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Zehntausende verstümmelte Kinder klagen an

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Kinder greifen danach, wie nach einem Spielzeug. Die Folgen sind verheerend. Landminen verstümmeln jährlich weltweit Zehntausende Zivilisten. Werden Anti-Personen-Minen bei der Wiener UN-Überprü-fungskonferenz (bis 13. Oktober) geächtet und verboten?

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Kinder greifen danach, wie nach einem Spielzeug. Die Folgen sind verheerend. Landminen verstümmeln jährlich weltweit Zehntausende Zivilisten. Werden Anti-Personen-Minen bei der Wiener UN-Überprü-fungskonferenz (bis 13. Oktober) geächtet und verboten?

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Einen „historischen Auftrag” nennt der Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK), Cornelio Sommaru-ga, das Ziel der Wiener UNO-Konfe-renz, ein Totalverbot aller Anti-Personen-Minen APM durchzusetzen. Durch das Verbot von Produktion, Export, Lagerung und Verwendung der Waffen soll das Übereinkommen aus dem Jahr 1980 verschärft werden. Heinrich Treichl, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes, lobt die Initiative einiger österreichischer Parlamentarier, die den Entwurf eines Bundesgesetzes gegen Anti-Personen-Minen eingebracht haben. Einige Punkte entsprächen aber nicht dem Entwurf des Roten Kreuzes.

Nun, für eine „Verschärfung” der „UNO-Konvention über bestimmte konventionelle Waffen” kann bald jemand eintreten. Österreichs Außen-amtsstaatssekretärin Benita Ferrero-Waldner hat dies auch für Österreich getan.

Dumme und intelligente Minen

Die Wiener UNO-Konferenz sollte dem Ziel einer totalen Beseitigung von APM möglichst nahe kommen. Auch das Rote Kreuz forciert das totale Verbot aller Anti-Personen-Minen, aber der Gesetzesentwurf der österreichischen Parlamentarier gegen Landminen habe die RK-Vorstellun-gen insofern entschärft, als sich die Forderung nur auf ein Verbot „nicht-detektierbarer” Minen beziehe, also auf Landminen, die keinen Metallanteil besitzen und deshalb nicht aufgespürt werden können. Das RK fordert außerdem die Ächtung aller Landminen, „die durch Annäherung, Gegenwart, Nähe oder Berührung” zur Explosion gebracht werden können (Treichl). Der Gesetzesentwurf der Parlamentarier schließt nach Ansicht 1 reichls hingegen Minen, die mit einem Draht ausgelöst werden können, nicht in das Verbot ein. Das RK will weiterhin den Erlaß eines österreichischen Bundesgesetzes erwirken. „Ich will aber vorerst den Verlauf der UNO-Konferenz abwarten, um -durch den Druck der Konferenz - eine Verschärfung des Minengesetzes zu erreichen”, so Treichl bei einer Pressekonferenz in Wien. Terrorwaffen wie APM dürfe man nicht in „dumme und intelligente Minen” einteilen. Denn viele Staaten wollen, daß „intelligente Minen”, die durch einen bestimmten Metallanteil auffindbar' bleiben und sich nach einer gewissen Zeit selbst zerstören, erlaubt bleiben. Durch diese Differenzierung halte man auch ein „Hintertürl” für österreichische Produzenten und Händler offen.

* In Österreich sollen ja keine APM produziert werden. Gemäß einer Aussage des Geschäftsführers der Arbeitsgemeinschaft Wehrwirtschaft, Gottfried Taurer, gibt es so etwas in Österreich nicht. Weder Dynamit Nobel noch Hirtenberger produzierten APM. Prospekte, in denen Dynamit Nobel für seine APM Werbung macht, erklärt Taurer für veraltet, weil man seinerzeit alles unter dem Begriff APM subsumiert habe. Da klingt schon etwas von dem Definitionsproblem für APM an, mit dem sich die Wiener UNO-Konferenz herumzuschlagen hat. Heute bezeichnet man manche Minen als „Richtsplitteranlage”. Derartige Waffen werden in Österreich produziert, sie unterscheiden sich technisch sehr stark von den durch Drucksensor ausgelösten Anti-Personen-Minen, heißt es. Richtsplitteranlagen werden zur Panzerabwehr produziert und durch das Geräusch eines herannahenden Panzers aktiviert und ausgelöst. Andere Typen dieser Waffengattung werden durch Zündleitung eines Schützen ausgelöst, sodaß es sich eher um eine Feuerwaffe als um eine Mine handelt, hält Taurer an der „notwendigen” Differenzierung fest.

