"Arbeitszeit ist Lebenszeit“

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Oase am Donauufer: Die zwei Linzer Donauwirtinnen achten bei ihren Produkten und ihrem Wirtschaften auf Qualität statt Quantität und haben damit ein Vorzeigeprojekt geschaffen.

Auf der Speisekarte finden Gäste kein Cola. Auch kein Fanta oder Wiener Schnitzel mit Pommes. Wer an diesen heißen Sommertagen im Lokal "Donauwirtinnen“ in Linz einkehrt, sitzt nicht im Gastgarten eines konventionellen Gastronomiebetriebes. Sondern er entdeckt in den mit bunten, blumigen Stoffen überzogenen Speisekarten Apfel- und Himbeer-Säfte und saisonale Gerichte aus der Region in idyllischer Atmosphäre, direkt am Strandufer der Donau im Linzer Stadtteil Alt-Urfahr.

Seit zwei Jahren servieren die ehemaligen Kunststudentinnen Tanja Obernberger (29) und Julia Oswald (32) schmackhaftes und - je nach Wunsch auch vegetarisches oder veganes - Essen und handeln dabei auf ganzer Ebene nachhaltig und verantwortungsvoll. Ein Besuch bei dem ganzheitlichen Betrieb der zwei Neo-Wirtshausdamen.

Zusammenhalt in der Nachbarschaft

Das helle Lokal der beiden Donauwirtinnen in der Webergasse ist eine Schatzkiste aus alten Tagen, inmitten dörflicher Atmosphäre. An den Wänden hängen Omas Töpfe und Siebe, die dunklen Holzmöbel sind vom Flohmarkt, in der Ecke stehen ein alter Fernseher und ein Globus. Bei den Dorfwirtinnen scheint alles einzigartig und anders zu sein. Sogar beim Besteck gleicht kein Löffel dem anderen. "Es ist nicht nötig, neue Dinge zu kaufen, wenn es schon so viel gibt. Nachbarn gaben uns beispielsweise ihre alten Wirtshausbänke, die bei ihnen am Dachboden verstaubten“, erzählt Oswald.

Das Lokal hat auch sonst das Flair eines großen Nachbarschaftsprojekts. Gäste bringen Spargel und Zucchini aus ihren Gärten mit; gekocht wird, was gerade in der Umgebung wächst. Die beiden Wirtinnen werden von etwa 20 Bauern und Lieferanten rund um Linz je nach Jahreszeit mit Bio-Produkten versorgt. "Denn es sollen keine Erdbeeren aus Spanien sein“, sagt Obernberger und fügt hinzu: "Es ist ein schönes Gefühl zu sehen, woher unser Essen kommt. Das wissen auch die Gäste zu schätzen.“ Und um unnötige Fahrten zu vermeiden und Ressourcen zu sparen, legen die beiden Wirtinnen ihre Liefertage mit befreundeten Betrieben zusammen. Ihr Ziel sei es, sagt Oswald, regionalen und lokalen Zusammenhalt zu fördern. Etwas zu bewirken war die Intention dieses Gasthauses. "Ich wollte etwas machen, wo ich dahinter stehen konnte. Das geht am einfachsten, wenn man sich die Rahmenbedingungen selbst schafft“, sagt Oswald, die in Wien eigentlich Bildhauerei studierte, aber lange Zeit vom eigenen Lokal träumte. Als sie sah, dass die Pizzeria in der Webergasse schloss, ließ sie die Idee nicht mehr los. Über einen gemeinsamen Freund lernte sie Obernberger kennen, die gerade ihr erstes Jahr als Kunstlehrerin an einer oberösterreichischen Schule absolvierte. "Drei Tage nachdem wir uns kennen gelernt hatten, bekamen wir den Schlüssel für das Lokal“, erinnert sich Obernberger zurück. Heute lachen beide darüber, mit dem Wissen, dass ihr Vorhaben sehr riskant war.

Anfänge eines Vorzeigeprojekts

Obernberger erinnert sich an die Zeit, als das heutige Wirtshaus eine einzige Baustelle war. "Wir kellnerten zwar beide in unserer Studienzeit, hatten aber eigentlich nicht viel Ahnung von Gastronomie. Es war sehr viel zu tun und sehr riskant“, sagt sie. Schließlich hätten sie beide nicht viel Geld für ihr Vorhaben zur Verfügung gehabt. Das meiste borgten sie sich von Freunden aus. Im April 2012 bekamen sie den Lokal-Schlüssel, am 17. Juli öffneten sie ihre Türen für Gäste. Der Ofen ist das einzige, was an die Pizzeria von damals erinnert, denn er wird seitdem für die Spezialität des Hauses genutzt: den herrlichen Flammkuchen.

Das Vorzeigeprojekt achtet auch darauf, Arbeitssuchenden eine Chance zu geben, die am Arbeitsmarkt sonst schwer vermittelbar sind. "Wir geben auch Menschen mit geringen Deutschkenntnissen oder einem abenteuerlichen Lebenslauf die Möglichkeit, sich zu beweisen. Wir haben damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Obernberger. Diese offene Art macht das Gasthaus zu einem Treffpunkt der Linzer Stadtbewohner. Am Donauufer bei den Wirtinnen sitzen Punks neben Geschäftsleuten, Jungfamilien neben Großeltern. Mittlerweile fruchtet ihre Arbeit.

Viele Betriebe tun es ihnen gleich. Heuer waren die beiden Neo-Wirtshausdamen auch für den Trigos - den Preis für Nachhaltiges Wirtschaften, im Fachterminus: Corporate Social Responsibility (CSR) - nominiert. "Ich glaube, wir können etwas bewegen, mit dem, was wir hier tun“, sagt Obernberger. Das Unternehmen engagiert sich auch im gesellschaftlichen Bereich, wie zum Beispiel durch Suppen-Aktionen zur Unterstützung gemeinnütziger Projekte.

Diese Arbeit stellen sie selbst über finanziellen Gewinn: "Wenn Geld übrig bleibt, wird es wieder in etwas investiert. Es ist wichtig, dass es sich am Ende vom Tag und Jahr ausgeht“, sagen die beiden einstimmig. Noch wichtiger ist ihnen, dass das Team gut miteinander klar kommt, denn "Arbeitszeit ist Lebenszeit. Wir fühlen uns hier alle wie eine große Familie.“ Der Zusammenhalt sei eben das wichtigste.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung