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Wertpapiersparen

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„Spekulieren“ heißt auskundschaften, und „festverzinslich“ bedeutet, auf im vorhinein fixierte Erträge durch viele Jahre hindurch zum gleichen Zeitpunkt rechnen zu können. Die Praxis zeigt, daß diese beiden Begriffe keineswegs einander entgegenstehen müssen, sondern daß sie sich häufig ergänzen. So hat die noch in frischer Erinnerung befindliche Spekulation auf die DM-Aufwertung dazu geführt, daß festverzinsliche Wertpapiere spekulativ verkauft wurden, um nach erfolgter Aufwertung durch die Rückwechslung aus der D-Mark den Aufwertungsgewinn zu realisieren. Und umgekehrt sind Aktien bekannt, die durch Jahre einen gleich oder ähnlich hohen Ertrag abgeworfen haben und sich im Kurs nicht wesentlich veränderten, so daß man beinahe von ,.festverzinslich“ sprechen kann, obwohl es sich um Aktien handelt und der seinerzeitige Erwerb (vielleicht) aus „spekulativen“ Gründen erfolgte.

Wenn man das Wort „spekulativ“ seines negativen, ihm beim Wertpapiergeschäft zu Unrecht zugemessenen Sinnes „aufs Spiel setzen“, „hasardieren“ entkleidet, wird man sofort entdecken, daß jede wirtschaftliche Handlung das „Wagen“, „Riskieren“, „Sich getrauen“, also das „Spekulieren“ voraussetzt, und daß es ohne ein spekulatives Element überhaupt keine echten Märkte geben könnte. Denn Voraussetzung jedes Marktes, auch des Wertpapiermarktes, sind Aufnahmefähigkeit und Realisierbarkeit. Und dafür schafft das „Spekulieren“ erst die Grundlage, auf der sich ein entsprechender Markt entwickeln kann. Ein Amerikaner charakterisierte diesen Sachverhalt glänzend: „Die Spekulation hat Vor-und Nachteile, aber die Vorteile kommen hauptsächlich der Allgemeinheit zugute, während die Nachteile der Spekulant selbst zu tragen hat...“

Es ist ein Grundzug der menschlichen Natur, für die Wechselfälle des Lebens vorzusorgen, Ob es die Alterssicherung, die Versorgung der Famüie bei einem Unglücksfall oder die Bereitstellung der Ausbildungskosten für die Kinder ist — die Frage, wie man das Geld dafür „sicher“, gemeint ist: „wertbeständig“, anlegen kann, bewegt den verantwortungsbewußten Menschen zeit seines Lebens. Zweifellos fließt ein sehr großer Teil des Einkommensstromes — trotz aller Sparwerbung — in den Konsum und die Tendenz zu übersteigerter VerbraucheiTmentialität (oder zum Export des Spartkapitals) ist leider auch bei jenen Beziehern von mittleren Einkommen vorhanden, die auf Grund der Einkommenshohe dem Wertpapiersparen aufgeschlossener gegenüberstehen sollten.

Gewiß, schlechte Erfahrungen ta der Vergangenheit rechtfertigen bis zu einem gewissen Grad dieses Mißtrauen gegenüber dem Kauf von Wertpapieren. Aber wohin muß es führen, wenn zuwenig in Wertpapieren gespart und der Wirtschaft zuwenig langfristiges Geld für Investitionszwecke zur Verfügung gestellt wird?

Die Aktie verkörpert einen Anteil am Grundkapital eines in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft organisierten Unternehmens. Hinter dem Wert einer Aktie steht „Substanz“, also Grundbesitz, Fabrikationsanlagen, Maschinen oder andere Vermögenswerte. Viel wichtiger als der sogenannte Substanzwert ist aber die Kraft und Fähigkeit einer Gesellschaft, mit ihrem Vermögen Erträge zu erwirtschaften.

