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Auf der Suche naeh der eigenen Mitte

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Fasten entschlackt, reinigt den Körper und beugt Krankheiten vor. Aus medizinischer Sicht gibt es beim gesunden Menschen gegen den bewußten Verzicht auf Nahrung auch nichts einzuwenden. Im Gegenteil, es wird sogar empfohlen. Denn Fastenkuren sind ein ausgezeichnetes Training für den Körper, wieder zu lernen auf seine Fettdepots zurückzugreifen - eine Funktion, die wir Menschen in unserer modernen Überflußgesellschaft kaum mehr brauchen. Im Gegensatz zu unseren Ahnen.

Immer wieder mit Hungerperioden konfrontiert, entwickelte der menschliche Körperim Lauf der Jahrtausende die Fähigkeit, Fettdepots anzulegen. Was früher eine Überlebensfrage war, wird heute nicht mehr gebraucht. Wir nehmen genug Nahrung zu uns, mehr als genug sogar. Und so kommt es über Jahre zu Ablagerungen in den Fettdepots. „In diesen Depots”, erklärt Universitätsprofessor Wolfgang Marktl vom Wiener Institut für medizinische Physiologie, „die nie abgebaut werden, bilden sich Ablagerungen, die Krankheiten auslösen oder zumindest fördern können”.

In der Naturheilkunde hat Pasten einen festen Platz. Bei Grippe und Magenverstimmungen , wird es als schnellste und wirksamste Therapie empfohlen. Sehr gut behandeln lassen sich damit auch Darmstörungen. Neben einer gründlichen Entgiftung kommt durch das Fasten dann noch die weitgehende Entlastung des erkrankten Organes hinzu. Auch die ernährungsbedingten Erkrankungen der mit der Verdauung eng verknüpften Organe Leber und Bauspeicheldrüse sprechen meist gut auf Fastenkuren an. Erkrankungen der Niere sollten möglichst frühzeitig mit Fasten angegangen werden. Bei unzureichender Funktion ist nämlich nicht nur das Organ selbst gefährdet - der ganze Organismus wird mit Abfall belastet.

Erheblich bessern oder sogar ganz auskurieren lassen sich aus naturkundlicher Sicht auch viele psychosomatische Krankheiten wie Asthma, Migräne und eine ganze Beihe funktioneller Beschwerden, heißt es. Mit wiederholten Fastenkuren ist sogar vielen hartnäckigen Hautproblemen beizukommen, obwohl es manchmal nur gelingt, Krankheiten, wie etwa die Schuppenflechte oder Ekzeme, bis auf geringe Reste zum Verschwinden zu bringen. Dagegen sollen sich Herzkrankheiten, beispielsweise Angina pectoris, allein schon durch die bereits zu Beginn der Kur einsetzende Kreis-laufentlastung bessern. Ähnliches gilt für hohen Blutdruck.

Fastenkuren werden von vielen Kuranstalten angeboten. Doch genauso gut kann man sich auch zu Hause kasteien. Laut Professor Marktl eine unproblematische Angelegenheit. „Da kann nichts passieren, der Körper hat genug Reserven. Zu beachten ist nur, daß dem Körper genug Flüssigkeit zugeführt wird - etwa bis ztf zwei Liter pro Tag”. Da die Ijeistungs-fähigkeit erhalten bleibt, kann auch während der normalen Arbeit gefastet werden.

Kürzere Fastenzeiten - etwa im Ausmaß bis zu einer Woche - sind nach Ansicht des Physiologen unbedenklich. Vorausgesetzt, es wird auf das Trinken nicht vergessen, denn die Flüssigkeitsaufnahme durch die Nahrung entfällt, sie muß anderweitig zugeführt werden. Schon vor Fastenbeginn sollte man sich überlegen, wie lange man durchhalten will.

Fasten sensibilisiert den Körper. Die Wirkung von Kaffee, Zigaretten und Alkohol ist in dieser Zeit besonders stark. Genußmittel sollten daher vermieden werden. Alkohol mit seinem hohen Energiegehalt widerspricht sowieso den Zielen des Fastens.

Ist der Wille zum Abnehmen und Entschlacken trotz all dieser Einschränkungen noch ungebrochen, empfiehlt der Arzt und Therapeut Rüdiger Dahlke in seinem Buch „Bewußt fasten” die Kur mit einem Entlastungstag (Obst) zu beginnen. Der anschließende erste Fasttag beginnt mit einer gründlichen Darmentleerung, der notfalls nachgeholfen werden muß. Der Organismus braucht in dieser Zeit viel Flüssigkeit, um die Schlacken und Giftstoffe lösen und ausscheiden zu können. Alle Getränke sollten Schluck für Schluck genossen, ja richtig „gekaut” werden.

Ruhe ist eine weitere wichtige Komponente. Allein durch das Hinlegen steigt die Durchblutung der Leber, der jetzt die Hauptentgiftungsarbeit zufällt, bis zu 40 Prozent an. Zur Hautpflege sind neben Dusche oder Rad trockene Rürstungen und nasses Abfrottieren geeignet - das fördert die Durchblutung und entlastet die Haut bei ihrer wichtigen Ausscheidungsfunktion.

Typische Fasten-krisen sind selten und treten nur bei längeren Kuren auf. Wie aus heiterem Himmel fühlt man sich plötzlich müde und zerschlagen. All dies ist kein Grund zur Beunruhigung, sagen die Experten. Auf keinen Fall sollte die Kur in solch einer Zeit abgebrochen werden.

Es kann unter Umständen auch zu einem vorübergehenden Nachlassen der Sehschärfe kommen, das aber mit Ende der Kur schlagartig auch wieder verschwindet. Zeitweise kann auch die Reaktionsfähigkeit etwas vermindert sein.

Wichtiger und für viele schwieriger als das eigentliche Fasten ist die Rückkehr in das „normale Leben”. Während des Fastens hat der Körper nicht nur gelernt, seine Fettdepots zu mobilisieren, er hat auch die Stoffwechselvorgänge ökonomisiert, den „Spargang” eingelegt. Nach dem Fastenabbruch muß er wieder lernen, „schwere Kost” zu verdauen. Reginnt man sofort wieder mit Schweinsbraten und Knödel, sind die abgefasteten Kilos im Nu wieder oben und nicht nur das, möglicherweise sogar noch mit einer „Draufgabe”.

Je länger gefastet wurde, desto länger soll auch der Aufbau sein. Etwa halb so lange wie die Fastenzeit, wird empfohlen. Während dieser Zeit ist Salz streng zu meiden. Schon kleine Mengen binden große Mengen Flüssigkeit im Körper. Auch so kann man blitzschnell ein bis eineinhalb Kilo zunehmen - wenn auch nur in Form von Wasser.

Von vielen Anhängern des Fastens wird jedoch nicht die Gewichtsreduktion sehr geschätzt, sondern die seelisch-geistigen Auswirkung dieser Art der Enthaltsamkeit. Diese mentale Komponente sei wissenschaftlich allerdings nicht erklärbar, sagt Professor Marktl. „denn dafür existieren keine chemischen Formeln.”

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