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Zankapfel Milchpreis

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Von Zeit zu Zeit, in der Regel, wenn die Erstellung eines Budgets schwierig zu werden beginnt, wird davon gesprochen, daß es nützlich wäre, da und dort mit Subventionen aufzuhören oder sie doch gehörig einzuschränken. Gegenwärtig werden Stimmen laut, die gerne den sogenannten Milchpreisausgleich, der immerhin mit mehr als 800 Millionen Schilling im Budget veranschlagt ist, zumindest etwas verkleinern wollen. Die Argumente, mit denen Pro und Kontra zu Feld gezogen wird, sind immer die gleichen. Der Milchpreisausgleich sei unbedingt nötig für die Kosumenten; er sei gefährlich und schädlich, weil er einen „richtigen“ Preis verhindere uind mithelfe, die Preisstruktur zu verzerren; diese „Aber“ müsse man endlich einmal entzerren, wegen der Integration, der Ordnungspolitik, der Gerechtigkeit usw. Zumeist gehen die Subventionsdebatten aus wie das Hornberger Schießen. Diesmal wird es wahrscheinlich nicht viel anders sein, denn letztlich schreckt man doch zurück, tiefgreifende Änderungen vorzunehmen, weil über die Inzidenz der Subventionen, die Frage also, wer der tatsächliche Nutznießer und wer der wirklich Belastete ist, noch herzlich wenig gewußt wird. Die Subventionierung ist aber kein spezifisch österreichisches Problem, sondern existiert in fast allen westlichen Staaten.

Zunächst einmal: Was sind Subventionen? Man kann sie als finanzielle Vergünstigungen definieren, die vom Staat oder seinen Organisationen an alle Produzenten eines Produktes oder einer Gruppe von Produkten in einem Wirtschaftsraum gewährt werden, um nach Absicht des Gesetzgebers entweder in Form gesenkter oder nicht' erhöhter Preise dem Konsumenten zugute zu kommen oder die Produktionskosten unter den für alle Produzenten unveränderlichen, bestehenden Preis zu senken. Die unmittelbare Wirkung der Subventionen besteht also darin, die Bedingungen der Preisbildung und der Produktionsgestaltung zu verändern.

Zu bestimmen, ob eine bestimmte Subvention dem Produzenten oder Konsumenten zugute kommt, ist ein unerhört schwieriges Problem, das von einer gewissen Anzahl von Faktoren abhängig ist. Von der Elastizität der Nachfrage, des Angebots, der Produktion; die Elastizitäten ihrerseits sind wiederum abhängig von der Art des subventionierten Gutes und der Einkommensverteilung. Ein konstruiertes Beispiel mag die komplizierten Zusammenhänge andeuten. Nehmen wir an, durch eine Subvention würde für einen Produktionszweig eine künstliche Rentabilität geschaffen; diese wird Produktionsfaktoren anlocken, das heißt, man wird sich bemühen, von dem begünstigten Gut mehr zu produzieren. Je nach der Situation der Wirtschaft würde das mehr oder weniger eine Neuverteilung der Produktionsfaktoren bedeuten, das kann, muß aber keine nachteiligen Auswirkungen haben. Nachteilig werden die Auswirkungen dann sein, wenn die künstliche Rentabilität den Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit verletzende Investitionen im Gefolge hat. Die Subvention kann aber auch, freilich wieder nur unter ganz bestimmten Verhältnissen, erst eine ökonomisch richtige Preisbildung ermöglichen, dann nämlich, wenn vor der Subventionierung im Bereich sinkender Grenzkosten produziert wird. Dies näher auszuführen, würde nicht einfache preistheoretische Überlegungen erfordern. Aber führen wir unsere Überlegung weiter: Weil nun das Angebot der subventionierten Produzenten steigt, ändert sich die Zusammensetzung des Gesamt-konsumgüterangebotes. Das Angebot des subventionierten Gutes erhält einen relativ größeren Anteil. Das wiederum kann die verschiedensten ökonomischen Wirkungen haben. So kann es bei Subventionen dazu kommen, daß die Absicht, die der Gesetzgeber mit ihrer Einführung verfolgte, nicht erreicht wird, und zwar vor allem deshalb, weil sich der Zustand der Wirtschaft rasch ändert und weil häufig der Komplex der Nah- und Fernwirkungen die eine Subvention auslöst, nicht durchdacht wurde. Es ist aber auch nicht einfach, sämtliche Auswirkungen in ihrer Komplexität zu erfassen, vielleicht ist es sogar unmöglich, da uns eine totale Vorhersehbarkeit der ökonomischen Entwicklung eben fehlt. *

Die Subvention, der man gegenwärtig mancherorts gerne zuleibe rücken würde, ist der sogenannte Milchpreisausgleich. Zunächst einmal ist der Milchpreis in Österreich ein sogenannter „politischer Preis“, darunter versteht man Preise für Güter und Dienstleistungen, die für die Bevölkerung entweder so lebensnotwendig sind, daß sich der moderne Wohlfahrtsstaat für ihre Bereitstellung und Verteilung politisch verantwortlich fühlt, oder es handelt sich um Preise, die einer oder mehreren politisch bedeutsamen Bevölkerungsgruppen gewisse Vorteile sichern.

