sie denn Verständnis dafür, dass gegen die Richtlinie massiv protestiert wurde?

Mitterlehner: Nein. Schließlich sind auch Dienstleistungen ein Teil der Exporte, die für Österreich ganz wichtig sind. Schließlich exportieren wir mehr als wir importieren. Ich habe daher nicht ganz verstanden, warum den Kleinbetrieben Angst gemacht wurde vor den Importen. Im Warenverkehr gibt es diese Freiheit schon seit Jahren, und Österreich lebt sehr gut damit. Daher waren die Proteste gegen die Richtlinie weit überzogen und nur erklärbar mit generellen Vorbehalten gegen die Globalisierung. Da wird der Dämon des alles unterwerfenden Wettbewerbs an die Wand gemalt.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag

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