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Alarmierende Reifenuntersuchungen

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Abgefahrene Pneus, Reifen mit Unterdruck, mit unterschiedlichem Druck, ja sogar Fahrzeuge mit verschiedenen Reifendimensionen auf einer Achse sind bekanntlich eine häufige Ursache von Unfällen oder aber sie tragen dazu bei, daß ein Fahrer in kritischen Situationen sein Fahrzeug nicht mehr beherrscht. Noch ist das letzte Autobahnunglück bei Preßbaum, das auch unschuldige Menschenleben ausgelöscht hat, in trauriger Erinnerung. Erfahrene Automobilisten kennen die Zusammenhänge, wissen, daß man bei nasser Straße wegen des „Aquaplaning“ (Wasserskieffekt) nicht zu schnell sein darf, daß diese Gefähr mit schwindender Profiltiefe der Reifen enorm wächst. Die Gleichgültigen, die Unwissenden, Leichtsinnigen — von den notorischen Rowdies ganz zu schweigen — aber rasen dahin und bringen sich und andere in tödliche Gefahr. Die Kraftfahrerorganisationen wissen das alles, sie tun das Menschenmögliche, zum Beispiel der ÖAMTC durch seine Technischen Dienste, das KfV. mit seinem Schwerpunktprogrammen, die u. a. auch immer wieder die Reifenfrage einschließen; die Behörden tun zwar mit, bei einzelnen Aktionen sogar in vorbildlicher Weise, aber die Ergebnisse können leider nicht befriedigen.

Uns liegen verschiedene Untersuchungen aus Innsbruck und Wien über den Pneuzustand vor. Hunderte Fahrzeuge wurden bei Tankstellen genau geprüft Die umfangreichste Kontrolle (1173 Personenwagen) fand vom 9. November bis 22. Dezember 1964 mit Unterstützung der Tiroler Landesregierung vom Auto- und Touringclub Tirol und der Reirfenwacht in Innsbruck statt. Die Resultate einer zweiten, ebenfalls in Tirol, jedoch bloß im November desselben Jahres durchgeführten Kontrolle der Innsbrucker Reifenwacht, ebenfalls bei verschiedenen Tankstellen (647 Fahrzeuge), und schließlich eines im August 1966 vollzogenen Tests (120 Fahrzeuge, davon 41 beim ARBO, Wien, und 79 bei einer Tankstalle am Praterstern) liegen ebenfalls vor. Die Ergebnisse sind erschütternd, alarmierend: Im ersten Fall waren bei bloß 56 Prozent Reifendruck und Profiltiefe ausreichend. Bei den restlichen 44 Prozent war entweder der Luftdruck zu gering oder es waren die Reifen auf ein Profil von nur einem Millimeter oder weniger abgefahren oder es traten diese Merkmale gleichzeitig, ja sogar in Kombination mit verschiedenen Pneu-dimiensionen an ein und demselben Fahrzeug auf. Im zweiten erwähnten Test war das Verhältnis 53,5 Prozent gute und 46,5 Prozent unzulängliche Reifen, im dritten erwiesen sich genau 60 Prozent der Reifen als in Ordnung und 40 Prozent als die Verkehrssicherheit gefährdend.

Wir erinnern uns an Zusaimmensteiilungen und auf ähnlicher Basis durchgeführte Untersuchungen aus Westdeutschland, die noch schlimmere Resultate zeigten, denn dort war das Verhältnis sogar umgekehrt, der größere Teil der auf Großparkplätzen untersuchten Reifen wurde beanstandet. Man kann also schätzen, daß rund die Hälfte der Reifen unsere Fahrzeuge nicht in Ordnung sind, entweder nicht den der Belastung entsprechenden Luftdruck haben (besonders bei Lastwagen), sich daher schnell abnützen, oder aber „Glatzen“ aufweisen. In besonders krassen Fällen treten beide Mängel gleichzeitig auf.

Und was geschieht gegen diese Mißstände? Viel zuwenig. Es genügt nicht, wenn sich die Exekutive, wie bei den geschilderten Gelegenheiten, und dies sogar in beispielhafter Weise bei der Feststellung dieses Übelstandes einschaltet. Jeder einzelne diensthabende Polizist und Gendarm müßte außer dem mit so viel Eifer geübten Austeilen von Strafzetteln für Parksünder abgefahrene Pneus feststellen und ermächtigt sein, deren Besitzer als echte Verkehrssünder an der Weiterfahrt zu hindern und natürlich auch zu bestrafen, ferner dürften die an jedem Grenzübergang herumstehenden Organe die ausländischen Fahrzeuge, deren Pneumatiks abgefahren sind, nicht in unser Land einlassen.

Wir kennen bereits die Argumente, die uns entgegengehalten werden: Mit freiem Auge könne man keine Profiltiefe messen. Das stimmt. Aber es gibt Profiltiefenmesser aus Pappendeckel (die einen entsprechenden Pappenstiel kosten), die wahrscheinlich von Pneufirmen gern und vielleicht sogar kostenlos an die Behörden verteilt würden. (Dun-lop zum Beispiel schickte uns einen solchen Tiefenmesser zur Ansicht ins Haus.) Und was die Überlastung, respektive den Unterdruck anbelangt? Die eingangs erwähnten Messungen in Wien und Innsbruck wurden mit einem von der Innsbrucker Reifenwacht entwickelten, Druxi genannten Meßgerät (Pneu-moskop) durchgeführt, welches in Sekundenschnelle durch bloßes Andrücken an die Reifenwand, ohne das zeitraubende Ab- und Anschrauben von Ventilkappen, die Messung der beiden Komponenten „Druck und Belastung“ gestattet. Besondere Kenntnisse und Fertigkeiten sind nicht erforderlich. Es gibt also Möglichkeiten, das Unglück auf den Straßen, soweit es durch unzulängliche Reifen mitverschuldet wird, zu reduzieren. Es fragt sich nur, wie viele Menschen, unschuldige noch dazu, noch werden sterben müssen, bevor etwas geschieht!

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