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Wollen Firmen verantwortungsvoll handeln, können sie ihre Mitarbeiter an Hilfsorganisationen "verleihen". Bilanz über eine Win-Win-Situation.

Je enger ich den Korridor mache, indem sich jemand bei der Umsetzung einer Idee bewegen kann, desto mehr vergebe ich die Chance, dass etwas Besseres herauskommt", sagt Kurt Tojner, Produktmanager bei der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG (Erste Bank). Eine Herangehensweise, die Tojner erst bei seiner Arbeit für das SOS-Kinderdorf gelernt hat. Für diese Erfahrung räumte Tojner allerdings nicht seinen Schreibtisch in Wien und zog nach Innsbruck. Die Erste Bank ermöglichte ihm, im Rahmen eines CSR-Projektes (Corporate Social Responsibility), ein halbes Jahr für das SOS-Kinderdorf neben seinem normalen Job tätig zu sein. Und dies, ohne Gehaltseinbußen.

Das Projekt, das Wirtschaft und karitative Organisationen zusammenbringt, heißt "Vernetzte Welten" - die Furche berichtete bereits in Ausgabe 16 vergangenen Jahres darüber. Nach dem ersten Jahr ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Wem nützt das Projekt wirklich? In erster Linie den Hilfsorganisationen, denn diese bekommen Spezialisten aus der Wirtschaft - sozusagen externe Berater, die sie sich normalerweise nicht leisten könnten. Ein "Externer" bringt aber nicht nur den Blick von außen mit. Wilfried Vyslozil, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf Österreich, beschreibt die Zusammenarbeit so: "Es ist eine kreative Dusche für eine NGO (Nichtstaatliche-Organisation), da die Wechselbäder der Gefühle und geistigen Hintergründe sehr belebend sind, und positiv verfremden."

Helfen und lernen

Doch nicht nur die Hilfsorganisation lernt, wenn ein "Mensch der Marktwirtschaft" für einige Monate mitanpackt. Tojner, der für ein Online-Projekt eingesetzt wurde, hat am eigenen Leib erlebt, wie hilfreich es für seine Arbeit sein kann, wenn er einmal sein Büro verlässt und woanders arbeitet. So konnte er miterleben, dass ein Projekt nicht immer einen genauen Zeitplan und Zielvorgaben braucht. Eine Idee, sofern sie gut ist und man sich über ihre Wichtigkeit verständigt hat, muss nicht sofort in die Tat umgesetzt werden. Sie kann auch eine Zeit lang liegen bleiben und reifen. Weiters sei ihm aufgefallen, dass die Mitarbeiter im SOS-Kinderdorf viel freier entscheiden dürfen, wie sie an eine Aufgabe herangehen. Für Tojner ist klar, dass diese Arbeitsweise in einem Großunternehmen, in dem der überwiegende Teil der Arbeit durch Termine vorbestimmt ist, nicht immer möglich sei, doch die Denkansätze gefallen ihm. Nicht zuletzt fiel Tojner die Herzlichkeit auf, mit der er beim Morgenkaffee des SOS-Kinderdorfes aufgenommen wurde. Und er wurde sich bewusst, dass die sozialen Kontakte im Unternehmen sehr wichtig sind und wie wenig er diese in letzter Zeit gepflegt hatte. Das kurze Gespräch am Gang oder die gemeinsame Kaffeepause seien die Art von Schmiermittel, die es braucht, um gut zusammenarbeiten zu können. Tojner hofft, nicht nur die interne Kommunikation wieder verstärkt zum Laufen zu bringen. Er will auch die Kontakte, die er in seiner Projektzeit beim SOS-Kinderdorf aufgebaut hat, aufrecht erhalten: "Wir telefonieren, wenn wir Fragen haben, die in das Betätigungsfeld des anderen hineinreichen. Dadurch wird Wissen angezapft, das sehr wertvoll ist."

