Wie es jetzt mit der ÖVP weitergehen soll

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Die Volkspartei als Partei der bürgerlichen Mitte: Lange Zeit haben sich programmatische Debatten in der ÖVP auf Fragen wie jene reduziert, ob die Partei nun christlich-sozial, konservativ oder liberal sei bzw. welche dieser programmatischen Quellen mehr Zukunftspotenzial hätte. Die Debatte ist programmatisch interessant, aber faktisch obsolet. Die Volkspartei muss nämlich nur eines sein: die Partei der bürgerlichen Mitte. Die Mitte ist und bleibt der Dreh-und Angelpunkt unseres Gesellschaftsmodells. Wir brauchen in diesem Land mehr denn je eine starke und breite Mitte. Der Mittelstand schafft die Grundlagen für eine erfolgreiche Wirtschaft, Wachstum auch in fordernden Zeiten, Wohlstand und soziale Sicherheit. Der Mittelstand und seine Leistungen sind in unserem Land aber zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Anforderungen an den Mittelstand werden laufend nach oben geschraubt. Damit muss Schluss sein. Der Mittelstand ist Motor und nicht "Melkkuh" der Nation. Mittelständisches Denken und Handeln ist aber auch eine wichtige Wertequelle für unser Land. Der Mittelstand sind alle, die durch Leistung, Fleiß, Einsatzbereitschaft, Verantwortung, Verlässlichkeit, aber auch mit Augenmaß etwas für sich, ihre Familien, die Unternehmen und das Land bewegen wollen.

Vom Staatsvertrag bis zum EU-Beitritt

Die Volkspartei als staatstragende Partei: Die Volkspartei ist eine Regierungspartei - und das muss sie auch bleiben. In einer vielfältiger gewordenen Parteienlandschaft mit sehr unterschiedlichen Politikansätzen gewinnt ein ganzheitliches, auf eine positive gesamtstaatliche Entwicklung ausgerichtetes Politikverständnis an Bedeutung. Es ist wichtig, die Interessen der nächsten Generation im Auge zu behalten; es ist wichtig, die Ausgabenentwicklung unter Kontrolle zu bekommen; es ist wichtig, die unterschiedlichsten Interessensgruppen auf gemeinsame Lösungen einzuschwören. Die Finanzkrise hat in mehreren europäischen Ländern deutlich vor Augen geführt, was passieren kann, wenn niemand mehr das - künftige -große, gemeinsame Ganze zum Maßstab seines Handelns macht. Da braucht es mehr denn je den Typus der Integrationspartei, die unterschiedlichste Interessen unter einem Dach versammelt und zukunftsfähige Konsenslösungen entwickelt, die mehr sind als schlechte Kompromisse.

Der Blick in die Geschichte zeigt: Die Volkspartei hat eine lange und gute Tradition als Verantwortungspartei Österreichs, die vom Staatsvertrag bis zum EU-Beitritt reicht. Bei den großen Fragen für die Zukunft Österreichs ist die Volkspartei immer auf der richtigen Seite gestanden, während andere gezögert und gezaudert haben. Staatstragend zu sein -diese Qualität muss die Volkspartei daher auch in ihrer Weiterentwicklung klar in den Mittelpunkt stellen. Staatstragend zu handeln heißt, mehr als nur regierungsbeteiligt zu sein. Es geht um die Kompetenz für die großen Zukunftsfragen des Landes -von der Demografie über den internationalen Wettbewerb bis hin zum Umgang mit Menschen, die unsere kulturellen Wertvorstellungen (noch) nicht teilen oder diese nicht teilen wollen.

Die Volkspartei als weltoffene Partei: Innovationskraft ist die beste Zukunftsversicherung. Das gilt nicht nur in der Wirtschaft. Das gilt auch für politische Parteien. Die strukturelle Erstarrung des Landes ist ein politik-kulturelles Problem. Wer nur mit den Rezepten und Strukturen von gestern Politik machen will, verschlechtert nur unsere Ausgangsposition im Wettbewerb um Zukunft. Die Volkspartei hat gute Voraussetzungen, eine politische Kultur der Weltoffenheit zu entwickeln: Als Wirtschaftspartei ist ihr die Bedeutung von Internationalität und Innovation alles andere als fremd. Als gesellschaftliche Integrationspartei sollte ihr der offene Dialog unterschiedlicher Milieus und Kulturen besser gelingen als monolithischen Parteien. Und als Österreichs einzige konsequente Europapartei repräsentieren zahlreiche ihrer Persönlichkeiten jenes Europabewusstsein und jene Weltläufigkeit, von der wir mehr brauchen. Welt-und Zukunftsoffenheit muss sich vor allem in Bildungsfragen und auch im Bereich von Wissenschaft und Forschung verstärkt äußern.