Die Aktie ist zukunftsbezogen, eine typische Daueranlage und unbegrenzt der Zeit nach, denn 9ie wird ja nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezahlt. Der Aktionär ist im Ausmaße seines Aktienbesitzes anteilsmäßig Eigentümer des Unternehmens und er partizipiert am Gewinn dieses Unternehmens. Er orientiert sich an der Kursentwicklung, manchmal tritt auch das Ertragsdenken in den Vordergrund.

Unternehmungen sind anders als eine Schuldverpflichtung, sie leben, sie investieren und vermehren ihr Vermögen, wenn sie gut geführt sind, und sie überdauern — wje die Erfahrung lehrt — Krisen der verschiedensten Art noch immer am allerbesten. Zweifellos ist das Beteiligungspapier zur Veranlagung von Spargeld in einem Lebensabschnitt besonders geeignet, in dem man noch „etwas vor sich hat“.

In Aktien angelegte Ersparnisse bedeuten — wie alle Vermögenswerte — Verantwortung, sie verpflichten zu Entscheidungen auf einem Gebiete, das nur in den seltensten Fällen das Fachgebiet der Veranlagenden ist. Aktien leben, sie verzinsen sich und haben Ohancen zur Wertsteigerung, wenn das Unternehmen richtig geführt ist und sich aufwärts entwik-kelt.

Die Kapitalgeber erhalten für ihr Sparkapital Geldeinkommen, das verausgabt werden kann, ohne die Substanz zu mindern, wenn das betreffende Unternehmen gesund und leistungsfähig ist.

Schuldverschreibungen sind festverzinsliche Wertpapiere, in welchen sich der Aussteller (Schuldner) zu einer bestimmten Leistung verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht darin, das Schuldkapital in genau festgelegten Zeiträumen zurückzuzahlen, „zu tilgen“, und bis dahin die Scbuldzdnsen in bestimmter Höhe zu entrichten. Während die Ausschüttungen für Aktien alljährlich neu festgesetzt werden und — der jeweiligen Ertragskraft des Unternehmens entsprechend — erheblichen Schwankungen unterworfen sein können, ist der von Schuldverschreibungen abgeworfene Ertrag im voraus fest bestimmt und er bleibt (im allgemeinen) auch Jahr für Jahr gleich. Schuldverschreibungen sind vergangenheits-bezogen; schon zum Zeitpunkt des Erwerbes weiß man genau, was das Papier im besten Falle bringen wird. Rücklösungswert und Zinsen sind fixiert, eine Überschreitung ist nur in minimalen Grenzen denkbar, zu einer Unter-schreitunig kann es nicht kommen, soferne man Zeit hat, auf die Einlösung zu warten. Ein Kursrisiko gibt es in einem solchen Falle eigentlich nicht, es sei denn, man hat zu teuer eingekauft, statt die Anleihestücke zu „Emissionsbedingungen“ zu erwerben, also bereits bei der „Geburt“ spesenfrei als Ersterwerber zu „zeichnen“. Das Anleihepapier ist die typische Zeitanlage und zweckmäßig für jene, die sich auf regelmäßige Bezüge verlassen müssen. Es macht zwar die Geldwertverdünnung voll mit, wird aber dafür mit höheren Zinsen honoriert.

Es 'ist eine Tatsache, daß das Anleihesparen einen viel zu kleinen Interessentenkreis erfaßt. Erfolge auf dem Sektor des steuerbegünstigten Anleihe-Erwerbs dürfen uns keineswegs darüber hinwegtäuschen, daß es bis dato nicht gelungen ist, einen entsprechenden Anteil der ständig wachsenden Massenersparnisse — unmittelbar und langfristig — der österreichischen Wirtschaft als Finanzierungs-mittel zuzuführen.

Die Grunde dafür sind vielschichtig. Die Aversion gegen Anleihepapiere ist bei jenen Menschen, die das Pech hatten, die Vernichtung ihres Rentenvermögens zweimal, also nach dem ersten und dem zweiten Weltkrieg zu erleben, noch tief verwurzelt. Anderseits ist die Zahl der Unternehmungen, die Schuldverschreibungen ausgeben dürfen, in Österreich sehr gering und es sind schon aus dieser Richtung der Auswahl des Publikums enge Grenzen gesetzt.

