7135086-1997_43_16.jpg
Digital In Arbeit

Zurück zur Zusammenarbeit”

19451960198020002020

Überzogene Forderungen der Arbeitgeber und die Medien sind schuld an der Krise der Sozialpartnerschaft, meint der oberösterreichische AK-Präsident.

19451960198020002020

Überzogene Forderungen der Arbeitgeber und die Medien sind schuld an der Krise der Sozialpartnerschaft, meint der oberösterreichische AK-Präsident.

Werbung
Werbung
Werbung

DIEFURCHE: Ist die Sozialpartnerscliaft heutzutage noch eine zeitgemäße Einrichtung?

FRl'17 FREYNSCHIAG: Grundsätzlich halte ich die Sozialpartnerschaft auch im Jahre 1997 aktuell. Einige Rahmenbedingungen haben sich im Laufe der Jahrzehnte geändert, aber die Konsenspolitik - gerade in einem kleinen Land wie Osterreich - ist weiterhin sinnvoll und im Interesse der Arbeitnehmerund Arbeitgeber.

DIEFURCHE: Was hat sich ihrer Meinung nach geändert

Freynschiag: Der Monetarismus (Geldpolüik als zentrales Thema der Wirtschaft, Anm d Red) ist im Vormarsch. Uber die Medien versucht man den Arbeitnehmern einzureden, daß sie den Gürtel enger schnallen müssen. Interessant ist, daß dies in einer Zeit passiert, in der die Reichen immer reicher werden und im unteren Einkommensbereich viele Menschen unter die Armutsgrenze sinken. Es ist die Aufgabe der Arbeitnehmerseite der Sozialpartnerschaft, da aktiv zu werden. Es war noch nie so, daß die Unternehmer den Arbeitnehmern etwas geschenkt haben, sondern es mußte alles erkämpft werden.

In einer Zeit, wo es möglich ist, den Besitzenden ununterbrochen etwas zukommen zu lassen - die Steuerpolitik der letzten Jahre, 69 Milliarden Schilling Steuerrückstände der Unternehmer, ein Benzinpreis der einen Schilling höher liegt als der EU-I durchschnitt, die Abschaffung der Vermögenssteuer - in so einer Zeit ununterbrochen von den Arbeitnehmern zu verlangen, Verzichte zu leisten, ist sicher nicht der richtige Weg.

DIEFURCHE: Heißt das, sie werfen ihren Sozialpartnern von der Arbeitgeherseue vor, die Arbeitnehmer zu übervorteilen?

FrkvnschiaG: Ja. Sie nutzen die Gunst der Stunde und hängen sich an einen internationalen Trend an - Monetaris-mus, Neoliberalismus, Deregulierung. Dabei bleibt aber der Mensch auf der Strecke. Die Kleinen kommen unter die Räder, vor allem die Frauen.

DIEFURCHE: Ii eiche Almvirkimgen hat das auf die Sozialpartnerschaß? FrevnschlaG: Ein gravierendes Ungleichgewicht, das insbesondere auch durch die Medien unterstützt wird. Bei der Diskussion um die Pensionsreform zum Beispiel versucht man den ASVGlern einzureden, daß bei ihnen Veränderungen notwendig sind und nicht bei den Selbständigen und

Bauern, wo die tatsächlichen Defizite entstehen. Pro 100 Schilling Pension bezahlt der Staat den Angestellten einen Zuschuß von sieben Schilling, den Gewerblichen 68 und den Bauern 82. Wo ist hier der dringende Handlungsbedarf im ASVG-Bereich? Man versucht es bei jenen, wo man glaubt, es leichter durchzubringen. Als die Bauern vertreter Nein gesagt haben, als die Vertreter der Gewerblichen Wirtschaft Nein gesagt haben, gab es keine Aufregung. Als der OGB Nein gesagt hat, hieß es: „Die Gewerkschaft betoniert”.

UIeFurche: Der Vorwurf gegen die Gewerkschaft, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre verschlafen zu haben, ist. allerdings oft zu hören Halten sie es tatsächlichfür überzogen, wenn sie als „Beto/iköpfe” oder „Betonierer” bezeichnet werden?

Freynschiag:

Ich halte das nicht für überzogen, sondern für unsinnig. Wenn es darum geht, daß die Arbeitnehmer nicht von Besitzenden ausgenommen werden sollen, dann lasse ich mich gerne „Betonkopf” nennen. Das sind die Schlagworte, die in den Medien verbreitet werden - die auch nicht gerade armen Leuten gehören.

DIEFURCHE: Aber könnte es nicht sein, daß manches nicht der Profitgier böser

Kapitalisten entspringt, sondern den Rahmenbedingungen am Weltmarkt3 Freynschiag: Was zum Beispiel?

DIEFURCHE: Ladenschlußzeiten oder die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Immer weniger Menschen kommen in den Genuß klassischer Arbeitsverhältnisse mit den traditionellen Arbeitszeiten: Montag bis Freitag, neun bis 17 Uhr. In anderen Ländern können diese Arbeitnehmer dann von null bis 24 Uhr ihre Einkäufe erledigen. In Osterreich verzweifelt man, wenn man am Sonntagoder um neun Uhrabendseine Packung Milch kaufen will FREYNSCHIAG: Es sind nur ganz wenige, die um neun Uhr abends einkaufen gehen, und das sind meistens solche, die ohnehin auch am Tag Zeit hätten. In Wahrheit taucht hier die Frage auf: Was nützt die Freude des einzelnen gegen das Leid derer, die dort zu stehen haben. Mir hat einmal ein ein stellvertretender Chefredakteur gesagt: „Ich muß auch am Sonntag arbeiten und dann will ich mir auch meine Wurstsemmel kaufen können.” So ist das.

Der Eisenbahner und die Krankenschwester mußten schon immer rund um die Uhr arbeiten. Dort wo es unbedingt notwendig ist: ja. Was sich aber derzeit im Handel abspielt, ist einfach nicht notwendig.

DIEFURCHE: Welche Möglichkeiten sehen Sie, in diesen Fragen mit ihren Sozialpartnern von der Arbeitnehmerseite noch auf einen grünen Zweig zu kommen?

FREYNSCHIAG: Die Unternehmerseite müßte einmal erkennen, daß bestimmte Entwicklungen auch für sie nicht unbedingt akzeptabel sind. Große soziale Auseinandersetzungen in anderen Ländern zeigen, wozu es führt, wenn man nicht bereit ist, Konsenspolitik zu betreiben. Die Politik der Unternehmerseite ist auch nicht für den größten Teil ihrer Klientel bestimmt, sondern im Wesentlichen für die global agierenden Multis, und nicht so sehr für die kleinen und mittleren Unternehmer.

DIEFURCHE: Hat die Sozialpartnerschaft überhaupt noch eine Zukunft? FREYNSCHIAG: Was wir brauchen, ist ein breiter Konsens und Zusammenarbeit. Es bleibt nichts anderes übrig, als auf den Weg der Vernunft zurückzukehren.

Die Unternehmer haben uns nie etwas geschenkt. Sie wähnt uns jetzt nur in einer schwächeren Position. Daher versuchen sie auf der politischen Ebene, wo sie im Moment sehr stark sind, ihre Anliegen durchzusetzen. Unsere Aufgabe ist es, ein Gegengewicht zu bilden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung