Wenn der Gerichtsvollzieher klingelt...

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Österreich ist nach Deutschland und gemeinsam mit Finnland das EU-Land mit den zweitmeisten Insolvenzen.

In Österreich landeten im ersten Halbjahr 2003 rund 1,6 Prozent aller Betriebe vor dem Konkursrichter. EU-weit (ohne Berücksichtigung von Luxemburg, von dem keine Daten vorliegen) hat nur Deutschland mehr Insolvenzen zu verzeichnen, in Finnland sind es in etwa gleich viele, zeigt die soeben erschienene Insolvenzstatistik des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV). Grundig Österreich mit Passiva von 154 Millionen Euro, Ankerbrot mit 89 Millionen Euro und Augarten Porzellan mit 12 Millionen Euro sind dabei nur die prominentesten Vertreter der 2.652 zwischen Jänner und Juni 2003 zahlungsunfähig gewordenen heimischen Firmen, Tendenz im Vergleich zum Vorjahr leicht steigend. Im Jahr 2002 waren insgesamt rund 5.300 Unternehmen betroffen (einschließlich der mangels vorhandenem Vermögen abgewiesenen Konkursanträge), heuer dürften es etwa ein Prozent mehr sein. Vor allem Klein- und Mittelbetriebe aus der Bauwirtschaft und dem Gastgewerbe sind gefährdet.

Den Gründen für die zahlreichen Pleitefälle haben sowohl der KSV als auch die Beratungsfirma KPMG jeweils eine Studie gewidmet. Ergebnis: Bei einem großen Teil der Firmenpleiten, nach Angaben des KSV bei 30 Prozent, wird die Zahlungsunfähigkeit durch innerbetriebliche Probleme verursacht. Also durch Produktionsmisserfolge, Fehlkalkulationen, zu hohe Außenstände, Versäumnisse in der Produktentwicklung, Personalüberhang und ähnliches. Bei einem Viertel der Unternehmen spielt Fahrlässigkeit eine Rolle, bei sieben Prozent sogar persönliches Verschulden wie Spekulationsgeschäfte oder kriminelle Machenschaften. Kapitalmangel bringt 20 Prozent zu Fall - die österreichischen Betriebe liegen mit einer Eigenkapitalquote von durchschnittlich 28 Prozent im EU-Vergleich an vorletzter Stelle, und die verschärften Kreditvergabe-Vorschriften ab dem Jahr 2006 werfen bereits jetzt ihre Schatten voraus. Fehlerquellen im außerbetrieblichen Bereich, etwa ruinöse Forderungsausfälle oder geänderte Marktlage, machen 13 Prozent aus. (Rest: sonstige Ursachen wie Naturkatastrophen, Krankheits- oder Unglücksfälle).

Laut KPMG-Studie wären jedenfalls zehn bis 15 Prozent der Insolvenzen durch externe Beratung vermeidbar. Im internationalen Vergleich seien die österreichischen Manager "Beratungsmuffel", heißt es in der Untersuchung. "Unserer Erfahrung nach wird die Krise so lange hartnäckig negiert, bis vergleichsweise einfache Gegenmaßnahmen nicht mehr greifen können", erklärt Christian Mylius, zuständiger Manager bei KPMG Corporate Restructuring. Psychologisch sei das Verhalten der Verantwortlichen zwar durchaus verständlich, es entstehe dadurch aber unnötiger wirtschaftlicher Schaden für alle Beteiligten, nicht zuletzt für den Staatshaushalt, dem allein durch die Insolvenzen des vergangenen Jahres Steuereinnahmen in Höhe von 363 Millionen Euro entgangen sind. claf

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