Zwischen Euphorie und Ablehnung

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Der Euro kommt, das steht fest. Die Gefühle der EU-Bürger für die Währungsunion sind aber sehr ambivalent. Eine internationale Studie analysierte erstmals die psychologischen Hintergründe.

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Der Euro kommt, das steht fest. Die Gefühle der EU-Bürger für die Währungsunion sind aber sehr ambivalent. Eine internationale Studie analysierte erstmals die psychologischen Hintergründe.

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Die bevorstehende Einführung des Euro ist derzeit ein emotional geführtes und alles beherrschendes Thema. Nicht nur auf politischer Bühne, auch im Büro, beim familiären Frühstück oder abends im Beisl - überall diskutieren Skeptiker und Befürworter wild um den Euro und den Abschied von Schilling und Groschen, Deutscher Mark und Pfennig, Franc, Pfund, Lira, Gulden oder Peseta im Portemonnaie.

Europaweit besteht kein klares Bild von dem, was da in Gestalt des Euro auf uns zukommt. Die Europäer fühlen sich schlecht informiert - und "sind es auch", bestätigt Anke Müller-Peters, Psychologin von der Universität Köln. "Und daraus entsteht ein Gefühl der Hilflosigkeit, das der Akzeptanz des Euro entgegensteht."

Bei ihrer europaweiten Studie zur Psychologie der Währungsunion wurden EU-Bürger über ihre Meinung zum Euro befragt. Erstmals wurden dabei die psychologischen Prozesse, die sich hinter diesen geäußerten Einstellungen verbergen, analysiert.

Gemischte Gefühle Grundtenor: Widersprüchliche Gefühle und ein krasses Informationsdefizit über die Effekte der Währungsunion. Die Vorstellungen über die wirtschaftlichen Folgen der Europäischen Währungsunion (EWU) sind sehr diffus - und dabei überwiegend pessimistisch. So finden die Europäer die Einführung des Euro ohne ihre vorherige Zustimmung als ausgesprochen ungerecht. Sie haben das Gefühl, übergangen worden zu sein und hegen die Befürchtung, persönlich im Verteilungskampf auf der Verliererseite zu stehen. Weiters kam Müller-Peters zu dem Schluß, daß Länder, in denen die Menschen überdurchschnittlich zufrieden sind, den Euro nicht wollen.

Länder aber, in denen die Zufriedenheit im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich ist, befürworten die gemeinsame Währung. Kurz: Länderübergreifend ist die Akzeptanz vor allem in den unzufriedenen Nationen hoch. Als Erklärung für dieses Phänomen sieht die Psychologin Verlustängste um die zufriedenstellende ökonomische Situation des Landes und den Wunsch, den erreichten Besitzstand zu wahren.

Ein weiterer relevanter Faktor ist die Nationale Identität. Sie wird sichtbar in bestimmten nationalen Symbolen und kulturellen Leistungen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb eines Landes wird oft erst durch bestimmte Traditionen, eine gemeinsame Sprache oder auch eben durch die Landeswährung erlebt.

Nationalstolz wird mit den Symbolen gefüllt, auf denen das eigene Land im Vergleich zu anderen gut abschneidet. In Ländern, in denen der Nationalstolz stark über Kultur definiert wird (wie z.B. Griechenland oder Italien), herrscht eine positive Einstellung zum Euro. Müller-Peters: "Für den Nationalstolz dieser Länder wäre die Einführung einer starken europäischen Währung sogar vorteilhaft, denn dadurch könnten sie in Zukunft auch auf der politisch-ökonomischen Dimension selbstwertdienliche Gefühle nationaler Identität entwickeln."

Im europäischen Ländervergleich zeigt sich, daß Bürger von Ländern, die im Schnitt sehr stolz auf ihre kulturellen und historischen Leistungen sind, den Euro eher wollen, und Bürger von Länder, die sehr stolz auf ihre politisch-ökonomischen Leistungen sind, den Euro eher negativ sehen.

