Zu billig in die Karibik

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Urlaub in der Karibik oder in Südostasien ist kein Privileg einer Elite mehr: Billigflüge bringen diese Urlaubsziele in jedermanns Reichtweite. Eine Studie beleuchtet die ökologischen und sozialen Folgekosten.

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Urlaub in der Karibik oder in Südostasien ist kein Privileg einer Elite mehr: Billigflüge bringen diese Urlaubsziele in jedermanns Reichtweite. Eine Studie beleuchtet die ökologischen und sozialen Folgekosten.

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Pressekonferenz der "Österreichischen Gesellschaft für Ökologie" vergangene Woche: 15 Jahre alt ist sie geworden, diese Einrichtung, die zur wissenschaftlichen Fundierung ökologischer Forderungen einiges beigetragen hat. Zur Feier des Tages werden drei neue Studien vorgestellt. Eine davon setzt sich mit den ökologischen und sozialen Folgen der Billigflüge in ferne Länder auseinander.

Verursacht durch die viel zu geringen Kosten, die das Transportieren von Menschen und Waren heute bereitet, erzeugen diese Flüge zunächst merkbare Folgen im Fremdenverkehr. Ferne Destinationen, wie die Bahamas, die Malediven, Nordafrika oder Thailand werden zu Konkurrenten der Urlaubsziele in Kärnten oder in Salzburg. Die Statistik registriert die Folgen für Österreich: 1991 ein Überschuß in der Reiseverkehrsbilanz von 75 Milliarden Schilling. 1995 war dieser Betrag auf etwas mehr als ein Drittel, auf 28 Milliarden geschrumpft.

Nicht nur die Österreicher zieht es nun in ferne Länder, sondern natürlich auch Österreichs traditionelle Feriengäste. Während im Zeitraum 1991/92 und 1994/95 die Zahl der Deutschen, die an Veranstalterreisen in andere Kontinente teilnahmen, um 80 Prozent stieg, fiel die entsprechende Zahl für Österreichreisen um 32 Prozent. Ähnlich das Bild bei den Schiurlaubsreisen der Briten: Versechsfachung des Anteils der Reisen nach Nordamerika und Halbierung des Anteils der Reisen nach Österreich.

Für die Gastgeber oft nur geringe Impulse Aus der Sicht des österreichischen Fremdenverkehrs ist diese Entwicklung unerfreulich. Dafür aber profitieren eben andere von diesem Trend, könnte man argumentieren. Brauchen nicht die Thais dringender den Segen von Fremdenverkehrseinnahmen als wir? Ja. Die Frage ist nur, kommen sie auch wirklich in dessen Genuß? Sicher ist es nicht, wird doch der Massen-Ferntourismus meist in Strukturen abgewickelt, die man neben der Lebenswelt der einheimischen Bevölkerung errichtet - oft sogar mit minimaler Inanspruchnahme der örtlichen Wirtschaft: Die Materialien und die Einrichtung von Hotelbauten und anderen Anlagen werden häufig importiert.

Zum Teil wird auch der laufende Betrieb der Fremdenverkehrsunternehmen mit Importware bestritten. Dafür kostet aber die Bereitstellung der Infrastruktur (Wasser - das vor allem -, Elektrizität, Flugplätze) die Gastländer Unsummen. Mit ausländischen Krediten finanziert, frißt deren Bedienung einen beachtlichen Teil der Gewinne.

Bekannt ist, daß auch der Zusammenprall der Kulturen von Gastgebern und Gästen nicht so sehr zur gegenseitigen Anregung als vielmehr zur massiven Beeinflußung des sozialen Gefüges des Gastgebers führt. Die schlimmen Folgen des Sex-Tourismus sind nur eine - wenn auch besonders häßliche - Facette dieses Geschehens.

Was hier nur kurz angerissen beschrieben wird, macht deutlich, daß die Billigflüge umfassende Folgen für alle Beteiligten haben. Was für den Personenverkehr gilt, kann ähnlich für den Warentransport angeführt werden. Auch seine Unterbewertung führt zu beachtlichen Struktureffekten.