Welche Höhe die Rendite festverzinslicher Wertpapiere bei Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung erreichen kann, mag Ihnen das folgende Beispiel zeigen:

Der Emissionskurs der vor kurzem zur Zeichnung aufgelegenen siebenprozentigen Vorarlberger Kraftwerke AG. Anleihe 1970 betrug 98,25 Prozent, die Laufzeit erstreckt sich auf 15 Jahre (Tilgung durch Verlosung ab 1972 bis 1973 zu 10,1 Prozent, ab 1974 bis 1980 zu 10,2 Prozent, ab 1981 bis 1985 zu 10,3 Prozent). Wenn Sie sich also entschlossen hatten, beispielsweise S 15.000 dieser Emission mit Steuerbegünstigung zu zeichnen (15 Tausender, alle Stücke von einer Serie), bezahlten Sie hiefür 98,25 Prozent = S 14.737.50, abzüglich Steuerbegünstigung 15 Prozent = S 2250, so daß nur S 12.487,50 verblieben und die effektive Rendite 8,41 Prozent betrug. Sollten Ihre Titres erst am Ende der Laufzeit, also nach 15 Jahren verlost werden, erhalten Sie Nominale S 15.000 zu 10,3 Prozent = S 15.450 zuzüglich jährlich zu erhaltender Zinsen (ohne Zinseszinsen)

S 15.750.—

also insgesamt................ S~31.200.—

was bei einem investierten

Kapital von ................. S 12.487.50

einem Gewinn von ............ S 18.712.50

= etwa 150% entspricht Bei einer Auslosung zum ersten Tilgungstermin (dem anderen Extremfall), würden Sie folgenden Betrag erhalten: Nominale S 15.000.— zu 10,1% .. S 15.150.—

zuzüglich 2 Jahre Zinsen....... S 2.100.—

also insgesamt .........,...... S 17.250.—

abzüglich eingezahltes Kapital .. S 12.487.50

Gewinn ....................... S 4.762.50

= etwa 38%.

Wenn Sie den goldenen Mittelweg gehen und bei der Zeichnung von jeder Verlosungseinheit den gleichen Betrag verlangen, wissen Sie mit Sicherheit, daß Sie für eingezahlte S 832.50 (inklusive Zinsen) im 1. und 2. Verlosungsjahr S 1080, im 3. bis 9. Verlosungsjahr S 1090 und im 10. bis 14. Verlosungsiahr S 1100 erhalten. Die Verzinsung ist in allen diesen Fällen überdurchschnittlich gut. Auf der anderen Seite Ist an der Wiener Aktienbörse — nach einer Reihe von schlechten Jahren — endlich die schon seit langem fällige Erholung eingetreten. Von sechs an der Wiener Börse umgesetzten Aktiengattungen notieren fünf beträchtlich über pari mit Bruttoertragen von 4 bis 14 Prozent, nur das restliche Sechstel der Papiere ist dividendenlos, steht unter 100, oder hat aus anderen Gründen keine Bedeutung. Die Kurssteigerungen betragen bei einer Reihe von Titres seit dem Vorjahr 30 bis 40 Prozent und Spitzenreiter haben es auf etwa 50 Prozent gebracht.

Man sieht aus dieser kurzen Darstellung, welche Bedeutung die Börse auch für den Wertpapiersparer hat. Der Daueranleger, dem unsere Hauptsorge gelten muß, ist am langfristigen Wachstum u n d an einem entsprechenden Ertrag interessiert. Nicht überdurchschnittliche Gewinnchancen in kurzer Frist, nicht Gerüchte, Stimmungen, politische Ereignisse oder die internationale Währungsspekulation sollten Grundlage seiner Entschlüsse sein, sondern die langfristigen wirtschaftlichen Aspekte sollen im Mittelpunkte seiner Überlegungen stehen.

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