Ein großes Thema ist für die entsandten Mitarbeiter auch, dass sie ihren eigenen Betrieb wieder in einem anderen Licht sehen. Herbert Meusburger ist Personalentwickler bei der Erste Bank und derzeit gerade für das SOS-Kinderdorf tätig, in seinem Fachgebiet Personalentwicklung. Er lerne eine andere Betriebskultur durch viele verschiedene Blickwinkel kennen, und das helfe ihm bei der Arbeit in der Bank. Die Unterschiede zwischen den Organisationsformen würden wieder klarer werden: "Bei uns tickt's anders."

Kurt Rudolf, langjähriger Mitarbeiter der Generali Versicherung - derzeit in der Revision tätig -, ging es bei der Umgestaltung des Webshops der Katholischen Jungschar ähnlich. Er wurde vor allem darauf aufmerksam, dass es noch eine andere Sichtweise als die Gewinnorientierung der Wirtschaft gibt, und zwar menschliche Zielsetzungen. Den Menschen und nicht nur den Profit zu sehen, sei eine Herangehensweise an Aufgaben und Mitarbeiter, die Rudolf von seinem Vernetzte-Welten-Projekt mitnimmt. Überrascht war der Generali-Manger auch von der Professionalität der Arbeit der "Kleinen", die gemeinhin für nicht professionell gehalten werden: "Laptop und Passwörter funktionieren von der ersten Minute, bei einem Großbetrieb hätte das sicher Tage gedauert."

Personal entwickeln

Laut den Erfahrungsberichten der NGO-Mitarbeiter auf Zeit ist diese CSR-Maßnahme eine Möglichkeit der Weiterentwicklung. Und genau in diesem Licht sieht dies auch die Personal-Expertin der Generali, Dagmar Strolz. Die Generali sei auf der Suche nach einer sinnvollen CSR-Maßnahme gewesen, und wurde auf "Vernetzte Welten" aufmerksam. Der Personalistin hat besonders gefallen, dass die Mitarbeiter persönlich und fachlich etwas dabei lernen und auch einen Beitrag leisten, der nicht nur monetärer Natur ist. Das Projekt diene zur Personalentwicklung und unterstützt auch die Gesellschaft an sich, wenn karitative Organisationen Know-how und Ressourcen bekommen. Für Strolz ist es wichtig, dass die Projekte bei den NGO anspruchsvoll sind und der Mitarbeiter dadurch auch wirklich einen fachlichen Lerneffekt erzielt. Hilfreich sei aber auch, dass die Mitarbeiter mitbekommen, wie Betriebe arbeiten, die mit wenigen Mitteln auskommen müssen. Und die Projekte seien motivierend. Vor allem für jene, die schon lange bei einem Unternehmen sind und einmal etwas anderes erleben und sehen möchten. Aber auch für jene, die viel arbeiten wollen, um sich zu beweisen, dass sie mehr können.

Wie man eine NGO führt

Neben den Erfahrungen, die die "Gastarbeiter auf Zeit" bei den NGO mitnehmen, gibt es bereits auch die gegensätzliche Know-how-Weitergabe. Wilfried Vyslozil berichtet von einer Einladung zu einer Veranstaltung für Nachwuchsführungskräfte der Erste Bank, bei der er über seine Art ein Unternehmen zu führen sprechen konnte und so seine Ansätze mit denen der jungen Manger abglich. "Und das ist der Witz dabei, dass wir nicht nur Empfänger, sondern auch Geber sind, vor allem in Bezug auf die Person, die zu uns kommt und uns hilft, aber auch gegenüber der unterstützenden Firma selbst."

Info

Seit Anfang 2006 bringt das Projekt "Vernetzte Welten" von Initiator Leon Lenhart Wirtschaft und Hilfsorganisationen einander näher. Allerdings nicht mit dem herkömmlichen Spenden-Aufruf. Es geht viel mehr um eine CSR-Maßnahme (Corporate Social Responsibility=verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, das über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgeht). Helfen und voneinander Lernen ist der Kern des Projektes: Mitarbeiter einer Firma sind bei fortlaufendem Gehalt einige Monate für Hilfsorganisationen tätig.

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