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Aids ist die wahre Gefahr

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Christian Kunz, Wiener Virologe von Weltruf, warnt mehr vor Aids als vor dem „Killer-Virus” Ebola. Solche Viren hätten nur regionale Bedeutung.

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Christian Kunz, Wiener Virologe von Weltruf, warnt mehr vor Aids als vor dem „Killer-Virus” Ebola. Solche Viren hätten nur regionale Bedeutung.

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diefurche: Wieviele Menschenleben hat das Ebola-Virus bisher gefordert? Christian Kunz: Bis 18. Mai sind 101 Fälle erfaßt worden mit einer Sterblichkeit von etwa 75 Prozent.

dieFurche: Ist das nicht eine ungewöhnlich hohe ZahP KUNZ: Ganz gewiß. Das gefährlichste Virus ist das Tollwutvirus, da ist die Sterblichkeit 100 Prozent. Bei Viren wie dem Ebola-Virus, die sogenannte hämorrhagische Fieber verursachen, hochinfekte Fieber, bei denen es zu Blutungen kommt, ist die Sterblichkeit von 75 Prozent sehr hoch - allerdings: unter afrikanischen Verhältnissen. Es hat ja bei uns 1967 eine Einschleppung eines Virus aus Afrika gegeben, das man Marburg-Virus genannt hat und das ganz nah verwandt ist mit dem Ebola-Virus. Damals sind von 25 Personen, die sich infiziert haben, sieben gestorben. Die Sterblichkeit war da auch nicht unbeträchtlich. Ich möchte annehmen, daß auch das Marburg-Virus, wenn es in Afrika zu einem nennenswerten Ausbruch käme (es sind nur sporadisch Fälle bekannt geworden), dort eine ähnlich hohe Sterblichkeit haben würde. Die Leute können nicht so gepflegt werden wie bei uns.

diefurche: Wird nicht die Ebola-Ansteckungsgefahr überschätzt? KUNZ: Die wird gewaltig überschätzt. Das Ebola-Virus ist ja kein neues Virus, es gab schon Ausbrüche in Zaire und Sudan 1976 und 1979 und mehr als 500 Erkrankungen insgesamt. Damals haben sich vor allem die Virolo-gen aufgeregt, weil es eine neue schwere Krankheit war und man noch nicht so genau gewußt hat, ob sich die nicht ausbreiten könnte. Damals war die Publicity sehr gering. Jetzt ist sie sehr hoch. Das hat auch mit dem Film „Outbreak” zu tun, der jetzt gerade bei uns läuft. Natürlich stürzen sich jetzt Medien auf dieses Thema, es gibt ja auch ein Buch „Hot Zone” darüber. Das Aids-Virus, das aus der gleichen Gegend kommt, stellt eine unvergleichlich größere Bedrohung für die Menschheit dar als das Ebola-Virus. Das ist eine lokale Angelegenheit, die für die übrige Welt sicher keine Bedrohung darstellt.

dieFurche: Ist es nicht ein Forteil, daß die Inkubationszeit relativ kurz ist? KUNZ: Sicher. Bei Aids ist die lange Inkubationszeit die Katastrophe. Dadurch ist die Bekämpfung durch Quarantäne nicht möglich. Bei Pocken hat man die Leute isoliert. Es hat Pockenausbrüche in Europa immer wieder gegeben, die haben die Medien damals nicht so wahnsinnig aufgeregt, obwohl das gar nicht so lange her ist, und die Pocken waren zum Unterschied vom Ebola-Virus sehr ansteckend. Die Leute sind ja bei Ebola erst ansteckend wenn sie wirklich krank sind, wenn sie bluten, wenn die Menschen mit blutig kontaminierten Körpersäften in Kontakt kommen. Wenn man sich entsprechend schützt, kann kaum etwas passieren. Ich bin überzeugt, daß dieser Ausbruch in sehr absehbarer Zeit wieder vorüber sein wird und daß im Best der Welt, wenn überhaupt, nur vereinzelt Fälle auftreten werden.

Das Besondere an dem Virus ist, daß man den natürlichen Wirt nicht kennt. Man vermutet jetzt, da ein Ebola-Fall im vergangen November in der Schweiz jetzt aufgeklärt worden ist, daß es Affen sind. Eine Wissenschaftlerin, eine Schweizerin, ist damals fieberhaft erkrankt, nachdem sie an der Elfenbeinküste mit Affen zu tun hatte, man hat nicht gewußt, daß dieses Virus oder ein ganz ähnliches dort existiert. Man hat ihr Blut abgenommen und festgestellt, daß sie mit diesem Virus oder einem ganz ähnlichen infiziert war. Aber es sind keine Sekundärfälle vorgekommen, das zeigt, daß die Sache, wenn sie zu uns kommt, nicht so gefährlich ist.