Die Preise für Milch und Milchprodukte sind auf Grund des Preisregelungsgesetzes durch eine Kundmachung des Bundesministeriums für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft festgesetzt. Diese Preise sind also behördlich bestimmt und können, ausgehend von der derzeitigen gesetzlichen Situation, daher wieder nur behördlich geändert weiden. Für die Milchwirtschaft wichtig ist aber auch das sogenannte „ Marktordnungsgesetz“, mit dem wirtschaftspolitische Maßnahmen auf dem Gebiet der Milch-, Getreide- und Viehwirtschaft getroffen werden. Dieses Marktordnungsgesetz bestimmt, daß zur Sicherung eines möglichst einheitlichen Erzeuger- und Verbraucherpreises für Milch und Erzeugnisse aus Milch der „Milchwirtschaftsfonds“ errichtet wird. Durch ein System von Preis- und Transportausgleichsbeträgen wird nun erreicht, daß jeder Produzent, der seine Milch abliefert, denselben Preis bekommt, ungeachtet dessen, ob es sich um einen Gutshof nahe einer großen Stadt handelt oder einen Einschichtbauern weitab von irgendwelchen Konsumzentren und Ballungsräumen. Der Produzent bekommt für einen Liter Milch 1.40 Schilling plus 50 Groschen staatliche Preisstützung. Weiter wird dem Produzenten seine gesamte Produktion zum Preis von 1.90 Schilling abgenommen. Daraus erwuchsen nun die Probleme: Der Tätigkeitsbericht des Milchwirtschaftsfonds über das Jahr 1958 schreibt dazu, daß die Erhöhung der staatlichen Milchpreisstützung von 20 auf 50 Groschen ab März 1956 einen merklichen und bedeutenden Anreiz zur Intensivierung der Produktion beziehungsweise der Ablieferung gab. Das wiederum führte dazu, daß auf einmal zuviel Milch und in der Folge dann auch zuviel Milchprodukte vorhanden waren. Die Landwirtschaft versuchte sich dadurch zu helfen, daß sie von der staatlichen Milchpreisstützung für den Produzenten 15 Groschen abzog und daraus den sogenannten „Krisenfonds“ speiste, der die Aufgabe hat, die überschüssigen Produkte zu exportieren. Freilich tief unter den Inlandspreisen; da in vielen europäischen Ländern ähnliche Bedingungen herrschen wie in Österreich, gibt es eine ausgesprochene Schwemme an Milchprodukten. Unterdessen wurde der hohe Krisenfondsbetrag wieder bedeutend ermäßigt, ohne daß das Problem Milchüberschuß gelöst worden wäre.

Die Produzenten schlagen nun vor, um aus dem Dilemma herauszukommen, einmal die Milch aufzufeilen, und zwar von 3,2 Prozent auf 3,6 Prozent. Die Butterproduktion würde zurückgehen und eine gewisse Erleichterung eintreten.

Die Auffettung wäre dann natürlich mit einer Preiserhöhung verbunden. Diese Preiserhöhung wiederum würde vor allem kinderreiche Familien treffen; es müßte daher ein Härteausgleich geschaffen werden: eine weitere Stützung!

Die Vermutung liegt nahe, daß der höhere Preis die Produktion wieder steigern würde, so daß in einigen Jahren dasselbe Problem neuerlich zu lösen wäre.

Eine im vorigen Jahr durchgeführte Untersuchung über „Einkommenselastizitäten im österreichischen Konsum“ ergab, daß der Verbrauch von Milch fast völlig unielastisch ist. Der Milchproduktionsverbrauch hingegen weist eine hohe Elastizität auf. Diese Zusammenhänge sollte man bei Preisveränderungen bedenken. Der Absatz von Milch würde bei der Preiserhöhung wahrscheinlich nicht zurückgehen, wohl aber der von Milchprodukten.

Die Landwirtschaft ist in den Industriestaaten der westlichen Welt ein schwieriges ökonomisches, soziales und politisches Problem. In keinem Bereich der Wirtschaft sind Lenkung und Dirigismus so weit fortgeschritten wie in der Landwirtschaft: das ist kein Werturteil, lediglich eine Tatsachenfeststellung. Wenngleich diese Fragen nicht nur hierzulande „tabu“ sind, wird man sich wahrscheinlich doch in absehbarer Zeit bei gewissen Produkten, und fast sicher gehört die Milch dazu, zu eineT Veränderung des bestehenden Systems entschließen müssen. Vielleicht wären eine Abnahmebeschränkung und möglicherweise auch eine Veränderung der Qualitätsvorschriften der richtige Weg. Vielleicht wären auch differierende Produzentenpreise möglich. Die Situation in der Milchwirtschaft erfordert jedenfalls eine Lösung. Sinnvoll wird sie aber nur dann sein, wenn sie ökonomisch und politisch vernünftig ist.

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