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Angst vor der Saison

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Trotz des Ausbleibens vieler Amerikaner, und obwohl Frankreichs Wirtschaft durch den langen Streik nur wenigen Franzosen erlaubt, Urlaub in Österreich zu machen, rechnet man in heimischen Fremdenverkehrszentren für das Jahr 1968 mit einer Steigerung von rund zehn Prozent.

„Der deutsche Gast ist zurückgekommen“, meint einer der führenden Fremdenverkehrsfachleute, Hofrat Manzano, Salzburg, und verweist darauf, daß trotz des Ausbleibens der Amerikaner und Franzosen schon in der Wintersaison im Bundesland Salzburg eine Steigerung um 250.000 Nächtigungen, was ungefähr zehn Prozent ausmacht,, zu verzeichnen war.

Über Erwarten gut war auch die Salzburger Frühjahrssaison, wo abermals 250.000 zusätzliche Nächtigungen zu verzeichnen waren als im vergangenen Jahr.

Stadtverkehrsdirektor Dr. Rennau bezeichnete das heurige Frühjahr, ebenso wie sein Kollege vom Land, als das beste der letzten zehn Jahre.

Ähnliche Erfolgsziffern für . das erste Semester 1968 melden auch Tirol und Vorarlberg, und auch in der grünen Steiermark und in Kärnten weiß man zu berichten, daß die Saison im Winter und in den ersten Wochen des Sommers schon lange nicht so gut war.

Manzano rechnet für Salzburg („Wenn es nicht zu Hochwasserkatastrophen und ähnlichem kommt“) für das Jahr 1968 sogar mit einer Steigerung um eine Million Nächti- gungen.

Tirol, das eine sehr flaue Vorjahressaison hatte, hofft dem Vernehmen nach sogar auf eine noch höhere Steigerung und auch sonst registrieren die heimischen Fremdenverkehrsbetriebe zufrieden, daß die deutsche Fremdenkarawane, die nach Österreich einströmt, nicht abzureißen scheint und von Touristen aus den Beneluxstaaten und aus den nordischen Ländern Dänemark und Schweden gut aufgefüllt werde. Bei einer Fahrt quer durch Österreich kann man jedenfalls derzeit unschwer feststellen, daß die Tafel „Zimmer frei“ in den Abendstunden viel rarer als im vergangenen Jahr geworden ist.

Fremdenverkehrsfachleute, unter ihnen auch Hofrat Manzano, haben allerdings vor dieser Zufriedenheit mit der heurigen Saison Angst, fast möchte man meinen, ihnen war die Vorjahresflaute lieber. Wieso es zu dieser, fürs erste pervers anmutenden Haltung kommt, ist schnell erklärt. Der österreichische Fremdenverkehr leidet nämlich, verglichen mit den schweizerischen Bemühungen und mit anderen Ländern nach wie vor unter echten Strukturschwächen:

• So können sich viele landes- oder gemeindeeigene Seilbahn- und Sesselliftgesellschaften nicht dazu entschließen, neue Seilbahnen und

Lifts in großen Skizentren zu erbauen, obwohl diese kaum, wie befürchtet, eine Konkurrenz, sondern eher eine weitere Ankurbelung des Geschäftes darstellen würden.

• Viele Gemeinden schieben den Bau eines Schwimmbades immer wieder hinaus, obwohl schon heute auch der schönste Gebirgsort ohne Bassins kaum mehr in deutschen und anderen Fremdenverkehrsbüros zu verkaufen ist.

• Die so dringend notwendige Zusammenarbeit zwischen benachbarten Fremdenverkehrsgemeinden bleibt vielfach aus kirchturmpoliti- schen Gründen aus.

• Auch die österreichische Erem-- denverkehrswerbung liegt nach Meinung vieler Fachleute weit hinter den Bestrebungen in anderen Sparten der österreichischen Wirtschaft.

So verweist man darauf, daß vom Bund für Fremdenverkehrswerbung 37 Millionen Schilling aufgewendet werden, während auf dem Umweg über die Außenhandelsförderung für die Industriewerbung Mittel in der Höhe von 238 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt werden.

