Wurstsemmel für Kenia

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Die Schuldenberge der Dritten Welt verhindern eine nachhaltige Entwicklung der betroffenen Staaten. Mit einer CD fordern nun Nichtregierungsorganisationen eine umfassende Entschuldung.

Ob er den Friedensnobelpreis bekommt, wird sich im Oktober zeigen. Ritter der französischen Ehrenlegion ist Paul Hewson alias "Bono", Sänger der Rockgruppe "U2", schon. Bei der Ernennung vor einigen Tagen nannte der französische Staatspräsident Jacques Chirac als Grund für die Ehrung das humanitäre Engagement des Musikers. Eine der Forderungen, für die dieser vehement eintritt: ein Schuldenerlass für die Dritte Welt.

Musikalische Forderung

Musikalisch rufen nun auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) weltweit zu einer Entschuldung für die ärmsten Länder auf. Auf der CD "Drop The Debt" (Streicht die Schulden) machen verschiedene Künstler auf die Schuldenproblematik aufmerksam. Ein Euro von jedem verkauften Tonträger kommt NGOs zugute - in Österreich den Globalisierungskritikern von Attac.

Mit der CD (für 17 Euro erhältlich unter der E-Mail-Adresse cd@attac-austria.org) fordern die NGOs die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens für Staaten, wie es in den USA für bankrotte Gemeinden vorgesehen ist. "Jedes Unternehmen hat die Möglichkeit in Konkurs zu gehen, wenn es zahlungsunfähig ist. Dabei haben die Betroffenen sich selbst dazu entschieden, die Kredite aufzunehmen", erklärt die Entschuldungsexpertin von Attac, Cornelia Staritz. Umso unverständlicher sei es, dass Staaten bisher nicht diesen Ausweg hätten. "Denn diejenigen, die am meisten von der Schuldenlast betroffen sind, sind die Menschen, für die wegen der Rückzahlungen kein Geld mehr da ist. Die Kredite haben aber andere aufgenommen." Angola gibt derzeit sechs mal mehr für die Tilgung von Zinsen aus als für das Bildungssystem.

Zwar berät der Pariser Club, eine Vereinigung von Gläubigerstaaten (darunter auch Österreich), regelmäßig über den zumindest teilweisen Erlass bilateraler Schulden. Und 1995 haben Weltbank und Währungsfonds die "HIPC-Initiative" (Highly indebted poor countries, hochverschuldete arme Länder) gegründet, die ein Verfahren zur Schuldenminderung vorsieht. 42 meist afrikanische Länder erfüllen die Kriterien, um sich dem Verfahren zu unterziehen. Der erste Staat, der es abgeschlossen hat, war Uganda. Mittlerweile ist der Kaffee-Preis massiv gefallen, das Land befindet sich wieder in einer Krise.

Äthiopien durchläuft derzeit wie 25 andere Länder den Prozess. Trotzdem muss der Staat einem Bericht der britischen Zeitung The Guardian zufolge vor allem an Weltbank und Währungsfonds 73 Millionen US-Dollar (rund 66 Millionen Euro) zurückzahlen. Und das, obwohl in dem Land 14 Millionen Menschen von einer Hungerkatastrophe bedroht sind. Denn erst wenn das gesamte Programm der HIPC-Initiative mit Struktur- und Wirtschaftsreformen durchlaufen und ein Beobachtungszeitraum von drei Jahren vergangen ist, werden die Schulden zumindest teilweise erlassen.

Den NGOs dauert das zu lang. Und die von der Weltbank geforderten Strukturreformen, die Voraussetzung für eine Entschuldung sind, bedeuteten einen Eingriff in die staatliche Souveränität und seien daher abzulehnen. Die Organisationen sähen lieber ein rascheres Verfahren unter UNO-Beteiligung, an dessen Beginn das Einfrieren der Rückzahlungen steht. Zudem wird gefordert, die Rolle der Gläubiger von der des Richters zu trennen, was in dem HIPC-Verfahren nicht der Fall ist. Hier entscheiden Währungsfonds und Weltbank als Gläubiger über den Schuldenerlass. Staritz: "Das widerspricht doch jedem rechtsstaatlichen Gedanken." Statt der Strukturreformen sei in den insolventen Ländern ein Sozialfonds einzurichten, der sichern solle, dass das Geld, das nicht mehr in die Schuldentilgung fließt, der Bevölkerung zugute kommt.

Gläubigerland Österreich

Das Verfahren soll allen Staaten offen stehen, die Probleme mit der Schuldenrückzahlung haben. Nach UNO-Schätzungen sind das derzeit 89. Die Auswirkungen für Österreich: Laut Staritz würden die Kosten für jeden Österreicher vier Jahre lang den Gegenwert einer Wurstsemmel im Monat betragen. Ob diese Belastung hoch ist, ist für sie eine Frage der Relation: "Ein österreichischer Steuerzahler würde darunter wesentlich weniger leiden als derzeit ein kenianischer."

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