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WIRTSCHAFTSLANDESRAT LEITL ÜBER EUROPAREIFE

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„Wir wären in Oberösterreich nicht so weit, würden wir wie in Wien arbeiten“

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„Wir wären in Oberösterreich nicht so weit, würden wir wie in Wien arbeiten“

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Das neue Kursbuch zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der oberösterreichischen Wirtschaft, das Landesrat Christoph Leitl kürzlich, präsentierte, heißt „Wirtschaft 2005“. 113 Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung haben darin Erfordernisse und Strategien für eine erfolgversprechende Wirtschaftspolitik dargelegt. Oberösterreich soll zum führenden Technologieland werden. Wirtschaftslandesrat Leitl vergleicht sich bei der Umsetzung dieses ehrgeizigen Zieles gern mit einem Fußballtrainer.

DIEFURCHE: Welche Ausgangsposition hat die Öberösterreichische Wirtschaft auf dem „Wirtschaftsfeld Europa “?

CHRISTOPH LEITL: Wir sind von der Geographie in den schwierigsten Topf des europäischen Wettbewerbes zugelost worden. Oberösterreich ist das einzige Bundesland, das direkt an seinen Grenzen sowohl den stärksten Partner der westlichen Gemeinschaft hat, den süddeutschen Raum, als auch den stärksten Mitbewerber des östlichen Raumes, die Tschechische Republik. Das verlangt uns besondere Anstrengungen ab. In der Zusammenarbeit mit starken Partnern, liegen aber auch Chancen.

DIEFURCHE: Auf welche Strategie schwören sie als „Trainer“ die „Mannschaft Oberösterreich“ ein?

LEITL: In jedem Fall eine der Wertschöpfung, der hohen Qualität und der Differenzierung auf dem Markt. Im Westen können wir nur mithalten, wenn wir im Qualitätswettbewerb bestehen, mit dem Osten und seinem niedrigen Lohnniveau nur, in dem wir uns in Bereichen entwickeln, in denen Wertschöpfung, Know-how, Qualität, Präzision und Marketing gefragt sind.

DIEFURCHE: Wie fit ist Ihre Mannschaft?

LEITL: Wir nehmen in der österreichischen Bundesliga die Tabellenspitze ein und wollen in Europa im vorderen Drittel mitmischen. Oberösterreich hat an den Exporten der Republik einen Anteil von etwa einem Drittel. Durch eine aktive Beschäftigungspolitik haben wir trotz aller Belastungen des Strukturwandels - sprich ehemalige verstaatlichte Industrie - heute die niedrigste Arbeitslosigkeit mit vergleichbaren Regionen in Österreich, erstmals sogar niedriger als in Bayern.

DIEFURCHE: Die Toraussetzung dafür ist, daß die Wirtschaft in Schwung bleibt…

LEITL: …durch eine aktive Wirtschaftspolitik. Dazu gehört vor allem weniger Bürokratie. Es ist uns zum Beispiel gelungen, die durchschnittliche Dauer der betrieblichen Genehmigungsverfahren von drei Jahren auf eines zu senken. Das ist europaweit Spitze. Auf Bundesebene haben wir darauf eingewirkt, daß wir eine Steuerreform bekommen haben, die diesen Namen verdient. Einen besonderen Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik legen wir auf die Alis- und Weiterbildung, von der Lehre beginnend über die Fachhochschulen bis hin zur Internationalisierung unserer Johannes Kepler-Universität mit ihren Austauschprogrammen für Studenten, die wir auch für Lehrlinge einrichten wollen.

Wir müssen noch einiges verbessern und ausbauen, vor allem in der Bildungspolitik. Das Schulsystem gehört reformiert, die Verbindung zwischen Schule und Wirtschaft muß besser abgestimmt werden.

DIEFURCHE: Erwarten Sie diese Verbesserung durch die neuen Fachhochschulen?

LEITL: Absolut. In Bayern haben sich die Fachhochschulen mit mehr als 30.000 Studierenden schon voll bewährt. Wirtschaftsftichkräfte brauchen heute eine kurze, praxis- und leistungsorientierte Ausbildung, die zwischen der HTL- und dem Universitätsstudium liegt. Die Universitäten sollen sich stärker auf ihre wissenschaftliche Komponente beschränken.

