800 Tassen Tee am Tag

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Stefan Krömer passt besonders gut auf, dass er sich nicht erkältet. Denn dann würde er nichts mehr schmecken - für einen Tee-Verkoster fatal.

Die Türken sind Stefan Krömer zuvorgekommen. Hätten die nicht den Kaffee nach Österreich gebracht, hätte Krömer das Alpenvölkchen vielleicht von den Vorzügen des Teetrinkens überzeugen können. So aber muss sich der Teeverkoster damit abfinden, dass im Durchschnitt jeder Österreicher jährlich 8,3 Kilo Kaffee, aber nur gut 120 Gramm Grün- und Schwarztee verbraucht.

Stefan Krömer ist dennoch guter Dinge. Schließlich sei er mit seiner Firma Teegarten der einzige unabhängige Teeimporteur und -verkoster in Österreich, sagt er. Und auch in anderen Ländern ist die Konkurrenz nicht groß - in Deutschland beispielsweise gibt es weniger als zehn Vertreter seiner Zunft, obwohl etwa der durchschnittliche Ostfriese rund zwanzigmal mehr Tee trinkt als der Österreicher.

Tee, aber Kaffee geht auch

Wer den gebürtigen Hamburger in seinem Büro im 23. Wiener Gemeindebezirk besucht, bekommt Tee kredenzt. Schwarz oder grün, ganz nach Wunsch. Aber - und da zollt er den Osmanen Tribut - auch eine Tasse Kaffee ist durchaus im Bereich des Möglichen. Er selbst bleibt beim Tee: ohne Zucker, nicht aromatisiert, kein Gemisch. Er kann Tee also noch immer genießen, obwohl es schon Tage gab, an denen er zwischen 600 und 800 Tassen Tee probiert hat. "Natürlich immer bloß einen Schluck, den man dann ausspuckt wie bei der Weinprobe". Nur das Stück Weißbrot, das nach jedem Schluck Wein obligatorisch ist, fällt beim Tee weg. "Tee beeinträchtigt im Gegensatz zu Wein die Geschmacksnerven nicht, daher brauchen Teeverkoster nichts zum Neutralisieren."

Begonnen hat seine Leidenschaft für das Aufgussgetränk schon als Kind. Der Vater war 45 Jahre lang Teeimporteur in Hamburg. "Es hat mich fasziniert, wenn er beim Frühstück den Tee kostete und sofort wusste, das ist heute ein Darjeeling oder das ist ein Assam." Schnell reifte der Wunsch, ähnliche Fähigkeiten zu erlernen. Als er dann aber in die Lehre ging und alles über Tee lernen musste, war er sich einige Zeit lang unsicher, ob er nicht doch einen anderen Beruf lerne sollte. "Einen glamouröseren, dachte ich mir damals." Er hat es nicht getan (natürlich nicht, sonst wäre hier nicht die Rede von ihm). Der heute 41-Jährige hat also weiter das Handwerk gelernt, zu dem kaufmännische Fertigkeiten genauso gehören wie etwa Fragen des Anbaus, der Ernte, der Verarbeitung, der Mischung. Und eben des Geschmacks. "Man erkennt zum Beispiel beim Probieren, ob es vor der Ernte geregnet hat", sagt Krömer.

Aber kann man es tatsächlich lernen, diese feinen Unterschiede im Geschmack zu erkennen? Er ist überzeugt, dass man es kann, wenn nur von dem Produkt begeistert sei. Denn man müsse natürlich viel üben, sprich Tee trinken. "Weißwein-Liebhaber erkennen ja auch, ob sie einen Riesling oder einen Grünen Veltliner im Glas haben", vergleicht er. Überhaupt veranschaulicht er seinen Beruf gern anhand des vergorenen Traubensaftes. "Mit Wein kennen sich die Österreicher besser aus als mit Tee, darum können sie sich meinen Beruf besser vorstellen, wenn ich ihn mit dem Weinverkosten vergleich." Und jemand, der schon viele Weißweine probiert habe, wisse eben auch, welcher Wein welche Geschmacksnoten habe.

Sein Beruf führt den Wahlwiener Krömer beinahe durch die ganze Welt. "Vor allem zu meinen Kunden", erzählt er. Die größten Mengen importiert er für Kunden in Österreich, Deutschland und Italien. Seit sieben Jahren baut er aber auch in den usa einen Kundenstock auf. Teehändler sind genauso darunter wie Teebeutel-Erzeuger oder große Teesalons.

Teeplantagen selbst besuche er nur ein bis zweimal im Jahr, um Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. So stellt er sicher, dass er immer unter den ersten ist, die Proben einer neuen Ernte zugeschickt bekommen. Denn ist erst einmal Erntezeit, muss es schnell gehen. Hunderte Proben müssen sofort nach Erhalt zubereitet und gekostet werden. Die Konkurrenz schläft nicht, und bei geringer Ernte oder besonders exklusivem Tee muss noch am selben Tag die Entscheidung fallen, ob er für einen seiner Kunden eine Lieferung dieses Tees haben will. Wenn er nicht sofort zuschlägt, könnte diese Ernte bereits ausverkauft sein, und wer weiß schon, ob die nächste Ernte genauso gut ausfallen wird. Aroma, Farbe, Abgang, Gerbstoff-Anteil und Preis müssen stimmen, damit eine Lieferung geordert wird. Welche Rolle spielen dabei eigene Vorlieben? "Gar keine, die blende ich aus. Wenn ich Tee, der mir persönlich nicht schmeckt, nicht objektiv beurteilen könnte, wäre ich längst bankrott", erklärt er schmunzelnd.

Kein Parfum, bitte!

Auf Zigaretten, Zigarren und scharfes Essen sollte Krömer verzichten - zur Schonung der Geschmacksnerven. "Aber der Verkoster, bei dem ich meinen Beruf gelernt habe, hat geraucht wie ein Schlot - und gilt dennoch als Meister unter den Tea-Tastern." Rauchen lässt Krömer trotzdem bleiben, "aber das hat mit dem Beruf gar nichts zu tun." Und zum Mittagessen verzichtet er auf stark gewürzte Gerichte. Im Frühjahr und Sommer, wenn Erntezeit ist und die Hochsaison der Tester beginnt, ist er auch mit seiner Umgebung ein wenig strenger. "Da bitte ich meine Mitarbeiterinnen, auf Parfum zu verzichten, denn das beeinträchtigt den Geschmack." So wie im Übrigen eine Verkühlung, die er tunlichst zu vermeiden versucht. "Einmal war ich im Sommer fürchterlich erkältet", erinnert er sich. "Es war grauenhaft. Ich habe nichts mehr geschmeckt." Für einen Teeverkoster durchaus existenzbedrohend.

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