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Wie man Altautos umweltgerecht verwertet

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Steigende Kfz-Zahlen ergeben auch mehr Altautos, die letztlich zu entsorgen sind. Ein in Deutschland kürzlich in Kraft getretenes Gesetz steckt den Rahmen für eine umweltge-rechte Entsorgung ab.

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Steigende Kfz-Zahlen ergeben auch mehr Altautos, die letztlich zu entsorgen sind. Ein in Deutschland kürzlich in Kraft getretenes Gesetz steckt den Rahmen für eine umweltge-rechte Entsorgung ab.

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Das am 7. Oktober 1996 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getretene Kreislauf-wirtschaftsgesetz fordert ein „Wirtschaften in Kreisläufen”. Dies markiert einen Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung („Sustainable development”), wie es die Agenda 21 der Konferenz von Rio de Janeiro aus dem Jahr 1992 fordert.

Wirtschaften in Kreisläufen beinhaltet ganzheitliche Produktkonzepte, ein umweltgerechtes Design („Design-for-Environment”), Demontage von Altprodukten und Wiedereinsatz stofflicher und energetischer Ressourcen auf einer möglichst sinnvollen Recyclingstufe sowie, als logisti-sches Bindeglied, eine flächen-deckende und effektive Rückführlogistik.

Die Verpflichtung zur Redistribu-tion kann entweder durch die vorgeschriebene Rücknahme in Kombination mit der Festlegung des Rück-gabeortes oder aber implizit durch die verbindliche Vorgabe der Verwertung in Verbindung mit zu erreichenden Verwertungsquoten gegeben werden.

Alternativ dazu kann die Rücknahme auf Basis einer freiwilligen Selbstverpflichtung der produzierenden Industrie, des Handels oder des Importeurs unter Einhaltung einer selbst auferlegten Quote erfolgen. Auf Grundlage des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und im Vorgriff auf eine drohende Verordnung sind die Automobilhersteller in Deutschland Anfang 1996 eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Rücknahme und Verwertung ihrer Altautos eingegangen. Demzufolge wird innerhalb von zwei Jahren ein flächendeckendes Rücknahmesystem in zumutbarer Entfernung zum Letztbesitzer aufgebaut, um die Rückführung von jährlich etwa 2,6 Millionen Altautos zu realisieren.

Um Stoffkreisläufe aufzubauen und zu erhalten, ist eine Demontage und sortenreine Trennung notwendig, sodaß möglichst viele Bauteile und Materialien wiederverwertet werden können und möglichst wenig Sonderabfall übrigbleibt.

Die bisher gängige Praxis des „Rosinen-Pickens”, also die Entnahme der wertvollen Rauteile und anschließende Entsorgung der Altautos durch den Shredder, bei dem zwar 70 Prozent als Metallrohstoffe wiedergewonnen werden können, die restlichen 30 Prozent aber als Sonderabfall zu beseitigen sind, hat keine Zukunft.

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz stellt hier höhere Anforderungen: Der letzte Halter muß die ordnungsgemäße Entsorgung seines Fahrzeuges nachweisen und die Hersteller sind zur Rücknahme der Altfahrzeuge verpflichtet. Dafür sind vollständige Verwertungs- und Beseitigungsstrukturen aufzubauen, eine Beschränkung auf die Demontage und Wiederverwendung der wertvollen Bauteile ist nicht zulässig.

Nur zertifizierte Autoverwerter können die qualifizierte Verwertung und umweltgerechte Beseitigung garantieren. Auf unterschiedlichen Wegen wird derzeit versucht die Haupt-probleme zu lösen: Wie wird Altautoentsorgung umweltgerecht? Wie weit ist die Demontage ””””~™”™—”””” wirtschaftlich sinnvoll? Was ist der einfachste Weg zu sortenreinen Wertstoffen? Wie wird der Restabfall minimiert?

Langfristig sind Lösungen in der kreislaufwirtschaftgerechten Konstruktion der Autos zu finden. Das ideale Auto läßt sich mit wenigen Handgriffen in wiederverwendbare Bauteile zerlegen, die Materialien sind in ihrer Vielfalt weitestgehend reduziert, eindeutig gekennzeichnet und sortenrein zu gewinnen. Solche neuen demontagegerechte Konstruktionen entfalten ihre Wirkung aber erst in einigen Jahren.

