Ideen für die Gesellschaft - © Illustration: gettyimages / akindo

„Wir brauchen eine offene Debatte“

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Wie kann Österreichs Gesellschaft in einer Zeit der Zukunftsangst positive Visionen zu wichtigen Themen entwickeln? Die IV hat ein Projekt zur Vermessung der Stimmung im Land angestoßen.

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Wie kann Österreichs Gesellschaft in einer Zeit der Zukunftsangst positive Visionen zu wichtigen Themen entwickeln? Die IV hat ein Projekt zur Vermessung der Stimmung im Land angestoßen.

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Barbara Coudenhove-Kalergi ist für Gesellschaftliche Innovation in der Abteilung Bildung und Gesellschaft der Industriellenvereinigung zuständig. Sie ist federführend bei der Initiative „überMorgen“, die die IV gemeinsam mit dem Roten Kreuz und der ERSTE-Stiftung lanciert hat.

DIE FURCHE: Wenn man die Schlagzeilen liest, kann man schon auf die Idee kommen, die Gesellschaft Österreichs sei tief gespalten und zum Teil auch verunsichert. Nicht nur politisch, sondern auch, was die Digitalisierung und die soziale Sicherheit betrifft. Sehen Sie das auch so?
Barbara Coudenhove-Kalergi: Umfragen, wie „Status Österreich“ von IMAS 2018, zeigen, dass 48 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, Österreich sei „ein gespaltenes Land“. Bruchlinien entstehen – oder werden zumindest von immer mehr Menschen als solche empfunden –, die es früher nicht gegeben hat: Migration, Einkommensverteilung, Soziale Unterschiede, um nur einige zu nennen. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt das Panel 50 der Industriellenvereinigung. Das misst schon seit 2010 die Veränderung der „Sozialen Kohäsion“ als Qualitätskriterium für den Standort Österreich. Dabei zeigt sich ein pessimistisches Bild: Die 50 Mitglieder des Panels sagen, dass sich die soziale Kohäsion kontinuierlich verschlechtert hat. Die Frage ist: Wie können wir den Zusammenhalt fördern, wenn überall diagnostiziert wird, dass aufgrund der Polarisierung die soziale Kohäsion sinkt?

DIE FURCHE: Sie haben deshalb einen Prozess angestoßen, der die Menschen zusammenbringen soll. Woran hapert denn die Diskussion im Land und was will „überMorgen“ daran ändern?
Coudenhove-Kalergi: Was uns bei unseren Projekten in der Vergangenheit immer wieder aufgefallen ist: Die Gesellschaft kann gut Probleme formulieren. Aber wir tun uns sehr schwer damit, positive Zukunftsbilder zu entwickeln, die Richtung und Ziel haben und in denen man Kräfte bündeln kann, um etwas weiterzubringen. Wir haben das Projekt „überMorgen. Der gesellschaftspolitische Diskurs“ mit dem Roten Kreuz und der ERSTE-Stiftung initiiert. Verbunden hat uns die Idee, dass Österreich eine neue Grunderzählung braucht. Nicht im Sinn einer Utopie, sondern im Sinn einer positiven Vorstellung von der Zukunft.

DIE FURCHE: Sie setzen Menschen nach dem Zufallsprinzip zusammen und lassen sie diskutieren.
Coudenhove-Kalergi: Wir reden öfter übereinander statt miteinander. Und es gibt es auch zu wenig Diskurse/Diskussionen, in der man offen seine Meinung sagt und miteinander „zivilisiert“ streitet – im Sinne einer positiven Auseinandersetzung mit anderen Ansichten und Gesinnungen. Aber das ist ein wichtiger Teil der Demokratie. Nichts gegen die Konsensorientierung, aber wir brauchen auch die offene inhaltliche Auseinandersetzung, damit wir die Themen der Zukunft erfolgreich bearbeiten können. Uns leitet die Frage, welche Gesellschaft wir sein wollen.

DIE FURCHE: Gab es da bisher zu wenig und wenn ja, warum?
Coudenhove-Kalergi: Mein Eindruck ist, dass unser System geprägt ist von einer großen Koalition und der Sozialpartnerschaft. Dieses System hat zweifellos seine Vorteile. Aber über die Jahrzehnte ist es verkrustet und diese Verkrustung hat sich in Strukturen übersetzt, die auf Veränderungen nicht wirklich reagiert haben, obwohl sie viele Menschen betreffen. Stillstand bei vielen Themen war die Folge, das wurde auch lautstark beklagt. Das gilt für die als positiv empfundene Dynamik der Entwicklung, aber auch die Ängste, die durch die Entwicklungen, etwa durch die Digitalisierung, entstanden sind, mit denen ein Teil sehr gut, ein anderer aber schlecht zurechtkommt. In Zeiten, in denen sich vieles immer schneller wandelt, kommt man mit dem Stillstand aber nicht vorwärts und Ängsten wird Raum gegeben.

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