Wettbewerb und soziale Balance

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Nationalbank-Vertreter geben in Alpbach noch keine Entwarnung an der Teuerungs-Front. Vizekanzler Wilhelm Molterer steuert mit strukturellen Maßnahmen und treffsicherer Hilfe dagegen.

Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) gibt noch keine Entwarnung an der Teuerungsfront. Nichts halten die führenden Notenbanker davon, mit Steuersenkungen - wie etwa der rund 800 Millionen bis 1 Milliarde Euro teuren Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel - gegen die Inflation ankämpfen zu wollen. Zusammen mit einer bereits lang angekündigten Steuerreform in mehrfacher Milliardenhöhe würde man damit unweigerlich "irgendwann in gefährliche Nähe der 3-Prozent-Grenze kommen", warnte der Vizegouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Wolfgang Duchatczek beim Europäischen Forum Alpbach. Nach dem Euro-Stabilitätspakt ist ein Defizit von maximal 3 Prozent erlaubt. Defizit-Sünder werden von der EU-Kommission üblicherweise mit Nachdruck zu mehr Sparanstrengung aufgefordert.

Lohn-Preis-Spirale

Eine staatliche Preisregelung lehnt Duchatczek ab. Denn eine Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel brächte nur einen Effekt von 0,3 Prozentpunkten bei der Inflation, rechnen die Notenbanker vor. Die Teuerung hat zuletzt ein Ausmaß erreicht, wie es Anfang der 1990er Jahre gesehen worden war. Zur Inflationsrate von 3,8 Prozent im Juli trugen allein "Energie" und "Essen" mit 2,6 Prozentpunkten bei. "Wenn man versucht, extern bedingte Faktoren der Teuerung intern wettzumachen, führt das zu anderen Problemen", so Duchatczek in Richtung der lohnverhandelnden Arbeitnehmervertreter, und appellierte zugleich, bei der beginnenden Herbstlohnrunde Zurückhaltung zu üben, um die Lohn-Preis-Spirale nicht anzukurbeln. International bedingte Kaufkraftverluste seien "hinzunehmen" bzw. durch erhöhte Produktivität abzufangen, findet der OeNB-Vizechef.

Zwar habe sich im Juli die seit März angestiegene Teuerung eingebremst, seien die Anstiegsraten "vorerst" zum Stillstand gekommen. Duchatczek wollte aber noch nicht Entwarnung geben, wonach der Inflationsbuckel schon überschritten wäre. Man hoffe, dass man Mitte 2009 wieder eine Zwei vor dem Komma habe. "Aber leicht wird das Ganze nicht."

Sorgenkind Teuerung

Auch für Finanzminister Wilhelm Molterer ist derzeit die zentrale Herausforderung der Wirtschafts- und Finanzpolitik die Inflation: "Diese ist das große Sorgenkind - auch im Rahmen der heurigen Lohn- und Gehaltsverhandlungen. Daher gibt es ein klares Bekenntnis zum Ausbau neuer Modelle der Mitarbeiterbeteiligung. Außerdem helfen wir den von der Inflation am meisten Betroffenen direkt über Ausgleichsmaßnahmen. Parallel müssen wir für eine klare Wettbewerbsorientierung eintreten. Nur Wettbewerb wird längerfristig strukturell Entlastung bei den Preissteigerungen bringen", ist Molterer überzeugt.

Angesichts der Wachstumsverflachung gleich in Pessimismus zu verfallen oder gar Rezessionssorgen aufkommen zu lassen, halten die Notenbank-Vertreter jedenfalls für verfehlt. Österreich könne mit seinen weit über dem Europa-Schnitt liegenden Zahlen durchaus zufrieden sein.

"Diesen Erfolgsweg können wir nur mit einem vorbehaltlosen, Ja' zur Internationalisierung, zu, Go International' gehen", ist Finanzminister Molterer überzeugt: "Wir müssen am europäischen Weg festhalten, denn die Hälfte der Arbeitsplätze in Österreich besteht in der Exportwirtschaft." Gleichzeitig brauche Österreich mehr Wettbewerb, denn es reicht nicht, sich nur auf dem Erreichten auszuruhen. "Wettbewerb stärkt die Wirtschaft und führt die Menschen zu mehr Selbstständigkeit." Wobei "die soziale Balance der Schlüssel zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort ist und bleiben wird".