Bis dahin müssen Altautos verwertet werden, die diesem Idealbild nicht entsprechen. Um die Wirtschaftlichkeit der vorwiegend manuell durchgeführten Demontage zu erreichen, muß der Rückbau professionell unter Ausschöpfung aller Rationalisierungspotentiale betrieben werden. In den letzen Jahren haben sich in Deutschland die großen Automobilhersteller zu einer „Projektgruppe Altauto” zusammengeschlossen und ein Gesamtkonzept entworfen, das von Sammelstellen bis zum stofflichen Einsatz der demontierten Materialien reicht.

Die Projektgruppe Altauto, inzwischen in eine „Arbeitsgemeinschaft Altauto” unter dem Dach des Verbandes der deutschen Automobilindustrie überführt, koordiniert die Aktivitäten aller am Markt „Altautorecycling” beteiligten Kreise und erarbeitet „bindende Spielregeln” wie die Selbstverpflichtung.

Darüberhinaus existieren viele weitere, teils regional und auf Interessengruppen beschränkte Verbände und Arbeitsgemeinschaften, die in Konkurrenz zu den Aktivitäten der „ARGE Altauto”, Infrastrukturen und einheitliche Standards schaffen, die eine umweitverträgliche, flächendeckende aber auch wirtschaftliche Altautoentsorgung sicherstellen. Standen zunächst grundlegende Konzepte zur recyclinggerechten Konstruktion, Erstellung von Demontagelisten und -kata-logen im Vordergrund, so wird derzeit die Umsetzung in tatsächlichen Demontagebetrieben vorangetrieben.

Akteure sind existierende Altauto-verwerter, die konkrete Schritte unternehmen, den Leistungsumfang und die Qualität ihrer Dienstleistung im Sinne der Umwelt und den sich verändernden Marktsituationen anzupassen, es sind aber auch branchenfremde Unternehmen und Großkonzerne, die am prosperierenden Markt

Altautoentsorgung partizipieren wollen. Für alle diese Kreise werden am Fraunhofer Institut für Materialfluß und Logistik (IML) in Dortmund maßgeschneiderte Lösungen erarbeitet.

Startpunkt war die Realisierung der ersten großtechnischen Anlage Deutschlands mit einem Durchsatz von derzeit 50 Fahrzeugen pro Tag in Herten. Die „Autorecycling Herten GmbH”, an deren Grobplanung das Fraunhofer IML beteiligt war, arbeitet eng mit den

Werkstätten in der Umgebung zusammen. Diese liefern täglich etwa 50 Altautos an hohe Transportkosten entfallen. Im Gegenzug bekommen die Werkstätten Ersatzteile.

Die anfallenden Werkstoffe wie Metalle, Kunststoffe und Glas werden von benachbarten Recycling-Anlagen verarbeitet - auch da werden Transportkosten minimiert. Bei der „Althaler Autoverwertung GmbH” in Tristach in Österreich, wurde vom Fraunhofer IML für den bestehenden Verwertungsbetrieb eine neue Konzeption des innerbetrieblichen Mate-rialflusses erarbeitet. Zudem wurde die räumliche Anordnung und die

Foto Wodicka technische Ausgestaltung der einzelnen Betriebsbereiche Begutachtung, Trockenlegung, Zwischenlager, De-montagehalle, Teile- und Materiallager neu geplant.

Ein aktuelles Beispiel für die Realisierung einer ökologisch verträglichen und wirtschaftlichen Verwer- ■ tung von Altautos ist die „Wertauto Niederrhein GmbH” in Moers. Im Endausbau sollen dort täglich 150 Autos im Zweischichtbetrieb verwertet werden. Das Logistik-Konzept für diese flexible markenungebundene Anlage stammt vom Fraunhofer IML und reicht von der Anlieferung, Sortierung, Bewertung, Demontage bis hin zur Lagerung der Ersatzteile und dem Weiterleiten der Wert- und Beststoffe.

Der Trend zum Recycling und Krriislaufwirtschaft in der Altautoverwertung ist, dies läßt sich anhand der vielfältigen Aktivitäten der Marktbeteiligten belegen, eindeutig erkennbar. Die Umsetzung ist nur noch eine Frage der Zeit.

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