diefurche: Weiß man bei Aids schon wer der ursprüngliche Wirt ist? KUNZ: Nein. Mit größter Wahrscheinlichkeit sind es Affen.

dieFurche: Es tauchen immer Gerüchte auf, daß die Krankheitserreger aus irgendwelchen Forschungslaboratorien ausgekommen sind KUNZ: Das ist eine gschmackige Geschichte, aber es ist völlig absurd. Ich kenne gerade diese Hochsicherheitslaboratorien in Fort Dietrich. Zu dem Zeitpunkt, als der Aidserreger schon unterwegs war, war kein Mensch in der Lage, genetisch so einen Erreger zu manipulieren. Und genetisch manipulierte Erreger haben in der Begel eine geringere Überlebenschance als die, die sich in der Natur durchgesetzt haben. Das ist auch durchaus verständlich. Es entstehen ständig neue Varianten aus dem Virus, aber sie sind nicht lebensfähig. Es gibt in der Biologie einen sehr engen Baum, in dem Veränderungen für den Erreger möglich sind, ohne daß er die Fähigkeit verliert, Zellen zu infizieren.

diefurche: Was stimmt an Behauptungen, daß Viren aggressiver und bösartiger als früher werden oder die menschliche Immunabwehr nachläßt? KUNZ: Generalisieren kann man überhaupt nicht. Es ist richtig, daß es von einem Erreger mehr oder weniger bösartige Formen gibt. Man versucht ja, wenn man Impfstoff macht, aus einem bösartigen Erreger einen milden zu machen, der zwar noch in der Lage ist, zu infizieren und sich zu vermehren, aber, wenn überhaupt, nur leichte Krankheitserscheinungen hervorruft. Es gibt unterschiedlich bösartige Influenzaviren. Man kann aber nicht einfach sagen, die Erreger werden virulenter oder die Abwehr der Menschen schwächer.

diefurche: Welche Viruserkrankungen hier in Österreich sind so gefährlich , daß Impfungen ratsam sind? KUNZ: Es gibt einmal die allgemein empfohlenen Kinderimpfungen gegen Mumps, Masern, Bötein, Kinderlähmung. Das sind Viruskrankheiten, gegen die alle Kinder geimpft werden sollten, und auch Erwachsene, wenn sie die Krankheiten noch nicht durchgemacht haben und noch nicht geimpft wurden. Dann die Influenza-Impfungen im Herbst bei Personen, die chronisch krank sind (Herz-Kreislauf-Lunge-Niere-Stoffwechsel) und Personen ab etwa dem 60. Lebensjahr, weil in dieser Altersgruppe Komplikationen und vor allem Todesfälle am häufigsten sind.

Weiters die durch Zecken übertragene Enzephalitis für Personen, die in Gebieten leben oder reisen, wo die Krankheit vorkommt, das sind ja sehr große Gebiete in Österreich. Tollwutimpfung nur für einen ganz kleinen Personenkreis. Dann die Impfung gegen Hepatitis-A, das ist die sogenannte Beise-Hepatitis, wenn man in Länder reist, in denen die Krankheit wesentlich häufiger ist als bei uns, und gegen Hepatitis-B, das ist die durch Blut, auch sexuell übertragene Hepatitis, bestimmte Bisikogruppen, das medizinische tätige Personal, aber auch Personen, die in Gebiete fahren wo die Krankheit häufig ist.

dieFurche: Die große Gefahrfür uns heißt jedenfalls nicht Ebola? KUNZ: Das Ebola-Virus ist ein fürchterlicher Krankheitserreger, aber er hat eine Aufmerksamkeit bekommen, die er in dem Ausmaß hier nicht verdient. Ich wollte, die Medien würden so viel über Aids schreiben oder auch über Masern, daß wir eine Masernepidemie haben in Österreich mit möglicherweise 20.000 Fällen in diesem Jahr. Mir sind keine Toten bekannt, aber Hirnentzündungen, und jede dritte zumindest hinterläßt einen Schaden, der dem Kind vielleicht eine Heimkarriere verschafft, das sind dann behinderte Kinder.

Das Masernvirus ist als generelles Impfprogramm in der Welt aufgenommen worden, man hofft, daß man, wenn alle Länder mitmachen, dieses Virus ausrotten kann, dann könnte man die Impfung so wie die Pockenimpfung aufgeben. Bei der Polio-Impfung ist der Termin das Jahr 2000. Daß es auch Ärzte gibt, die sagen, die Masern-Impfung braucht man nicht, ist mir völlig unverständlich. Die Pocken sind besiegt, die Polio ist bei uns eliminiert, aber es gibt sie noch stellenweise in der Welt, eine weltweite Ausrottung ist bis zum Jahr 2000 zu erhoffen. Das nächste Ziel ist Masern, Mumps, Bötein laufen mit.

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