Zu hohe Steuerquote

Molterer bezeichnet die Steuer- und Abgabenquote zwischen 42 und 43 Prozent beim Europäischen Forum Alpbach "als zu hoch, obwohl sich die Nettobelastungsquote abzüglich der Transferleistungen deutlich geringer darstellt". Molterer betont, dass der Staat nicht jede Verantwortung übernehmen könne, und es gelte zwischen Leistungsstaat und der Verantwortungsgesellschaft eine Balance zu finden: "Wenn wir eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote diskutieren, muss auch die Frage beantwortet werden, wo sich die Menschen einbringen und wo sich der Staat zurückzieht."

Mitarbeiterbeteiligung

Der Finanzminister rechnet vor, dass es "im Sinne einer sozialen Tragfähigkeit nicht gerecht ist, dass 7,5 Prozent der Lohnsteuerpflichtigen 45 Prozent des gesamten Steueraufkommens erbringen. Wir müssen eine Balance zwischen Steuerzahlern und Transferempfängern finden. Wenn wir Familien wollen, dann müssen wir sie steuerlich unterstützen; wenn wir Arbeitnehmer am Erfolg des Unternehmens beteiligen wollen, dann müssen wir die Mitarbeiterbeteiligung steuerlich berücksichtigen."

Für Molterer bleibt sein Ziel einer anstehenden Steuerreform aufrecht, so wie von ihm seit langem vertreten: eine klare Senkung der Steuer- und Abgabenquote - "denn Leistung muss sich lohnen", so der Vizekanzler. Um Stabilität und Vertrauen für die Menschen zu schaffen, müssen die wirtschaftspolitischen Initiativen sowie die Antischuldenpolitik auch in Zukunft fortgeführt werden.

Der Vizekanzler unterstrich auch die Verantwortung der öffentlichen Hand. "Auf Bundesebene haben wir bereits einige Gebühren abgeschafft sowie ein Gebührenmoratorium umgesetzt - ich erwarte auch von Ländern und Gemeinden, dass sie bei diesem Schritt mitgehen. Nicht akzeptabel sind gesetzliche Grundlagen für automatische Gebührenanhebungen wie in Wien", so Molterer. Für den Vizekanzler steht aber neben den strukturellen Maßnahmen in jedem Fall die treffsichere Hilfe für die von der Teuerung am meisten Betroffenen im Mittelpunkt: "Deshalb haben wir heuer bereits für niedrigere Einkommensbezieher ein Entlastungspaket von insgesamt 300 Millionen Euro im Bereich der Arbeitslosenversicherungsbeiträge umgesetzt.

Sozialer 3-Stufen-Plan

Konkret heißt das, dass jemand, der 1000 Euro verdient, um über 400 Euro im Jahr mehr am Konto hat - das ist am 1. Juli in Kraft getreten. Zusätzlich helfen auch die Erhöhung von Pendlerpauschale und Kilometergeld konkret." Neben diesen bereits wirksamen Maßnahmen gibt es eine zweite Stufe von Maßnahmen wie die vorgezogene Pensionserhöhung im November. Molterer: "Dazu schlage ich die Auszahlung einer 13. Familienbeihilfe zu Schulbeginn vor. Diese Maßnahmen wirken, wo Hilfe nottut, und ermöglichen gleichzeitig die Umsetzung der Steuerreform, die 2010 in Kraft tritt - und einen weiteren Entlastungsschritt ermöglicht."

"Ich verspreche nur das, was ich halten kann", sagt Vizekanzler Wilhelm Molterer: "Unser 3-Stufen-Plan ist sozial gerecht, wirtschaftlich machbar und ökonomisch sinnvoll. Und als Finanzminister weiß ich, dieses Entlastungspaket ist aus Sicht der Staatsfinanzen vertretbar, ohne die Steuerreform zu gefährden!"

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