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Eine Kündigung des Syndikatsvertrages über die Fremdenverkehrswerbung, deren Wirksamkeit von Ende 1968 auf Ende 1969 hinausgeschoben werden konnte, wurde erst vor kurzem durch das Handelsministerium ausgesprochen, da man in diesem Ministerium der Meinung iät, daß der Anteil des Bundes an der Fremdenverkehrswerbung noch immer zu hoch sei und im Rahmen der Budgeteinsparungen hier so manche Million auf die Länder und die Bundeskammer umgeleitet werden könnte. Derzeit nämlich schießt der Bund im Jahr 37 Millionen in die gesamtösterreichische Fremdenverkehrswerbung zu, während von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und von den Bundesländern je 18,5 Millionen Schilling in den gemeinsamen Topf fließen.

Man vergißt ganz, meinen die Ländervertreter, daß die einzelnen Bundesländer noch zusätzlich zu dem Betrag für eine Länderwerbung auf dem Fremdenverkehrssektor insgesamt 170 Millionen Schilling ausgeben. Dazu kommen noch die zahlreichen Mittel der Gemeinden und einzelnen Fremdenverkehrsbetriebe. So gibt z. B. die Salzburger Gemeinde Saalbach allein 2 Millionen Schilling im Jahr für Werbung aus, Badgastein auch rund 2 Millionen Schilling und das neue europäische Sportzentrum (ein Zusammenschluß der Gemeinden Zell am See und Kaprun zu einem Urlaubs- und Sportverband) soll dem Vernehmen nach rund 3,5 Millionen Schilling für Werbung ausgeben.

In Kärnten dürften die Mittel der Gemeinden Velden und Pörtschach bei rund einer Million Schilling liegen. Eine genaue Statistik über die aufgewendeten Beträge gibt es zwar nicht — doch rechnet man, daß die von den Gemeinden in ganz Österreich aufgewendeten Fremdenver- kehrswerbegelder die Ländermittel zumindest erreichen.

Manzano glaubt jedenfalls, daß eine Kürzung der Bundesmittel für den österreichischen Fremdenverkehr nicht wieder gut zu machende Schäden bringen würde und betont, daß diese Kürzung nur aus dem Handelsministerium, keineswegs aber aus dem Finanzministerium kommt: „Koren sieht ein, daß der Fremdenverkehr eine wesentliche Sache ist.“

Trotzdem schlägt der Salzburger

Fremdenverkehrshofrat in einem vor, man könnte sicher wesentliche Mittel einsparen, wenn man im Ausland nicht nebeneinander werben würde. So kommt es in ausländischen Fremdenverkehrsstellen meist vor, daß in einer Auslage neben einer gesamtösterreichischen Fremdenverkehrswerbung eine weitere Auslage irgendeines Bundeslandes zu finden ist.

Ausverkauf durch Investition?

Wird eine positive Lösung, was die Werbemittel betrifft, allgemein gewünscht, so ist dies zweifellos nicht das Ei des Kolumbus, denn man weiß nur allzugut, daß man, um den ausländischen Gast zu erhalten, auch weitere Taten wird setzen müssen.

• So kann die Nachfrage nach Appartements und Bungalows derzeit nicht befriedigt werden.

• Die Qualität des Essens und die Reichhaltigkeit der Speisekarte wird mit typisch österreichischer Note noch angehoben werden müssen.

• In den Wintersportzentren wird man noch mehr Skilifte und Seilbahnen bauen müssen, um schweizerischen Maßstäiben gerecht werden zu können.

• Das Hallenschwimmbad im Wintersport wird zur absoluten Notwendigkeit (so besitzt z. B. Obertauern nur ein kleines privates Hotelschwimmbecken).

• In den großen Fremdenverkehrsorten werden Kongreßzentren errichtet werden müssen, um auch außerhalb der Saison Gäste zu bekommen, denn Gäste, die bei Tagungen und Kongressen in Österreich weilten, kommen erfahrungsgemäß später mit Frau und Kind gerne wiedei’.

Diese Einrichtungen, darüber ist man sich einig, werden mit österreichischem Kapital allein nicht geschaffen werden können.

„Ausländische Finanziers würden in genügender Zahl zur Verfügung stehen“, stellte Manzano fest, aber der Österreicher ist noch zu mißtrauisch und glaubt, er würde seinen Grund und Boden ausverkaufen.

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