Aldous Huxleys "Eiland": Reif für die Insel?
Die erleuchtete Gesellschaft und ihre Feinde: Vor 60 Jahren erschien Aldous Huxleys letzter Roman „Eiland“. Warum sein geistiges Vermächtnis heute relevant ist.
Die erleuchtete Gesellschaft und ihre Feinde: Vor 60 Jahren erschien Aldous Huxleys letzter Roman „Eiland“. Warum sein geistiges Vermächtnis heute relevant ist.
Krieg und Klimakrise, digitale Parallelwelten und Transhumanismus: Wohin man auch blickt, aktuelle Entwicklungen wecken rasch dystopische Aussichten. Wo findet man noch eine positive Utopie? Es lohnt ein Blick zurück – in ein Werk, das zwar vor 60 Jahren verfasst wurde, aber aus heutiger Sicht erstaunlich hellsichtig wirkt. Zugegeben, Aldous Huxleys utopischer Roman „Eiland“ (1962) ist literarisch kein Meisterwerk. Bereits die meisten zeitgenössischen Kritiker haben das unnachgiebig aufgezeigt. Einige fanden die Handlung zu simpel und belehrend; andere vermissten Huxleys übliche Stärken: satirische Schärfe und ironische Raffinesse. Der britische Autor, der in „Eiland“ zahlreiche Leitideen eines ökosozialen Wandels präsentiert hatte, war enttäuscht und verletzt. Er hatte weniger versucht, einen guten Roman zu schreiben, als vielmehr eine gute Gesellschaft vorzuschlagen.
Technik mit Weisheit
Mit gutem Grund: Lehren aus der Geschichte zu ziehen, erschien ihm nach den historischen Erfahrungen mit Hitler und Stalin als dringliches Gebot. Huxley wollte das Übel an der Wurzel packen, doch die damals aufstrebende Konsumgesellschaft erschien ihm dafür viel zu oberflächlich – und somit fehlgeleitet. Die positive Utopie in „Eiland“ bestätigt seine Wende vom zynischen Intellektuellen, der sich in „Schöne Neue Welt“ (1932) eine dystopische Zukunft ausgemalt hatte, zum „Fürsprecher einer spirituellen Bewußtwerdung, die er als Korrektiv und unerläßliche Ergänzung unseres materiellen Weltbilds empfand“, so der Literaturwissenschaftler Alexander Kupfer. Wie Kupfer hatte der Physik-Nobelpreisträger Dennis Gábor schon 1965 gemeint, dass Huxley primär ein „moderner Heiliger“ und nur in zweiter Linie ein schreibender Künstler sei.
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