Antonio Damasio: Wie die Evolution smart geworden ist
Antonio Damasio bemüht sich um eine Herleitung der menschlichen Kultur aus dem Geist des Gefühls. Das klingt zunächst ein bisschen größenwahnsinnig, verdient aber eingehende Beachtung.
Antonio Damasio bemüht sich um eine Herleitung der menschlichen Kultur aus dem Geist des Gefühls. Das klingt zunächst ein bisschen größenwahnsinnig, verdient aber eingehende Beachtung.
Wer sich Gedanken über ein zeitgemäßes Menschenbild macht, beginnt oft damit, René Descartes zu kritisieren. Der ist zwar schon im Jahr 1650 verstorben, sein rationalistisches Denken aber hat über Jahrhunderte hartnäckig nachgewirkt. Der französische Gelehrte hat es in einem berühmten Satz auf den Punkt gebracht: "Ich denke, also bin ich." Heute weiß man, dass sich in dieser kleinen Sentenz ein kolossales Missverständnis verbirgt: Als ob uns allein das Denken unserer Existenz versichern würde! Als ob sich unser tiefgründiges Wesen durch Identifikation mit Gedanken bestimmen ließe! Als ob das "Ich" nur im Kopf zu lokalisieren wäre -und als ob es möglich wäre, Menschsein ohne Gefühle und Körperlichkeit zu denken!
Noch in den 1960er-Jahren konnte man ein Idealbild menschlicher Entwicklung in einem spitzohrigen Vulkanier wie Mr. Spock imaginieren, der in der amerikanischen Science-Fiction-Serie "Raumschiff Enterprise" keine Emotionen kennt und gerade deshalb so scharfe Analysen abzugeben versteht, weil sein Geist durch keinerlei Gefühlsaufwallungen mehr getrübt wird. Auch die psychologische Wissenschaft war damals vom starken Interesse an Kognition und Denkprozessen geprägt. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts kam es zu einer "emotionalen Wende" in der Forschungsausrichtung. Antonio Damasio war hier an vorderster Front beteiligt: Mit Experimenten und klinischen Beobachtungen kam der Neurologe einem Phänomen auf die Spur, das immer mehr Beachtung gewann: die Intelligenz der Gefühle.
Gefühle als innerer Kompass
"Descartes' Irrtum", so der Titel seines ersten Bestsellers (1994), bestand demnach in der verhängnisvollen Trennung von Körper und Geist sowie allen daraus abgeleiteten Folgerungen wie ein vom Körper losgelöstes Denken. Vernunft hängt doch gerade von unserer Fähigkeit ab, Gefühle zu empfinden, so die These von Damasio. Schlagende Beispiele dafür sind Fallgeschichten von Patienten, bei denen die Gefühlswahrnehmung aufgrund von Hirnläsionen stark beeinträchtigt war. Anstatt besonders rationale Entscheidungen zu treffen, fiel es diesen Patienten nun besonders schwer, sich überhaupt entscheiden zu können, und dies selbst bei banalen Angelegenheiten. Es war, als ob sie den Kompass in ihrer Innenwelt verloren hätten.
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