Die konkreten Ergebnisse der Studie für die einzelnen Länder: * Die Österreicher stehen dem Euro neutral bis negativ gegenüber. Der Abschied vom Schilling, liebevoll Alpendollar genannt, fällt schwer. Die Skeptiker erwarten Probleme bei der Anpassung an den Euro und fürchten einen Verlust nationaler Autonomie. Der Schilling wird als Teil der österreichischen Kultur wahrgenommen und ist den nationalen Traditionen, der Sprache und der Geschichte in der Beurteilung näher als der österreichischen Wirtschaft und dem politischen Einfluß. Somit geht seine Bedeutung über die eines rein wirtschaftlichen Zahlungsmittels hinaus.

Ablehnende Deutsche * Auch die Deutschen sind mehrheitlich gegen den Euro. Die Angst um die wirtschaftlich stabile Lage kommt mitunter dadurch zum Ausdruck, daß sie die EWU überwiegend mit der Währungsreform von 1948 vergleichen. Außerdem ist Geldstabilität Vertrauenssache. Und die D-Mark ist für die Deutschen ein Symbol des Vertrauens. Schließlich war die Mark die entscheidende Grundlage für den wirtschaftlichen Wiederaufbau und ein Symbol des Aufstiegs aus den Ruinen des Krieges. Sie stand und steht für wirtschaftliche Stärke und politische wie gesellschaftliche Stabilität.

* Die britische Bevölkerung befindet sich auf einem Anti-EU-Kurs. Sie fühlen sich ihrer isolierten Stellung auf der Insel verbunden, sind stolz auf ihre Tradition und deren Symbole wie die Queen, das britische Pfund und die englische Sprache. Da sie das Thema Euro auf breiter Ebene ablehnen, nehmen sie vorerst nicht an der Europäischen Währungsunion teil.

* Die Franzosen wiederum agieren emotionsloser. Sie haben zwar eine pessimistische Haltung in bezug auf die ökonomischen Konsequenzen der EWU - die Einstellung zum Euro ist jedoch generell positiv. Sie glauben nicht, daß sie vom Euro profitieren können, sind jedoch der Ansicht, daß bei einer Nicht-Teilnahme Frankreichs an der EWU die Nachteile überwiegen.

Euphorische Italiener * Zu den großen Illusionisten gehören die euphorischen Italiener. Sie sind stolz auf ihre Tradition und Geschichte, jedoch unzufrieden mit den institutionellen Systemen des Landes. Sie befürworten eine Einschränkung der Autonomie der italienischen Regierung und hoffen auf eine wirtschaftliche Besserstellung durch den Euro - wie auch die Spanier.

Sie schließen sich dieser positiven Stimmung mit Begeisterung an. Sie sind nämlich unzufrieden mit der Arbeitsmarktsituation und der Verteilung des Wohlstandes in ihrem Land. Mit der Einführung des Euro wäre für sie eine Stärkung ihrer europäischen Identität verbunden.

* In diese Kategorie fallen auch die Griechen, die zu ihrem Leidwesen die Teilnahmekriterien zum EWU klar verfehlt haben. Sie sind unzufrieden mit ihrem derzeitigen Leben und äußern ein geringes Vertrauen in die Institutionen des Landes. Vom Euro hätten sie sich Verbesserungen erwartet, ebenso wie Portugal, das eine eher positive Haltung zur Ablösung des Escudo durch den Euro hat.

Nüchterne Belgier * Zu den Befürwortern zählen auch die Iren, Belgier und Luxemburger. Belgien bleibt dabei allerdings nüchtern und erwartet negative Effekte wie etwa den Verlust politischer Unabhängigkeit.

* Die Dänen zeigen keine ausgesprochen europäische Orientierung, sind gering involviert in bezug auf das Thema Euro und haben darüber hinaus eine eher abwartende negative Einstellung zum Euro. Deshalb haben sie sich - wie auch Schweden und Großbritannien - vorerst gegen eine Teilnahme am EWU entschieden. Sie hegen starke nationale Gefühle und sind außerordentlich stolz auf ihre kulturellen Besonderheiten wie Sprache, Geschichte, Traditionen und Gebräuche.

Das Vertrauen in die institutionellen Systeme des Landes ist hoch, sowohl bezogen auf das politische System, als auch bezogen auf die Wirtschaft.

Auch die Niederländer halten den Euro für kein wichtiges Thema.

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