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Wieder Scheingefechte um die private Zusatzversicherung

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Alle Jahre wieder beteuern die Krankenversicherer: Die Schmerzgrenze bei den teuren Sonderklasse- Prämien ist endgültig erreicht. Doch siehe da, sie ließ sich auch heuer wieder nach oben verschieben. Trotz Rabatten von Ärzten und Spitälern.

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Alle Jahre wieder beteuern die Krankenversicherer: Die Schmerzgrenze bei den teuren Sonderklasse- Prämien ist endgültig erreicht. Doch siehe da, sie ließ sich auch heuer wieder nach oben verschieben. Trotz Rabatten von Ärzten und Spitälern.

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An Säbelgerassel hat es nicht gefehlt. Knapp vor den Verhandlungen über die obligate Erhöhung der Prämien für die Krankenzusatzversicherung zu Jahreswechsel waren starke Worte wohlfeil. Heinz Dopplinger, Vorstandsmitglied von Österreichs größtem Krankenversicherer Austria-Colle- gialität, kündigte allen Spitälern die Verrechnungsverträge und forderte quasi eine Nullohnrunde. Erich Sieber, Geschäftsführer des Verbandes der Privatkrankenanstalten, versprach Seniorenrabatte und verlangte von den Ärzten einen Honorarverzicht. Die Ärzte wiederum ließen über Pressesprecher Martin Stickler ausrichten, hohe Prämien seien alleine ein „kalkulatorisches Problem der Versicherungen“.

„Wir können in diesem System nicht mehr weiterwurschteln“ war Versicherer Dopplinger überzeugt, daß die jährliche Rangelei um das größte Stück aus dem Prämienkuchen einer dauerhaften Lösung weichen muß. Jetzt wird doch weiterge- wurschtelt. Denn mit den nun durchgesetzten durchschnittlichen Prämienerhöhungen zwischen sechs und acht Prozent ändert sich, mit wenigen Ausnahmen, nichts am alten System. Wie bisher verrechnen die Assekuranzen steigende Arztkosten (von drei auf 4,3 Milliarden Schilling zwischen 1988 und 92) und immer teurer werdende Spitals-Leistungen (von 2,7 auf 3,6 Md Schilling) einfach an die Versicherten weiter.

Alle in der privaten Krankenvorsorge Verdienenden wissen, daß dieser Mechanismus langfristig den Kundenstock ruiniert. Vor allem immer weniger Senioren können sich den Luxus einer privaten Krankenversicherung leisten und kündigen ihre Verträge, Junge steigen angesichts der Prämien erst gar nicht ein.

Dennoch dürfte der Abschreckungseffekt der hohen Prämien vor allem für die Versicherungen noch lange nicht so dramatisch sein, wie sie stets behaupten. Dopplinger gibt zu: „Wir haben versucht, die Maßnahmen zu setzten, bevor wir es an den Zahlen merken.“ Die sogenannten Altersrückstellungen - das, was man in jungen Jahren an Prämien einzahlt und statistisch gese

hen nicht konsumiert - reichen zwar bereits jetzt schon nicht aus, um die Versicherungsleistungen im Alter zu decken. Aber immer noch liefern die 1,15 Millionen Zusatzversicherten ein steigendes Prämienaufkommen (zuletzt über 13 Milliarden Schilling) und - wenn auch magere - Gewinne in dieser Sparte.

WENIGER VERSICHERTE

Schon viel deutlicher spüren die Spitäler den Rückgang der Privatversicherten. 1993 mußte etwa die steirische KAGES, der zweitgrößte . Spitalsverbund Österreichs, ein 16prozentiges Minus bei den an sich gut zahlenden und daher beliebten Klassepatienten hinnehmen. In Wien wiederum agieren - bei chronischer Betten-Überkapazität - viele Privatspitäler am untersten Ende der Auslastung. Ein weiteres Absinken der Versicherten — gleich, wie es hervorgerufen wird, käme für einige Spitäler einem Todesurteil gleicti. Die Wiener „Confraternität“ etwa steht bereits vor der Alternative: Zusperren oder Verkaufen.

Kein Wunder, wenn die Zugeständnisse, die sich hinter der jetzigen Lösung verbergen — es gibt sie — hauptsächlich von den Spitälern ausgingen. Bis jetzt waren Krankenhäuser gewohnt, daß die Kostensteigerungen in zweistelliger Höhe automatisch von den Versicherungen übernommen wurden. Heuer ist damit Schluß. Besonders drastisch in Oberösterreich: hier wurden zwar die Pflegegebühren um 14 Prozent angehoben, die Versicherer zahlen aber nur um vier Prozent mehr. Das ergibt zwar eine theoretische Flexibilität bei der Prämiengestaltung durch die Versicherungen - aber

gleichzeitig auch einen Fehlbetrag von 32 Millionen Schilling im Spitalsbudget des Landes. Das heißt aber auch: die im Vergleich zu vergangenen Jahren doch noch kommode Prämienerhöhung geht zu Lasten der Eigentümer und der aus Steuermitteln gespeisten Budgets der Gebietskörperschaften.

Auch die Ärzte haben in einigen Bundesländern nachgegeben, obwohl Michael Neumann, oberster Ärztevertreter, vor den Verhandlungen noch wehleidig anmerkte: „Man kann sich nicht den schwächsten Partner aussuchen und unter öffentlichem Druck Honorare kürzen“. In Salzburg mußten sie sich mit einem 2,5prozentigen Plus zufriedengeben. In Wien, Öberösterreich und Kärnten verzichten sie zumindest bei Pensionisten komplett auf eine Anhebung, sonst gab es durchwegs Erhöhungen unter der Inflationsrate.

ALTE PROBLEME

Damit schaut die wirkliche Kalkulation in der Sonderklasse so aus: nur dort, wo Ärzte und Spitäler Sonderkonditionen anboten, rangen sich auch die Versicherungen, vor allem für Pensionisten über 65 Jahre zu einem effektiven Prämienstopp durch. Sie holen sich das allerdings auch von den jungen Versicherten zurück, die im Gegenzug mehr als die eben nur durchschnittlichen sechs bis acht Prozent Erhöhung zu berappen haben. Dopplinger schmückt sich daher schlicht mit fremden Federn, wenn er behauptet: „Damit haben wir endlich ein neues Element in die Verhandlungen gebracht“. Im Gegenteil: um eine längerfristige Regelung alter Probleme hat man sich erfolgreich herumgedrückt.

Weder wurde etwa der Operationskatalog modernisiert, der die Ärztehonorare festschreibt, noch wurde die Praxis aller Spitäler hinterfragt, die mit den Kostenersätzen für Privatpatienten auch einen Teil ihrer Verluste aus dem Sozialversicherungsbereich abdecken.

Auch eventuelle Leistungskürzungen im Tarif der Versicherungen blieben öffentlich undiskutiert. Und schon gar nicht gestreift wurden die in jedem Bundesland (vermutlich verfassungswidrig) unterschiedlich hohen Tarife der Versicherungen (siehe auch Seite 1).

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