Beim Grillen nichts anbrennen lassen

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Wie beim Passivrauchen weisen Studien darauf hin, dass es auch für das 'Passivgrillen' keine Entwarnung gibt: Auch über die Atmung und die Haut können Schadstoffe aufgenommen werden.

Man mag die lustvolle Tätigkeit des Grillens ja unter denkbar vielen Gesichtspunkten betrachten: Zum Beispiel die Frage stellen, ob ihr eigentlicher Ursprung bei den Urmenschen zu suchen ist, die vor Hunderttausenden von Jahren mit dem Feuer umzugehen lernten, oder doch erst in den 1970er-Jahren, als das Barbecue von den USA aus zum modernen Massenphänomen geworden ist. Und man mag sich wundern, worin die Faszination dieser archaischen Verhaltensweise liegt -sind es die Urinstinkte, die durch die Versammlung an einer Feuerstelle wieder wachgekitzelt werden, oder ist es schlicht das gesellige Beisammensein unter freiem Himmel und in ungezwungener Atmosphäre?

Die ewige Magie des Feuers

Man könnte mit Sigmund Freud eine recht einschlägige Deutung wagen und hinter der Lust am Grillen ein "zehrendes Feuer der Leidenschaft" erkennen: "Die Wärme, die das Feuer ausstrahlt, ruft dieselbe Empfindung hervor, die den Zustand sexueller Erregtheit begleitet", mutmaßte der Begründer der Psychoanalyse, ganz betört von seiner eigenen Theorie. Man könnte auch eine sublimere Deutung bevorzugen und das Feuer als wärmendes Symbol der Liebe sehen, so wie kürzlich Bischof Michael Curry bei der royalen Hochzeit von Prince Harry und Meghan Markle. Oder man könnte die Sache einer ganz zeitgemäßen und politisch korrekten Sichtweise unterziehen, indem man auf die Grillquoten schielt. Dann würde man im Grillen tatsächlich eine "letzte Insel der Männlichkeit"(Süddeutsche Zeitung) erblicken: Ist es nicht auffällig, dass es meist Männer sind, die hier wie die Neandertaler am Feuer stehen und die begehrten Würstchen und Koteletts verteilen? Man könnte nicht zuletzt die möglichen Gesundheitsrisiken des Grillens beleuchten. Das ist vielleicht ein bisschen nüchterner - aber umso naheliegender, da auch praktisch relevant.

Denn gegrillte Fleischwaren können krebserregende Stoffe enthalten: Da ist zunächst einmal das Nitritpökelsalz, das in gepökelten Fleischwaren wie Speck, Leberkäse oder Frankfurtern enthalten ist. Bei Hitze werden daraus Nitrosamine freisetzt, die Magen- und Speiseröhrenkrebs auslösen können. Weitere Schadstoffe sind die Heterozyklischen Aromatischen Amine (HAA): Sie entwickeln sich, wenn man Fleisch - oder andere proteinhaltige Lebensmittel - zu heiß und zu lange grillt. Verbrannte Stellen sollten großzügig abgeschnitten werden, denn sie enthalten sehr hohe Mengen an HAA. Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) wiederum entstehen vor allem dann, wenn beim Grillen Fett, Fleischsaft oder Marinade in die Holzkohle tropfen. Sie verbrennen in der Glut und steigen mit bläulichem Rauch auf, wobei sie sich auf dem Fleisch ablagern. Experten empfehlen daher mageres Fleisch, das vor dem Grillen gut abgetupft wird. Bei Fisch ist das Risiko geringer: PAK können zwar ebenso in das Fischfleisch eindringen, allerdings werden sie dort rasch abgebaut und können sich somit nicht anreichern. Das Grillgut mit Bier abzulöschen, sollte vermieden werden, da auch dann PAK entstehen können, bemerkt die Deutsche Krebsgesellschaft, die auf ihrer Webseite zwölf Regeln für ein gesundes Grillen zusammengestellt hat.

Die beiden Stoffklassen HAA und PAK werden im menschlichen Körper zu Molekülen umgebaut, die in Darmzellen eindringen und sich dort an unser Erbgut anlagern können. So können Mutationen entstehen, die eventuell zu bösartigen Tumoren heranwachsen. Die Dosis macht das Gift: "Wer große Mengen der bedenklichen Chemikalien zu sich nimmt, hat ein erhöhtes Risiko für bestimmte Vorstufen von Darmkrebs", warnt die Deutsche Krebsgesellschaft. Sich gegrillte Speisen einzuverleiben, ist die häufigste Ursache, wie beim Grillen PAK in den Körper gelangen. Doch ähnlich wie beim Passivrauchen deuten Studien darauf hin, dass es auch für das "Passivgrillen" keine Entwarnung gibt: Denn selbst wenn man als Gast bei einer Grillparty nichts isst, können in der Nähe des Grillfeuers beträchtliche Mengen an PAK in den Körper gelangen - über die Atmung und über die Haut. Ein Forscherteam der chinesischen Jinan-Universität wollte die Risiken nun differenzierter bestimmen. Ihre Studie ist kürzlich im Fachjournal Environmental Science &Technology erschienen.

Kleidung wechseln und waschen

Die Forscher teilten 20 Versuchsteilnehmer bei einem zweieinhalbstündigen Grillfest in drei Gruppen, die in jeweils unterschiedlicher Intensität dem Geschehen ausgesetzt waren: Ein Drittel waren die "Hardcore-Griller": Sie aßen Gegrilltes, standen und atmeten in Grillnähe. Eine zweite Gruppe aß nichts, stand und atmete aber ebenfalls im Rauch. Und das letzte Drittel aß nichts und stand mit abgeschotteter Atemmaske im Rauch. Die Menge an aufgenommen PAK wurde über Urinproben bestimmt.

Wie erwartet zeigte sich, dass die "Hardcore-Griller" später den höchsten Anteil an PAK aufwiesen. Überraschend war hingegen, dass über die Haut mehr gefährliche Stoffe aufgenommen wurden als über die Atmung. Und die 16 nachgewiesenen Schadstoffe legten sich auch auf die Kleidung ab. Die Haut beim Grillen zu verhüllen, bietet hier keinen vollständigen Schutz, wie die Studienautoren bemerken: Ist die Kleidung einmal mit Rauch gesättigt, kann es durch die Textilien erst recht zur Aufnahme beträchtlicher PAK-Mengen kommen. Die Forscher empfehlen daher, nach dem Grillen die Kleidung rasch zu wechseln und zu waschen: "Verschmutzte Kleider könnten sonst eine dauernde Belastungsquelle werden."

Man mag jedoch abschließend ergänzen, dass das Grillen als gemeinschaftliche Veranstaltung wohl gesundheitsfördernd wirkt. Und vielleicht sollte man den Männern die Freuden des Grillmeisters belassen: Denn gemäß anderen Studiendaten tut es gerade ihnen gesundheitlich nicht gut, wenn sie allzu oft alleine essen.

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