"Moderate Veränderungspartei"

Die Volkspartei als Partei der Ökosozialen Marktwirtschaft: Zukunftsoffenheit und Werteverbundenheit gehen Hand in Hand. Sonst verliert sich eine bürgerliche Partei in Beliebigkeiten. In der Wertefrage geht es nicht um philosophische Rechthaberei, sondern um empirische Evidenz und intellektuelle Redlichkeit: Welche Werte haben sich für die Entwicklung unserer Gesellschaft bewährt, welche nicht? Welche Werte müssen wir in unseren Institutionen besser verankern, welche führen zu falschen Anreizen? Welchen Werten tragen wir ausreichend Rechnung, welche anderen müssen wir fördern und fordern?

Das Wertekonzept der Ökosozialen Marktwirtschaft mit seinen Kernwerten der Freiheit, Leistung, Solidarität und Nachhaltigkeit ist dafür ein tauglicher und vor allem zukunftsfähiger Rahmen. Sein Erfolgsrezept ist klar und richtig: Wirtschaftliche Freiheit und Leistungskraft sind die unverzichtbaren Grundlagen für gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine zukunftsfähige Entwicklung. In diesem Sinn müssen wir auch unsere gesellschaftlichen Anreizsysteme weiterentwickeln. Eine ökosoziale Steuerreform ist ein mittelfristig unverzichtbares Zukunftsprojekt. Dazu kommt, dass die Ökosoziale Marktwirtschaft eine gute Basis für neue politische Reformpartnerschaften ist und einen zukunftsfähigen Narrativ für politische Gestaltung darstellt.

Die Volkspartei als Partei der gesellschaftlichen Veränderung: Die Perspektive einer "moderaten Veränderungspartei" hat der Politikforscher Fritz Plasser kürzlich für die ÖVP skizziert. Die Perspektive ist richtig, die Voraussetzungen dafür sind aber noch zu schaffen. Zum Beispiel: Wir brauchen Ehrlichkeit in Politik und Gesellschaft. Die Politik muss auch unangenehme Wahrheiten offen ansprechen und richtig kommunizieren. Die Gesellschaft muss auch unpopuläre Reformen unterstützen und mittragen, wenn es um die Zukunft Österreichs geht. Wir brauchen aber auch mehr Räume für Freiheit und Verantwortung. Wo den Menschen die Freiheit zur Mitentscheidung vorenthalten wird, kann sich auch keine Verantwortung entwickeln. Eine wichtige Dimension von Freiheit ist das Eigentum.

Schlanker Staat statt Staatsapparat

Verändern müssen wir aber auch unser Verständnis von Gerechtigkeit. Es geht nicht um mehr Gleichmacherei in der Gesellschaft, sondern um mehr Chancengerechtigkeit. Bürgerliche Sozialpolitik soll Chancenpolitik für alle sein. Ein chancengerechtes Bildungssystem für alle und chancengerechte Vereinbarkeitspolitik für Mann und Frau sind zukunftsentscheidend für unsere Gesellschaft. Im Kern moderater Veränderungspolitik steht letztlich ein Staat, der den Bürgerinnen und Bürgern als Partner zur Seite steht, die Zukunft zu meistern. Ein schlanker Bürgerstaat, der stark ist -statt eines politisch aufgeblähten Staatsapparats, der nicht mehr handlungsfähig ist. Veränderung braucht Öffnung hin für neue Formen des Engagements. Über das Internet bieten sich heute neue Chancen für Partizipation, politisches Engagement und für Parteiarbeit. Politik kann und darf nicht auf die guten Ideen der Menschen verzichten, die nicht an der traditionellen Parteiarbeit teilnehmen können.

Es wird sich zeigen, ob die Evolution der Volkspartei in die richtige Richtung weist und konkrete Ergebnisse bringt. Vor allem aber gilt eines: Jeder, der bürgerlich denkt, ist mitverantwortlich für die Zukunft einer starken, bürgerlichen Partei der Mitte -und sollte dieses Projekt nicht nur aus der ersten Reihe fußfrei betrachten, sondern sich aktiv einbringen.

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