Felix M. Bertram, Vertreter der internationalen katholischen Friedensbewegung „Pax Christi” bei den Vereinten Nationen in Wien, hat Versuche, manche Minenarten als „humaner” zu klassifizieren als andere, entschieden zurückgewiesen. „Solche Unterscheidungen sind für die Opfer völlig irrelevant”, betonte Bertram bei der UNO-Überprüfungskonferenz zur Konvention über Landminen in Wien. Moralisch vertretbar sei daher nur ein völliges Verbot aller Anti-Personen-Minen. „Nur eine Mine, die nicht produziert wurde, ist eine gute Mine”, so Bertram. Für „Pax Christi” stehe immer der Mensch im Mittelpunkt der Überlegungen. Daher könne man kaum jenen Sprechern auf der

Wiener Konferenz folgen, die von „intelligenten, weniger intelligenten und schlechten Minen, feststellbaren und nicht feststellbaren” reden. Die meisten Minenopfer sind Zivilisten -darunter enorm viele Kinder. Die potentiellen Opfer, so Bertram, seien also wohl kaum in der* Lage, Minen aufzuspüren oder sie zu zerstören. „Vielleicht erkennt man daran, wie zynisch das alles klingt”, kritisierte der Vertreter von „Pax Christi” die Diskussionen bei der Minenkonferenz. Wird es in Wien gelingen, mit einem Totalverbot aller Anti-Personen-Minen „dem grauenvollen Gebrauch dieser Waffen ein Ende zu bereiten”, wie es der IKRK-Präsident Sommaruga forderte? Rasche Lösungen, die keine Konfusion schaffen, verlangte er, weil es darum geht, die Tötung von Zivilisten zu verhindern. In der Tat, 75 Prozent der weltweiten Minenopfer sind Fünf- bis Siebenjährige, wohl keine Kombattanten. Mehr als 100 Millionen Minen wurden von Kriegsparteien, Rebellenorganisationen, Invasoren und Gueril-leros in mehr als 30 Ländern in den vergangenen Jahrzehnten verlegt

Weltweit 100 Millionen Minien

Der Krieg ist zu Ende, die Minen aber bleiben - und bilden eine ständige Todesgefahr für die Revölkerung. 23 Länder exportieren Minen, nur Belgien hat bisher die Produktion, den Handel und Gebrauch von APM gesetzlich völlig gebannt. Eine Landmine kostet heute etwa 30 Schilling, bis zu 10.000 Schilling kostet jedoch die Beseitigung einer APM.

Die Weltgemeinschaft hat dieses Problem nie in den Griff bekommen. Elektronikfirmen hinken mit der Entwicklung von Minensuchgeräten hinterdrein. Bis 1993 wurden 100.000 Minen aufgespürt und zerstört, 2,5 Millionen wurden jedoch weltweit neu verlegt. Minenverseuchte Länder sind heute besonders Afghanistan, (zehn Millionen APM vermutet man dort, 60 Menschen werden pro Monat Opfer), Kambodscha, Kuweit, Irak, Iran, Mosambik, Kenia, Sudan, Guatemala, Sri Lanka und in Europa Kroatien und Bosnien-Herzegowina.

Die Österreichische Kampagne gegen Personenminen führt momentan Gespräche mit Parlamentariern über die Verbesserung des „verwaschenen” Parlamantarierantrags (so Andreas Pecha vom Wiener Friedensbüro zur furche) zu einer Gesetzesänderung. Mit verschiedenen Aktionen will man auch die Bevölkerung mit den fürchterlichen Folgen der APM konfrontieren. Von 6. bis 8. Oktober wird bei „Interreligiösen Gebetstagen” (am 6. Oktober um 14 Uhr in der Wiener Michaeierkirche, am 7. Oktober um 11 Uhr auf dem Wiener Stephansplatz) der Opfer von APM gedacht.

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