So erfreulich es vielen erscheint, zu günstigsten Preisen Blumen, Früchte oder Gemüse aus fernen Ländern im Regal vorzufinden, so wenig wird dabei bedacht, daß dieser Vorteil recht teuer erkauft wird. Zunächst durch Verkaufseinbußen der heimischen Landwirtschaft (wenn steirische Äpfel mehr kosten als Kiwi oder Bananen). Diese Konkurrenzproduktion trägt jedoch oft nicht einmal dazu bei, in den Herkunftsländern einen florierenden Bauernstand hervorzubringen, erzeugen doch vielfach in ausländischem Besitz befindliche Plantagen (die oft ihre Arbeiter ausbeuten) die Exportware . Und so gibt es eine Reihe von Ländern, in denen Hunger und Lebensmittelexport koexistieren, weil man einen Teil der (nicht ausreichend vorhandenen) fruchbaren Fläche für den Luxuskonsum in den Industrieländern einsetzt.

Weltweit konkurriert jeder mit jedem Auf unseren Märkten gefährden diese Waren dann die örtliche Agrarproduktion: Eine zerstörerische Entwicklung, die darauf zurückzuführen ist, daß allzu niedrige Transportkosten heute jeden mit jedem in Beziehung setzen. Jeder wird so durch Vermittlung hochtechnisierter Großstrukturen zu jedermanns Konkurrent: der Salzburger Bergbauer mit der australischen Großfarm, der Gärtner in Simmering mit der Blumenplantage in Nigeria.

Und damit sind wir bei der zweiten von der Gesellschaft für Ökologie präsentierten Studie angelangt: beim biologischen Landbau. Er spielt in Österreich im Vergleich zum übrigen Europa eine recht beachtliche Rolle, betreiben doch zehn Prozent der Betriebe diese Art der Bewirtschaftung. Nur sie ist - das bestätigen alle ernstzunehmenden Analysen - geeignet, langfristig den Lebensraum gesund zu erhalten.

Verzicht auf Kunstdünger und Pestizide heißt aber auch arbeitsintensivere Erzeugung, weniger Ertrag pro Fläche und somit höhere Produktpreise. Und diese sind in einer Welt, die den Preis, ohne Berücksichtigung seines Zustandekommens zum Maß aller Dinge macht, im allgemeinen nur bei "Liebhabern" durchzusetzen.

So kommt es, daß diese grundvernünftige Form des Wirtschaftens auch im "Musterland" Österreich nur ein Außenseiterdasein fristet. Und daran wird sich - werden die EU-Pläne mit der "Agenda 2000", die eine Ausrichtung der Landwirtschaft auf Weltmarktpreise forciert - nichts ändern.

Trotz einer Jahrzehnte währenden Debatte um die Berücksichtigung ökologischer Notwendigkeiten im Wirtschaftsgeschehen landet man letzendlich immer wieder beim selben Problem: Die Spielregeln der Wirtschaft stellen die Weichen in Richtung High-Tech, Großstruktur, Weltmarkt, Standardisierung und Rationalisierung... Auf diesem Weg entsteht ein Produktions- und Verteilungssystem, das möglichst unabhängig von örtlichen, sozialen oder kulturellen Gegebenheiten funktioniert und diese tendentiell ruiniert. Ökologische und soziale Standards am Leben zu erhalten, wird so lange ein wirtschaftlicher Luxus bleiben, als diese in der Kostenrechnung unberücksichtigt bleiben.

Ein wesentlicher Schritt, das zu ändern, ergäbe sich daraus, daß man dem Verkehr seine tatsächlichen - vor allem ökologischen - Kosten anrechnet. Daher fordert die Studie unter anderem auch, wenigstens endlich den Flugzeugtreibstoff Kerosin entsprechend zu besteuern.

Näheres siehe: "Billigflüge und die Folgen für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft" und "Biologischer Landbau - Die Zukunftsperspektive für alle?", ÖGÖ, 1020 Hammer-Purgstall-Gasse 8/4, Tel 01 2140575

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