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„Wirkungslose Familienpolitik“

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Familienpolitische Bilanz der Koalitionsregierung: 103.000 Familien leben in Armut, verheiratete Ehepaare und Alleinverdiener werden diskriminiert.

Die massive finanzielle Benachteiligung von Familien mit zwei Kindern und einem Durchschnittseinkommen sowie die geringe gesellschaftliche Bewertung der Kinder sind für den Katholischen Familienverband Österreichs (KFÖ) Indizien für die wirkungslos gebliebene Familienpolitik der letzten Legislaturperiode.

Denn während 72 Prozent der Österreicher eine intakte Familie (mit Kindern) als Lebensziel angeben, sank die Geburtenrate von rund 2,8 Kindern in den sechziger Jahren auf mittlerweile 1,4 Kinder pro Frau (1992). Für den KFÖ ist diese niedrige Geburtenrate ein „bedenkliches Alarmsignal“, das zeige, daß die derzeitige Familienpolitik kein positives Umfeld für Familien schafft. Kritik übt der Präsident des Katholischen Familienverbandes, Frieder Herrmann, an der Präambel zum Kapitel des Regierungsübereinkommens von 1990, wo es heißt, daß die Bundesregierung Rahmenbedingungen schaffen möchte, „die es den Menschen ermöglichen, ihre Lebensbedürfnisse und Lebensplanung mit dem Kinderwunsch zu verbinden“.

In Wirklichkeit würden einkommensschwache verheiratete Ehepaare diskriminiert, so Herrmann. Denn während ein getrennt lebendes oder auch nur offiziell getrennt gemeldetes Elternpaar neben dem Alleinerzieherabsetzbetrag auch die Kinderabsetzbeträge zweimal geltend machen kann, erhalten verheiratete Eltern mit einem Kind nur einen Kinderabsetzbetrag.

Getrennt lebende Eltern können jährlich 13.400 Schilling von der Steuer absetzen, verheiratete Eltern hingegen dürfen nur 4.200 Schilling Unterhaltsabsetzbetrag abschreiben. Lediglich eine steuerliche Kosmetik für die Alleinverdienerfamilien brachte die Steuerreform, die am 1.1.1994 in Kraft getreten ist: Denn während der allgemeine Steuerabsetzbetrag von 5.000 Schilling auf 8.840 Schilling erhöht wurde, blieb der Alleinverdienerabsetzbetrag bei 5.000 Schilling.

STEUERLICHE KOSMETIK

Generell kommen die 485.000 Alleinverdiener-Haushalte zum steuerlichen Handkuß. Zahlen doch diese Familien, in denen ein Elternteil allein verdient, pro Jahr einen ganzen Brutto-Monatslohn mehr Lohnsteuer als Doppelverdiener-Familien mit gleichem gemeinsamen Einkommen und gleicher Kinderzahl.

Der Grund liegt in der alleinverdienerfeindlichen Einkommenssteuerregelung, da Doppel-Verdiener natürlich den allgemeinen Steuerabsetzbetrag zweimal in Anspruch nehmen können. Eine weitere Ursache für die Armutsgefährdung der Familien sieht der KFÖ in der österreichischen Steuergesetzgebung selbst. Alle Gehälter werden gleich besteuert, unabhängig davon, wievi’ele Personen von einem Gehalt leben müssen. Daher fordert der Familienverband ein steuerfreies Existenzminimum für jedes Familienmitglied.

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