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Alternative zum Müllverbrennen

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Probleme mit verseuchtem Grundwasser haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit schon seit längerem auf die Gefährlichkeit von Mülldeponien gelenkt. Die Folge: Die Bevölkerung ist heute immer weniger bereit, Abfallager in ihrer Umgebung errichten zu lassen. Die bestehenden Deponien werden aber rasch aufgefüllt, neue jedoch nur schwer bewilligt. Außerdem wird die Latte für ablagerungsfähigen Müll höher gelegt: Er soll möglichst „erdkrustenartig” sein, also kaum verrottbares Material enthalten.

Als Ausweg scheint sich die Abfallverbrennung anzubieten, reduziert dieses Verfahren doch das Müllvolumen um etwa 30 Prozent. Alles Verrottbare wird verbrannt. Ihre in den letzten lahren deutlich verbesserte Technik verringerte die Umweltschädlichkeit moderner Verbrennungsanlagen. Da es sich um aufwendige, großtechnische Einrichtungen handelt, besteht auch von Seiten der Industrie ein großes Interesse an ihrer Errichtung und eine Tendenz, die weiterhin von ihnen ausgehenden Umweltbelastungen herunterzuspielen.

Diese sind jedoch nicht zu vernachlässigen: Bei der Verbrennung einer Tonne Müll entsteht eine Tonne C02, werden bis zu 700 Liter Wasser verbraucht und mit Schadstoffen angereichert, werden mehr als 5000 Kubikmeter Luft ebenfalls mit (zum Teil hochgiftigen) Schadstoffen belastet und an die Umwelt abgegeben. Es entstehen toxische Reststoffe: Schlacke, Staub (Austrag aus dem Kessel und Rückstand in Filtern) Schlamm und Salze (aus der Abgaswäsche), insgesamt zwischen 360 und 640 Kilo.

Je strenger die Abgasvorschriften, umso toxischer sind diese Rückstände. Je mehr Müll verbrannt wird, umso größer die Probleme bei der Entsorgung. Die Versuchung, diese gefährlichen Rückstände billig loszuwerden ist groß. Beim Bau des Kanaltunnels sollen Meldungen zufolge 100.000 Tonnen Flugasche (eigentlich Sondermüll) verbaut worden sein.

Müllverbrennung ist somit ein Verfahren zur Erzeugung gefährlicher Abfälle. Gibt es eine Alternative dazu? Ja, sagen (nicht nur) die Umweltschützer: die biologisch-mechanische Vorbehandlung des nach getrenntem Sammeln von Wertstoffen anfallenden Restmülls.

In einer ersten Stufe werden bei diesem schon erprobten Verfahren auf Sortierstationen mechanisch die restlichen Wertstoffe und übersehene Sonderabfälle ausgesondert. Der Rest wird zerkleinert und in einer zweiten Phase unter Luftabschluß vergoren. Leichtabbaubare Kohlenstoffe, Benzole und Phenole werden bakteriell umgewandelt und die entstehenden Gase sorgsam verbrannt (mit Dioxin-Werten unter der Nachweisgrenze).

Ein Großteil der organischen Masse wird so erfaßt. In der dritten Phase bauen Bakterien und Pilze mit Luftsauerstoff die restlichen organischen Stoffe ab: Rund 75 Prozent der hoch-giftigen Dioxine und anderer Umweltgifte lassen sich so eliminieren. Der verbleibende Rest ist relativ ungefährlich zu deponieren.

Zwar bringt dieses Verfahren eine etwas geringere Reduzierung des Müllvolumens, es ist aber weitaus billiger, läßt sich dezentral einsetzen (erspart daher Transporte) und ergibt weitaus weniger Emissionen von Schwermetallen, Dioxinen und Fura-nen (ein Siebzigstel), von NOx und C02 (ein Drittel). Zusammen mit dem neuen Recycling-Verfahren für Kunststoffe ergibt das biologisch-mechanische Verfahren eine umweltfreundliche Alternative zur Müllverbrennung.

CG

Nur Vorsätze?

Eigentlich dürfte es zu diesem Thema gar keine großen Diskussionen mehr geben. Denn im Abfallwirtschaftsgesetz steht es schwarz auf weiß: Der Müllvermeidung sei oberste Priorität einzuräumen, heißt es da. Erst in zweiter Linie sei an eine Verwertung und eine Entsorgung der Abfälle zu denken.

Doch die Realität sieht leider anders aus. Die großen Umsätze werden leider (noch) nicht im Vermeidungsbereich gemacht. Eindrückhches Beispiel dafür ist die mißlungene und längst überholungsbedürftige Verpackungsverordnung. Sie brachte funktionierende und sinnvolle Verwertungsschienen wie Glas und Papier an den Rand des Ruins und stampfte ein bürokratisches Monster für die Kunststoffsammlung aus dem Boden.

Von „Vermeidung” ist längst keine Rede mehr, und daß es für das gesammelte „Plastikglumpert” keine sinnvolle Verwertungsschiene gibt, scheint im Umweltministerium niemanden zu stören. Statt dessen wird auf die Verbrennung in Zementwerken gesetzt, angeblich zur „Einsparung fossiler Brennstoffe”. Bis diese Quersubventionierung eines Industriezweiges durch den blauäugigen Konsumenten zu einem Sammelboykott führen wird, scheint nur mehr eine Frage der Zeit zu sein.

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