Anthroposophie und Corona: Rudolf Steiners Vermächtnis
Unter den Esoterikern auf Anti-Corona-Demos finden sich auch Anhänger der Anthroposophie. Doch die aktuelle Kluft beim Thema Impfen verläuft genauso durch diese Bewegung.
Unter den Esoterikern auf Anti-Corona-Demos finden sich auch Anhänger der Anthroposophie. Doch die aktuelle Kluft beim Thema Impfen verläuft genauso durch diese Bewegung.
Eines vorweg: Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, war kein Impfgegner. Als 1917 in Berlin die Pocken ausbrachen, veranlasste er, dass er, seine Umgebung und die Kinder in den anthroposophischen Kindergärten geimpft wurden. Im ZDF (21.11.2021) wies ein Arzt und Vorstandsmitglied des „Dachverbands anthroposophische Medizin in Deutschland“ auf die Notwendigkeit des Impfens hin; und die deutschen Waldorfschulen unterstützen auf ihrer Website alle staatlichen Maßnahmen gegen das Covid-19 -Virus inklusive Impfung.
Andererseits konstatieren die Soziologen Oliver Nachtwey und Nadine Frei in einer empirischen Untersuchung, dass sich unter den vielen Esoterikern, die an Anti-Corona-Demos teilnehmen, zahlreiche Anhänger und Anhängerinnen der Anthroposophie befinden. Was zeigt: Anthroposophie ist keine Kirche, die ihren Gläubigen etwas verordnen kann (was auch bei Kirchen nicht funktioniert).
Widerhall in der Theosophie
Im Unterschied zur üblichen Esoterik-Szene verfügt die Anthroposophie jedoch über eine reich gegliederte Organisation. Die „Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“ gilt als Dachverband aller eigenständigen internationalen Länderorganisationen. Sitz ist das Goetheanum in Dornach bei Basel – ein von Steiner selbst entworfener Bau. Weiters gibt es eine Vielzahl von Organisationen und Vereinen für anthroposophische Aktivitäten – von Schulen über Landwirtschaft bis Medizin. Dazu kommen zahlreiche anthroposophisch inspirierte Betriebe; die bekannteste ist die Drogerie-Kette DM. Auch die GLS Bank in Deutschland (GLS steht für „Geben Leihen Schenken“) beruht auf anthroposophischen Ideen. Die „Steinerianer“ sind als Gruppe leicht identifizierbar, meint Wolfgang Tomaschitz, Generalsekretär der Anthroposophischen Landesgesellschaft Österreich und langjähriger Geschäftsführer eines Marktforschungsinstituts. Anders als viele Esoteriker lehnen sie Naturwissenschaft nicht ab, sondern sehen die Anthroposophie als Ergänzung, betont der Politikwissenschaftler und Philosoph.
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