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Auf weichen Federn

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Es macht immer wieder Vergnügen, ein fraquoanzösisches Automobil einem Fahrversuch oder Test zu unterziehen. Der Grund dafür mag sein, ' daß die Erzeugnisse der französischen Automobilindustrie, gleich, ob es sich um einen Klein-, Mittel- oder großen Wagen handelt, immer ein Maximum dessen erfüllen, was man in dieser Preislage gerade noch erwarten darf. Außerdem aber stellen sie trotz des Konservativismus, deT bei ihnen spürbar wird, letzte technische Erkenntnisse im Automobilbau dar. Die französische Automobilindustrie macht dennoch wenig Lärm um ihre Konstruktionen und hat das eigentlich auch nicht notwendig, denn wer entweder beabsichtigt oder durch Zufall einmal ein französisches Automobil der häufiger gefahrenen Typen erwirbt, ist in den meisten Fällen für die anderen Autofirmen verloren. Es liegt uns hier absolut fern, andere Erzeugnisse zurücksetzen zu wollen, aber es ist nun einmal eine Erfahrung, die wir selbst auf Grund von Tests oder Fahrversuchen nur bestätigen können.

Auffallend ist auch, daß gerade die französischen Firmen nur selten Änderungen an ihren Typen vornehmen. Meist werden sie im Gegenteil jahrelang optisch völlig gleich gebaut, und nur im technischen Detail wird immer wieder ausgefeilt und vervollkommnet, ohne daß dem Kunden dies eigentlich besonders vor Augen geführt wird. Für den Besitzer eines solchen Wagens bietet das die Gewähr, daß er stets ein Erzeugnis in der Hand hat, das zwar letzten Erkenntnissen entspricht, ohne daß die Nachfolgetypen revolutionierend wären, was für ihn nur finanzielle Verluste bedeuten würde. Auch bei den den Autobau in den letzten Jahren am meisten revolutionierten Citroen-Typen DS und n|D>*t9 -verhält es sich nicht anders„ denn ge-*'WflÄ'scffeYe Firma hat, man möchte sagen jahrzehntelang, ihr Typenprogramm aufrechterhalten, dann allerdings grundlegend geändert, und baut nunmehr schon wieder seit einigen Jahren fast unverändert diese interessanten Typen. Das wird vermutlich auch in den nächsten Jahren ohne wesentliche Änderungen beibehalten werden.

Ebenso verhält es sich bei Renault, welche Firma mit ihrem 4 CV seit Jahren auf dem Markt ist, wobei es sich heute fast um den gleichen 4 CV handelt, den wir vor nunmehr fast einem Jahrzehnt als Neukonstruktion dieses Werkes kennengelernt haben. Auch die Dauphine wurde durchaus nicht dazu geschaffen, den 4 CV zu verdrängen, sondern soll ihn nach oben ergänzen. Auch hier gelang dem Werk ein Fahrzeug, das sich seit Jahren mit. Erfolg behauptet und dessen Eigenschaften das Publikum durchaus ansprechen.

Nunmehr hat die Renault Dauphine 1960 eine jener kleinen Verbesserungen erhalten, über die man nicht viel spricht, die aber doch interessant sind: die sogenannte „Aerostable“-Fede-rung. Es handelt sich dabei durchaus um keine „optische“ Verbesserung, die ein gutes Verkaufsargument abgeben soll, sondern man entwickelte eine Zusatzfederung, die es ermöglicht, dem Fahrzeug bessere Federungs- einerseits und verbesserte Fahreigenschaften anderseits zu verleihen. Wer jedoch glaubt, daß es sich hier etwa um eine weitreichende, komplizierte Konstruktion handelt, der irrt. Man hat vielmehr auf höchst einfache Weise der Hauptfederung an den Hinterrädern zwei Luftfederelemente als progressiv wirkende Zusatzfederung beigegeben, wodurch eine wesentliche Verbesserung und vor allen Dingen eine weit lasiunabhängigere Federung der hinteren Fahrzeugpartie erreicht wurde. Das ist gerade bei den relativ kleinen Fahrzeugen von erhöhter Bedeutung, da die Zuladung bei ihnen meist einen großen Prozentsatz des Eigengewichts ausmacht.

Wir hatten Gelegenheit, die neue Dauphine mit Aerostable-Federung einem ausgedehnten Fahrversuch zu unterziehen, und konnten dabei feststellen, daß das Fahrzeug weich federt, ob es im Fond nun belastet oder unbelastet ist. Die Haftfähigkeit der Räder auf der Straße hat gewonnen, was gleichbedeutend mit einer Verbesserung der Straßenlage an sich ist. Seinerzeit erwähnten wir an dieser Stelle schon einmal, daß die Dauphine, obwohl ein Fahrzeug mit Heckmotor, eine ganze Reihe unerwünschter Eigenschaften dieser Konstruktionsrichtung ausgemerzt hat. Nunmehr erfolgte durch die Aerostable-Federung eine weitere Verbesserung in dieser Richtung.

Man war sich bei Renault, wie diese Konstruktionsverbesserung beweist, völlig klar darüber, daß gerade beim heckgetriebenen Wagen an die Straßenlage erhöhte Anforderungen gestellt sind. Durch genaue Prüfung der Nachteile ist es gelungen, sie wirklich auszuschalten. Die Dauphine ist heute ein kleiner Wagen, der für einen Großteil von Kraftfahrern nicht nur ein Vergnügungsbehelf, sondern im Gegenteil ein sehr leistungsfähiges berufliches Gerät darstellt. Seine Innenraumgestaltung ist derart günstig, daß vier Personen tatsächlich bequem darin Platz finden, und die sehr kluge Gestaltung des im Vorderteil des Fahrzeuges untergebrachten Kofferraumes sorgt bei Überlandfahrten mit Gepäck für eine willkommene Erhöhung des Vorderachsdruckes, so daß hier ebenfalls wieder eine starke Kompensation des im Heck angeordneten Motors stattfindet. Der Kofferraum ist nicht nur im Prospekt vorhanden, sondern bietet wirklich Unterbringungsmöglichkeit für eine solche Menge von Reisegepäck, daß man sie ihm vorerst nicht zutrauen würde.

Die Dauphine vermittelt den Eindruck absoluter Verkehrstüchtigkeit. Sie ist in Haltung und Betrieb sehr sparsam und kommt mit durchschnittlich sechs Liter Normalbenzin auf hundert Kilometer aus. Die Höchstgeschwindigkeit liegt ungefähr zwischen 110 und 115 Kilometer je Stunde, was im Verein mit einem temperamentvollen Motor für die Erreichung sehr guter Durchschnitte ausreicht. Die Ausstattung des Armaturenbrettes garantiert eine sorgfältige Überwachung des Motors. Die Dauphine verfügt aber auch über eine wirksame Heizung, wie man sie nur bei wenigen heckgetriebenen Fahrzeugen findet. Es sind uns einige Mittelklassewagen bekannt, die über eine so gute Klimaanlage mit allen Verstellmöglichkeiten für Defroster und Innen-raumheizung nicht verfügen. Dabei ist die Heizung völlig geruchfrei. Wer sich einen größeren Wagen nicht leisten kann, kann, wenn es ihm auch sonst entspricht, mit Ruhe dieses Fahrzeug fahren und braucht dennoch weder auf Leistungsfähigkeit noch auf Komfort und Bequemlichkeit zu verzichten.

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