Wenn Konzerne die "globale Karte" spielen

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"Vaterlandslose Gesellen", Konzerne ohne Heimat, bereit von heute auf morgen an einen anderen Standort zu ziehen, treiben nationale Regierungen vor sich her.

Kapitalmarktgetrieben und ohne nationale Nähe", beschreibt rhi-Generaldirektor Helmut Draxler bei den letztwöchigen Alpbacher Wirtschaftsgesprächen die Grundausrichtung seines weltweit tätigen Konzerns für Feuerfestprodukte. Deswegen ist der frühere öbb-Chef über die Senkung der Körperschaftssteuer in Österreich auf 25 Prozent "sehr glücklich" und kann seinen Kollegen den Standort Österreich nur wärmstens empfehlen: als Headquarter und als Forschungsstandort - auf der Suche nach neuen Produktionsstätten schaut Draxler lieber nach Brasilien, nach Indien und China oder nach Osteuropa, wo sechs Staaten transnationale Konzerne mit einer Flat Tax von zwölf Prozent (Georgien) bis 19 Prozent (Slowakei) locken.

Der Wettlauf um die geringste Steuerbelastung für Konzerne ist gang und gäbe. In der gesamten oecd wurden und werden die Spitzensteuersätze, die Vermögens- und Gewinnbesteuerungen von Unternehmen gesenkt - und damit nicht genug: Angesichts von Ver- und Auslagerungsdrohungen sind Regierungen noch zu weiteren Zugeständnissen und Subventionen, aber auch Belegschaften zur Reduktion der Entgelte oder zu kostenwirksamen Änderungen der Arbeitszeiten bereit. Die Trumpfkarte transnationaler Unternehmen: Sie sind mobil; Staaten und dem Großteil der Arbeitnehmer fehlt dieser Vorteil: Sie sind an einen Ort gebunden.

Die Globalisierungsdiskussion lebt freilich auch von Übertreibungen. Zweifellos kann die "globale Karte" heute leichter gespielt werden als zu Zeiten in denen die internationale Vernetzung noch geringer ausgeprägt war, tatsächlich sind absolut "vaterlandslose Gesellen", transnational strukturierte Unternehmen ohne jede Bindung an einen Nationalstaat, aber immer noch die Ausnahme.

Martin Hagleitner, Geschäftsführer von "malik - management zentrum st. gallen" und ebenfalls beim Forum Alpbach anzutreffen, verweist darauf, dass von Unternehmen auch die Aspekte Qualität und Verlässlichkeit bei einem Standortwechsel einbezogen werden. Eine Übersiedlung steigert die Komplexität, es kommt zu mehr Schnittstellen und sehr oft ist die Abwanderung in Billiglohn-Länder mit einer Zunahme der Sicherheitskosten und mit mehr Korruption verbunden, gibt Hagleitner zu Bedenken.

Insgesamt ist das Drohpotenzial der Unternehmen bei ihrer Standortwahl aber sicher sehr hoch. Das zeigt auch Draxler, wenn er betont: "Sie machen sich noch falsche Vorstellungen darüber, wie schnell Konzerne auf Veränderungen reagieren können." Nach Einführung der 35-Stunden-Woche in Frankreich haben Unternehmen ihre französische Produktion innerhalb eines Jahres stillgelegt, sagt Draxler und in der Automobilindustrie sei es heute ein leichtes in wenigen Monaten einen chinesischen Autocluster aufzubauen. Ein besonderer Dorn im Auge ist für Draxler die laut Kyoto-Protokoll vorgeschriebene Beschränkung beim CO2-Ausstoß in Europa und dabei vor allem in Österreich: "Das ist wettbewerbsverzerrend und wohlstandsvernichtend!"

Die mit der Internationalisierung verbundenen Befürchtungen sind nicht eingetreten, beruhigt indes Bernhard Felderer, Direktor am Institut für Höhere Studien und weiterer Alpbach-Referent: Weder die Besteuerung von Arbeit ist im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt gestiegen, noch wurden Sozialleistungen gesenkt, rechnet Felderer dem überraschten Publikum vor. Und auch wenn die Sätze für die Körperschaftssteuer gesenkt wurden, "das Steueraufkommen ist gestiegen, die Unternehmen haben letztlich mehr bezahlt."

Eigenartig, irgendwo muss da ein Rechenfehler versteckt sein. Böhler-Uddeholm-Chef Claus Raidl hat jedenfalls am Tag nach Felderers Alpbach-Auftritt die Senkung der Körperschaftssteuer bejubelt: Allein im ersten Halbjahr 2005 hat sie seinem Konzern zehn Millionen Euro Steuerersparnis gebracht. Da bleibt man doch gern in Österreich.

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