Werbung
Werbung
Werbung

Der Innsbrucker Physiker Peter Zoller, Vorreiter auf dem Weg zum Quantencomputer, über Nobelpreisträger-Allüren und das Erfolgsrezept der USA.

die furche: Am 9. Oktober wird der Physik-Nobelpreis vergeben. Rechnen Sie als oft genannter Kandidat mit Chancen?

Peter Zoller: Nein. Bisher hat noch keiner, der wie ich aus der Quantenoptik kommt, jemals einen solchen Preis bekommen. Allein der Gedanke daran ist mir fremd.

die furche: Warum?

Zoller: Es gibt bei Physikern zwei Kategorien: Jene, die in diesem Beauty Contest sind, wo sie dann wie die Gockel herumlaufen und versuchen, mit ihren großartigen Leistungen in der Physik medienpräsent zu sein, um alle möglichen Leute zu beeindrucken, auch ihre Fachkollegen. Oder man ist ein Physiker, der Freude an der Sache selber hat und hier nicht mitmachen will. Und ich gehöre zur zweiten Kategorie.

die furche: Dennoch: Welchen Kandidaten geben Sie heuer die größten Chancen?

Zoller: Ich glaube, dass es in der Atomphysik und Quantenoptik wahrscheinlich in Zukunft zwei Preise geben wird. Ich war Professor in Colorado, wo Carl Wieman und Eric Cornell erstmals experimentell ein "Bose-Einstein-Kondensat" erzeugt haben. (Anm.: ein Gas, das aus zehn Millionen ultrakalter Atome besteht). Die zwei sind konkrete Kandidaten. Oder Wolfgang Ketterle und Daniel Kleppner vom Massachusetts Institute of Technology. Unter diesen vier Leuten würde ich mir Preise erwarten.

die furche: Als heißer Tipp gilt auch der Wiener Quantenphysiker Anton Zeilinger, der mit seinen "Beam"-Experimenten für Aufsehen gesorgt hat. Wie schätzen sie seine Chancen ein?

Zoller: Ich glaube, im Bereich experimentelle Quanteninformation oder Experimente zu Grundlagen der Quantenmechanik gibt es eine Reihe von Leuten, die anstehen. Und Anton Zeilinger ist ganz vorne mit dabei.

die furche: Immer wieder taucht das Problem "falscher" Preisträger auf. Wie treffsicher halten Sie die Entscheidungen des Nobel-Komitees?

Zoller: Die ganze Vergabepraxis ist problematisch. Bei den Nobelpreisen wird aus einer Gruppe heraus irgendeine Subgruppe in den Himmel gehoben und die anderen sind dann nichts wert. Häufig bekommen Leute einen Nobelpreis für eine Arbeit, die einer ganzen Gruppe zusteht.

die furche: Kritische Stimmen fordern deshalb eine Modernisierung des Nobelpreises, um auch gesamte Teams auszeichnen zu können.

Zoller: Das wäre schon sinnvoll. Von diesen Gruppen genau drei auszusuchen, ist oft eine große Ungerechtigkeit. Doch unter diesen Vergabekriterien hat das Nobelkomitee relativ gute Arbeit geleistet.

die furche: Ihnen fällt also keine Fehlentscheidung ein?

Zoller: Nein, aber es gibt Fälle wo man sich denkt, das hätte ich anders entschieden. Doch das sind subjektive Kriterien.

die furche: Während Österreich mit acht Nobelpreisen aus dem Bereich Naturwissenschaften im Länderranking auf dem 9. Platz liegt, führen die USA überlegen die Liste an. Was ist der Grund dieses Erfolges?

Zoller: Es gibt mehrere Ursachen. Zum einen ist die historische Entwicklung so gelaufen, dass etwa die Physik vor dem Zweiten Weltkrieg im deutschen Kulturraum extrem stark war. Mit dem Krieg sind viele Forscher und mit ihnen Erkenntnisse abgewandert. Auch mit viel Geld kann man das nicht zurückkaufen. Zum zweiten werden die Nobelpreise immer mehr zur "self-fulfilling prophecy". In den USA können Wissenschafter untereinander ziemlich konkret ausmachen, wer den Preis bekommen soll. Und dann tritt das Land konzertiert auf und sagt: Wir glauben, dass diese oder jene Person oder Gruppe dran ist. Das ist ganz anders als in Europa, wo alle durcheinanderschreien.

die furche: Es herrscht also massives Lobbying?

Zoller: Wenn so viele an einem Strang ziehen, dann ist das mehr als Lobbying, dann ist das eine Vorentscheidung in eine bestimmte Richtung. Dass Österreich hier schlechte Karten in der Hand hat, ist klar.

die furche: Liegt die mangelnde Ausbeute nicht daran, dass es hierzulande im Forschungsbereich Defizite gibt? In den USA etwa werden Nobelpreisträger regelrecht "geplant".

Zoller: Entscheidend ist, dass die Spitzenunis die entsprechenden Leute haben. So sind etwa alle Russen, die etwas können, weggegangen. Und wo wohnen sie jetzt? In den USA, dort wurden sie angeheuert. Die USA waren immer in der Lage, international die besten Leute anzuziehen.

die furche: Was wünschen Sie sich von den heimischen Forschungsinstitutionen und Unis?

Zoller: Die österreichischen Universitäten liegen im Argen. Während der vergangenen 30 Jahren ist es an den Unis politisch so gelaufen, dass man aus einem sozialen Verständnis heraus Generationen von Leuten permanent gemacht hat, die in anderen Ländern wie den USA nie überlebt hätten. Auf diese Art sind Weichenstellungen passiert, die in Österreich kurzfristig nicht wettgemacht werden können.

die furche: Demnach müssten Sie mit der Universitätsreform, die der Pragmatisierung ein Ende macht, hochzufrieden sein ...

Zoller: Ich sehe viele Dinge, die mir gut gefallen. Das mit der Vollrechtsfähigkeit der Universität gefällt mir aber nicht. Außerdem hat man eines nicht begriffen: Wenn man gute Leute haben will, muss man bereit sein zu Flexibilität, und die fehlt mir an den Unis vollkommen. Ich bin keiner, der das amerikanische System nur befürwortet, aber ein bisschen kann man sicher von den Amerikanern lernen.

Das Gespräch führte Doris Helmberger

Buchtipp

Nobelpreis. Der Mythos. Die Fakten. Die Hintergründe.

Von Hubert Filser. Herder spektrum, Freiburg 2001. 224 S., geb., öS 277.-/e 19,50

Brockhaus nobelpreise. Chronik herausragender Leistungen. F. A. Brockhaus, Leipzig 2001. 1056 S., geb., öS 712.-/e 49,85

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung