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Zwei Drittel des Vermögenszuwachses für die Superreichen

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Die auf Wachstum zielende Ökonomie geht von der Leitidee aus, daß je größer der Wirtschafts-Kuchen, umso größer auch das Stück sein werde, das jeder einzelne bekommt.

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Die auf Wachstum zielende Ökonomie geht von der Leitidee aus, daß je größer der Wirtschafts-Kuchen, umso größer auch das Stück sein werde, das jeder einzelne bekommt.

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Verfolgt man jedoch die Entwicklung in den USA seit den achtziger Jahren, als Ronald Reagan die Steuerbelastung für Großverdiener senkte, um sie zu Investitionen zu veranlassen, so erkennt man, daß das mittlere Familieneinkommen jedenfalls seit damals stagnierte. Betrachtet man die Verteilung des Vermögens, so erkennt man außerdem, daß die reichsten 20 Prozent im Zeitraum 1983 bis 1989 sage und schreibe 99 Prozent des marktgängigen Vermögenszuwachses in den USA in ihre Scheunen heimgefahren haben. Beim Einkommenszuwachs liegt der entsprechende Wert bei „nur" 76,3 Prozent.

Noch eindrucksvoller kommt die Konzentration der Mittel zum Ausdruck, wenn man sieht, daß 37,2 Prozent des Vermögenszuwachses und 37,4 Prozent des Einkommenszuwachses dem obersten einen Prozent der US-Bürger zukommt.

Diese Trends dürften sich, wie die neuesten Daten zeigen, sogar verstärken. Daten für 1992 zeigen an, daß seit 1989 sogar 68 Prozent des Vermögenszuwachses aller Haushalte beim obersten Prozent stattfand. Das bedeutet, daß diese Gruppe 1992 über 42 Prozent aller US-Vermögenswerte verfügte.

„Heute verfügt die mittlere (im Sinn von Median, nicht von Mittelwert) amerikanische Familie über ein Vermögen von 52.200 Dollar, bestehend aus einem Heim und wenigen kleinen Vermögenswerten", stellt Edward N. Wolff, Autor eines Artikels, dem die angeführten Zahlen entnommen sind, fest. Das Eigentum an Wohnstätten ist in den USA zurückgegangen, ebenso wie die Zahl der Personen mit Zusatzpensionen. Dafür aber zählte US-Zeitschrift „Forbes" 1994 immerhin 65 Milliardäre.

Wichtig ist allerdings der Hinweis, daß diese Vergleiche weder den Bestand an langlebigen Konsumgütern (Autos, Möbel, Haushaltseinrichtung), noch an Versicherungen erfassen. Würde man all das einbeziehen, ergäbe sich zweifellos eine weniger schiefe Verteilung. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den (Sozial-)Versicherungen um zukünftiges Einkommen handelt, über das die Betreffenden keine volle Kontrolle ausüben.

Vor allem, was die Sozialversicherung anbelangt, hängt deren Wert von der Gesetzgebung und der Bereitschaft künftiger Generationen ab, Verpflichtungen einzulösen. An dem Trend zur Konzentration ändert die Einbeziehung dieser Größen jedenfalls nichts. Mit dieser Konzentrationstendenz wird ein Trend zu breiterer Streuung von Einkommen und Vermögen, der noch in den sechziger und siebziger Jahren vorherrschte, umgekehrt.

Ein wesentlicher Grund für die heutige Konzentration bei den Superreichen liegt darin, daß diese ihre Mittel überwiegend in Wertpapieren anlegen, die weiteres Vermögen erzeugen. Familien mit mittleren Einkommen hingegen investieren ihre Mittel großteils (zu 69 Prozent) ins Wohnen.

Sehr unterschiedlich hat sich daher auch die Sparneigung innerhalb der Bevölkerung entwickelt. Das oberste Einkommensdrittel hat von den sechziger zu den achtziger Jahren den gesparten Anteil seines Einkommens von neun auf 22,5 Prozent erhöht. Beim mittleren Einkommensdrittel hingegen ist dieser Anteil von fünf Prozent auf null gefallen.

Vergleicht man die Einkommensverteilung in den USA mit jener in anderen Industrieländern, so wird deutlich, daß die Konzentration in den Vereinigten Staaten besonders stark ausgeprägt ist. In Frankreich und in Kanada verfügte das reichste Prozent „nur" über rund 25 Prozent des Gesamtvermögens des jeweiligen Landes. Zu einem Konzentrationsprozeß kommt es allerdings der Logik des Systems folgend auch in diesen Ländern.

Näheres siehe

„How the Pie Is Sliced" in „ The American Prospect" (Summer 1995)

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