Wenig Geld, viel Wirkung

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Das Jahr 2005 ist das "UNO-Jahr der Mikrokredite". In der Armutsbekämpfung stellen diese eine der niederschwelligsten Maßnahmen dar.

Es ist eines der Grundprinzipien der Bankenwelt und macht diese gleichzeitig so paradox: Wer reich ist, bekommt ohne Probleme Geld geliehen. Wer nichts hat, bekommt auch nichts. Dabei wären vor allem in Entwicklungsländern oft nur geringe finanzielle Mittel nötig, um den Schritt aus extremer Armut hin zu einem besseren Leben zu schaffen. Daher sind immer mehr Institutionen inzwischen bereit, diese Mittel abseits der üblichen Kreditgeschäfte zur Verfügung zu stellen. Mikrokredite nennen sich diese niedrig verzinsten Darlehen, die in der Regel zwischen hundert und zweitausend Euro ausmachen und entweder ohne oder nur mit geringen Anforderungen an Sicherheiten vergeben werden. Nach einer Schätzung der Vereinten Nationen gibt es weltweit rund 3.000 Institutionen, die solche Kredite vergeben. Teilweise sind es eigenständige Banken, die mit diesen Minikrediten ihr Geschäft machen, meist sind es aber gemeinnützige Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit. Und auch die Vereinten Nationen selbst haben längst die Bedeutung der Kleinstkredite für die weltweite Armutsbekämpfung erkannt: Das Jahr 2005 wurde zum "uno-Jahr der Mikrokredite" erklärt.

Gute Ausbildung, kein Job

Eine der gemeinnützigen Organisationen, die solche Minikredite vergeben, ist Jugend Eine Welt - Don Bosco Aktion Austria. In einigen afrikanischen Ländern bildet die Organisation Jugendliche in verschiedenen Berufen aus. "Wir haben festgestellt, dass wir zwar eine gute Ausbildung bieten, es aber keine Arbeitsplätze für die Absolventen gibt", erzählt Günter Mayer, Provinzökonom der Salesianer Don Boscos. In Ghana beschloss man daher, jungen Handwerkeren finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um sich selbstständig zu machen und - im besten Fall - weitere Arbeitsplätze zu schaffen.

Vor drei Jahren wurde daher mit Unterstützung anderer Organisation die "Fostered Youth Association" gegründet. Auch die Austrian Development Agency, die österreichische Agentur für Entwicklungszusammenarbeit des Außenministeriums, beteiligt sich finanziell an dem Projekt. Allerdings wird nicht - wie in den meisten anderen Organisationen - das nötige Geld für die Unternehmensgründung einfach ausbezahlt. "Wir schaffen die Güter an, die der Kreditnehmer braucht, zum Beispiel Maschinen und Material", erläutert Mayer das System. Denn zu groß sei sonst die Versuchung für einen jungen Ghanaer, mit dem Geld andere Dinge anzuschaffen, als für den Betrieb benötigt werden. Beispielsweise wurde eine Tischlerei eingerichtet und Holz beschafft. Als der junge Mann den ersten Kredit zurückgezahlt hatte, bekam er einen weiteren Kredit, um seinen Betrieb zu vergrößern. "Inzwischen hat er zehn Arbeitsplätze geschaffen", erzählt Mayer.

Die Zahlungsmoral von Mikrokreditnehmern wird allgemein als deutlich höher beurteilt als bei herkömmlichen Krediten. Das kann auch Mayer bestätigen: "Wir haben bisher 42 Kredite in Höhe von insgesamt rund 40.000 us-Dollar vergeben. Nur drei Schuldner sind säumig geworden, und bei zweien hat die Familie inzwischen das Geld zurückgezahlt.

Bekannt geworden ist die Idee der Mikrokredite schon 1976, ausgehend von Bangladesch. Sie stammt von dem Ökonomieprofessor Muhammad Yunus von der Universität Chittagong. Während einer Hungersnot in Bangladesch begann er seinen Feldversuch, der dann zur Gründung des Grameen-Fonds führte: Er gab vor allem an Frauen kleine Kredite, ohne materielle Sicherheiten zu verlangen. Mit dem Kredit akzeptieren die Frauen aber gleichzeitig einen Verhaltenskanon mit 16 Forderungen, etwa die die Zahl der Kinder zu beschränken, Wasser nur abgekocht zu trinken und mit dem erwirtschafteten Geld die Ausbildung der Kinder zu bezahlen. Yunus sagte einmal über seine Bank: "Wir haben uns angesehen, wie die anderen Banken arbeiten und dann das genaue Gegenteil davon gemacht." Mit Erfolg: Mit Mai 2005 hatte die Bank seit ihrem Bestehen Kredite in Höhe von fast 4,8 Milliarden us-Dollar an insgesamt 4,5 Millionen Kreditnehmer vergeben. Zurückgezahlt waren bis dahin bereits 4,3 Milliarden Dollar.

Mittlerweile hat die Grameen-Bank nicht nur selbst weitere Filialen in anderen Ländern eröffnet, sondern viele Nachahmer gefunden. Statt Sicherheiten für die Kredite zu verlangen, werden andere Wege gegangen: Wer einen Kredit will, muss sich beispielsweise mit Gleichgesinnten aus seinem Dorf zu einer Solidaritätsgruppe zusammentun. Der erste bekommt einen Kredit, den er in wöchentlichen Raten zurückzahlen muss. Erst wenn das eine Weile funktioniert hat, bekommt der zweite in der Gruppe Kredit. Oder es muss ein Bürge die Rückzahlung garantieren. Dabei geht es aber in erster Linie nicht darum, dass tatsächlich der Bürge einspringt, falls der Schuldner säumig wird. Viel wichtiger ist der moralische Druck, der durch den Bürgen auf den Kreditnehmer ausgeübt wird.

Geld und Informationen

Dazu kommt vor allem bei Organisationen mit entwicklungspolitischem Ansatz die Verpflichtung, an wöchentlichen Schulungen teilzunehmen. So auch bei der "Fostered Youth Association" in Ghana: Bevor der Kredit vergeben wird, werden die Interessenten in Workshops darauf vorbereitet, wie man sich selbstständig macht, welche rechtlichen Regelungen zu beachten sind und wie eine ordnungsgemäße Buchführung auszusehen hat. Auch die Familie und ein Bürge werden eingeladen, damit auch das Umfeld das nötige Verständnis haben.

Allerdings werden diese Ansätze immer weniger: Herkömmliche Kreditinstitutionen, die sich auf die Vergabe solcher Kredite spezialisiert haben, bieten keine begleitenden Maßnahmen und vergeben die Kredite in der Regel schneller, was zu einem Zustrom zu diesen Instituten führt.

Seife für alle

Viele Organisationen fördern vor allem Frauen, um deren Stellung in der Gesellschaft zu verbessern. Zudem wird davon ausgegangen, dass Frauen umsichtiger mit Geld umgehen und es seltener für Prestigeobjekte ausgeben als Männer. Allerdings sind einige dieser Förderprojekte auch gründlich in die Hose gegangen, schildert Günter Mayer anhand eines Beispiels: In einem Fall seien die Frauen eines Dorfes darin unterrichtet worden, wie Seife hergestellt wird. "Aber als alle Seife produzierten, gab es natürlich keine Abnehmer mehr. Die Frauen haben nur für ihren eigenen Bedarf gearbeitet und kein Geld damit verdient." Aber auch erfolgreiche "Heimarbeitsprojekte" würden keine Arbeitsplätze schaffen, was jedoch ein wichtiger Aspekt erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit sei. "Daher fördern wir nur Leute, die kleine Unternehmen aufbauen", betont Mayer. Allerdings überlegt auch seine Organisation, künftig besonders Frauen bei Firmengründungen zu unterstützen.

Aber so wichtig Mikrokredite auch sind: ngos weisen immer wieder darauf hin, dass die Euphorie über ihre positive Wirkung nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass sie nur ein Instrument von vielen für die Armutsbekämpfung sein können. Was auch innerhalb der uno unbestritten ist. - Schließlich ist derzeit nicht nur das Jahr der Mikrokredite, sondern seit 2003 auch die Dekade zur Alphabetisierung. Motto: "Bildung für alle".

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