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"Entwurf: Wirtschaft - Wovon leben wir?" Der Wiener Unternehmer und Politiker josef taus und der reformierte Theologe und Entwicklungsexperte beat dietschy, St. Gallen, trafen einander im Innsbrucker Stift Wilten zu den Themen: Wie gestalten sich die internationalen Märkte der Zukunft? Welche Werte und Regeln gelten für die Wirtschaft?

Josef Taus: Börsenkurse gehen hinauf, gehen hinunter, Firmen gehen zugrunde, Firmen werden gekauft, neue werden gegründet, es gibt Arbeitslose, es gibt bettelarme Teile dieser Welt, es gibt unermesslichen Reichtum, der Euro ist auf einmal gegenüber dem Dollar stark, nachdem er relativ lang relativ schwach war. Wenn man damit nicht täglich befasst ist, ist das schon ein verwirrendes Bild, das sich hier dem Menschen bietet...

Das marktwirtschaftliche System ist kein asketisches System, es ist das gerade Gegenteil: ein Konsumsystem. Es lebt davon, dass alle immer mehr wollen und dass der Konsum auf höchstem, immer höherem Niveau ist, dass ein erheblicher Teil für Güter, Dienstleistungen ausgegeben wird, was immer es ist. Davon lebt das System. Wenn es dieses Wachstum nicht gibt, wird das System wahrscheinlich nicht funktionieren. Wir sehen es ja schon in kurzfristigen Perioden mit geringem Wachstum, jetzt zum Beispiel, was da überall passiert, wie die Hysterie ausbricht: Das Sozialsystem können wir nicht finanzieren usw. Es ist ein Problem des schrumpfenden Wachstums.

Schlaflose Nächte

Josef Taus: Die Frage ist jetzt: Was sind da für Werte? Wenn Sie mich fragen, der seit vielen Jahren täglich entscheiden muss: Es ist nicht leicht. Ich muss mich ja durchsetzen. Das heißt: Wo sind die Grenzen, dass ich sage: Jetzt habe ich Werte verletzt? Das sind Fragen, die ununterbrochen auftauchen. Kann ich ihm den Preis aufs Auge drücken? Ich weiß genau, er kämpft mit dem ökonomischen Sterben, wenn ich ihm das aufs Aug drücke. Kann ich das? Wenn ich es nicht tu, geht es bei mir schlecht ab. Gefährliche Geschichte. Wo ist die Entscheidung? Das ist systemimmanent, ununterbrochen, fast bei jeder Entscheidung treffen Sie das. Ich habe keine Antwort.

Eine zweite Frage: Ich muss rationalisieren, die Firma geht schlecht, ist abgestürzt. Jetzt muss ich hingehen und muss von den Beschäftigten ein Fünftel kündigen. Da habe ich das Argument: Vier Fünftel wären in ihren Arbeitsplätzen gefährdet, wenn ich das eine Fünftel nicht weggebe. Wen gebe ich denn weg? Nicht die Guten, die Leistungsfähigen, sondern das wird ausgesucht, die Schwachen werden weggegeben, die nicht richtig mitkönnen. Die Kollegen sind da sehr hart: Der sagt: Der geht nicht, der bringt es ja nicht.

Ich kann - darum bin ich sicher kein großer Unternehmer - noch immer nicht schlafen, wenn so etwas ansteht. Und es steht an, Sie kommen dem nicht aus, es ist so.

Glücklich: europäische Kuh

Beat Dietschy: Besonders bedrohend für die Landwirtschaft und damit für alle Volkswirtschaften des Südens ist die Liberalisierung des Agrarhandels, wenn gleichzeitig die horrenden Exportsubventionen in den industrialisierten Staaten beibehalten werden. In Afrika sagt man gern: Wir Bauern wollten viel lieber eine Kuh sein als ein Bauer, nämlich eine europäische Kuh, denn die erhält zehnmal mehr, als für Afrika pro Kopf Entwicklungshilfe gegeben wird. Kein Wunder, dass unter diesen Bedingungen die letzte Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation im September 2003 in Cancun gescheitert ist, wo es zentral um das Landwirtschaftsdossier ging.

Prinzip Subsidiarität

Beat Dietschy: Es geht darum, global geltende Regelwerke zu etablieren, mit denen die Kräfte des Weltmarkts gezähmt und in humane und umweltgerechte Bahnen gelenkt werden können. Wie macht man das? Vorrangig wird wahrscheinlich zunächst sein, das UN-Menschenrechtssystem und jene supranationalen Institutionen zu stärken, in denen demokratische Kontrolle von unten am ehesten zu erreichen ist. Denn nur dort kann Demokratie, können diese Bürgerrechte auch wirklich greifen und wahrgenommen werden, wo Kompetenzen im Bereich der Handlungsmöglichkeiten sind. Das heißt möglichst viele Kompetenzen an die möglichst untere Ebene delegieren. Das ist übrigens auch ein altes katholisches Prinzip: Subsidiarität.

Um das Menschenrechtssystem im Sinne von transnational gültigen Grundrechten weiterzuentwickeln und etwas wie eine umfassende globale Demokratie möglich zu machen, bedarf es eines Zusammenwirkens vieler Kräfte und Akteure. Da müssen unbedingt Basisbewegungen, Nichtregierungsorganisationen, aber auch die zwischen-staatlichen Organisationen zusammenwirken; dabei könnten gerade die Kirchen eine wichtige Funktion erfüllen, indem sie Brücken bauen oder Netze knüpfen, weil sie ja traditionell schon mit all diesen Gruppierungen zu tun haben.

Nachhaltige Entwicklung ist nicht denkbar ohne eine sozial, ökologisch und demokratisch regulierte Weltwirtschaft.

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