DIEFURCHE: Verfügt Oberösterreich über eine europa- und umweltgerechte Infrastruktur?

LEITL: Unser Land liegt im Fadenkreuz der Linien Berlin-Prag-Rom und Pa- ris-München-Wien-Buda- pest. An Verkehrsver- bindungen fehlt uns noch der Ausbau der Eisenbahnlinien nach Prag und Berlin und der Westlinie nach München. Da sind wir dahinter. Wir haben aber jetzt schon mit dem Ennshafen am Rhein- Main-Donau-Kanal eines der attraktivsten Industrieansiedlungsgebiete Europas anzubieten.

DIEFURCHE: ES heißt, die Verbindungswege der Zukunft sind nicht mehr Autobahnen oder Wasserstraßen, sondern Datenbahnen. Baut Oberösterreich da mit?

LEITL: Wir haben über ganz Oberösterreich ein Technologienetz gelegt, vom Softwarepark Hagenberg, wo wissenschaftliche Erkenntnisse über Softwarebetriebe in die Praxis umgesetzt werden, über die Uni, das Technologiezentrum Linz und ähnliche dezentral gelegene Einrichtungen (siehe Dossier, Anm. d. Red.). Die wollen wir jetzt in internationale Telekommunikations- und Informations-Netze. einbinden. Auch dafür haben wir gemeinsam mit der Linzer Universität schon zwei Jahre vorausgearbeitet. Wir starten jetzt ein Pilotprojekt, in das wir bewußt die Post eingebunden haben. Eine Vernetzung zwischen den von der Post verwendeten Kupferkabeln und den Glasfaserkabeln zur Datenübertragung ist möglich. So kommen wir sehr rasch zum Ziel,, kleinere und mittlere Betriebe und auch die Konsumenten miteinzubeziehen.

DIEFURCHE: Nach wie vor ist aber für Oberösterreich der großindustrielle Bereich mit einem Wertschöpfungsanteil von einem Drittel von entscheidender Bedeutung. Wie geht es da weiter?

LEITL: Die Unternehmen werden mehr, und die Problemfälle strukturieren sich. Der VOEST-Techno- logiebereich ist an der Börse, der Stahlbereich geht nächstes Jahr dorthin. Ranshofen ist auf dem langen Weg der Sanierung. Die Chemie Linz verhandelt wieder mit Hoffmann-La Roche wegen eines Projektes, der Viskose-Hersteller Lenzing AG hofft, Standort für eine geplante Lyocell-Anlage zu werden, eine 1,3 Milliarden Schilling-Investition mit 160 Arbeitsplätzen. BMW macht die größte Investition mit 3,5 Milliarden in Oberösterreich, davon ein Drittel im Bereich Forschung und Entwicklung von Dieselmotoren. Auf Grund der Öffnung nach Europa haben wir einige Interessenten für den Großraum Linz-Wels, auch Schweizer Unternehmen haben angefragt. Es ist schon ein kleines Wirtschaftswunder, das sich in Oberösterreich in den letzten Jahren ereignet hat.

DIEFURCHE: Könnte die oberösterreichische Wirtschaftspolitik auch ein Vorbild für die des Bundes sein?

LEITL: Wir wären in Oberösterreich nicht so weit, würden wir so arbeiten, wie in Wien gearbeitet wird. Wien ist von der Zersplitterung der Kompetenzen einerseits und von deren Bündelung beim Finanzminister zweifach gehandicapt. Es fehlen klare Zuordnungen und klare Eigenverantwortlichkeiten, um Chancen rasch nützen zu können; In der Wirtschaft geht es oft um rasche Entscheidungen. Innerhalb meines Budgetrahmens habe ich Handlungsfreiheit für Umschichtungen und Prioritäten, ohne erst den Finanzreferenten fragen zu müssen. Das ist der Unterschied zu Wien und meine dezidierte Kritik an der Ministeralbürokratie des Bundes, denn unter der leiden auch wir. Das ist nicht Europareife.

Das Gespräch führte Bärbl Glaser.

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