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Bis es zu einer global zufriedenstellenden lösung rund um Aids kommen kann, muss gesellschaftspolitisch und wissenschaftlich noch viel passieren. Ein Zustandsbericht.

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Bis es zu einer global zufriedenstellenden lösung rund um Aids kommen kann, muss gesellschaftspolitisch und wissenschaftlich noch viel passieren. Ein Zustandsbericht.

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Die Ergebnisse der Welt-Aids- Konferenz im Juli geben keinen Anlass zur Euphorie im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit, die weltweit immer noch in der Liste der zehn häufigsten Todesursachen zu finden ist. Peter Piot, Leiter der London School of Hygiene and Tropical Medicine fasste es in seiner Rede zusammen: "HIV/AIDS bleibt eine der größten Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit unserer Zeit."

Weltweit werden jährlich 2,1 Millionen Menschen neu infiziert und rund 1,2 Millionen sterben an den Folgen. Deshalb ist es auch besorgniserregend, dass in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Neuinfektionen in 74 Ländern noch weiter anstieg. In Afrika ist die Lage mitunter am prekärsten. Dort wurden Dreiviertel der Neuinfektionen im vergangenen Jahr registriert. Am häufigsten sind junge Frauen und Mädchen zwischen 11 und 19 Jahren betroffen. Fehlende Bildung und kaum Zugang zu Aufklärung zum Thema Safer Sex, aber auch die fehlende gesellschaftliche und soziale Unabhängigkeit, setzen Frauen der hohen Gefahr aus, sich mit Aids anzustecken.

Leistbare Medikamente

Will die internationale Gemeinschaft ihr Ziel umsetzen und bis 2030 die Aids-Epidemie beenden, muss auf Präventivmaßnahmen und leistbare Medikamente zur Behandlung bereits erkrankter Menschen gesetzt werden. Ärzte ohne Grenzen fordert, dass neue, oft lebensrettende Therapiemöglichkeiten unbedingt billiger werden müssen. Derzeit kostet die dritte Therapielinie, die bei Resistenz der anderen Wirkstoffkombinationen angewendet werden muss, 18 Mal mehr als ältere Medikamente. Verschlimmert wird die Situation noch durch sinkendes internationales Spendenaufkommen. Die HIV-Expertin Annemarie Wensing macht auch der EU Vorwürfe. Sie habe das Problem Aids als chronische Krankheit abgehakt und investiere nun zu wenig in die Forschung für endgültige Heilmittel. Die EU weist diese Vorwürfe allerdings zurück und bezeichnet Aids als einen Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt.

Als chronische Krankheit kann man Aids nur betrachten, wenn sich die erkrankten Menschen in ärztlicher Behandlung befinden und durch sogenannte antiretrovirale Arzneimittel die Zahl der Viren im Blut gesenkt und die Bildung neuer HI-Viren gestoppt wird. Tatsächlich konnte durch die Behandlung mit derartigen Medikamenten die Zahl der Todesopfer in den letzen zehn Jahren von 1,8 Millionen auf 1,2 Millionen reduziert werden. Derartige Therapien werden immer näher erforscht, weil sie sich auch als Präventivmaßnahme eignen. Im Juli konnte durch eine groß angelegte Studie sogar belegt werden, dass das Ansteckungsrisiko durch die prophylaktische Medikamenteneinnahme auf bis zu null gesenkt werden kann.

Besonders Risikogruppen muss Beachtung in der Präventivbehandlung geschenkt werden. Neben den bereits erwähnten jungen Frauen in Afrika, sind das vor allem Männer, die mit Männern Geschlechtsverkehr haben. Sie sind 24 Mal wahrscheinlicher von einer Infektion betroffen. Bei Gefängnisinsassen in Westeuropa und Afrika sind die Infektionsraten bis zu 20 Mal höher als im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Das liegt daran, dass in den Haftanstalten zu wenig Drogenersatztherapien und Spritzenaustauschprogramme angeboten werden.

Kein einfaches Ende

Francoise Barre-Sinoussi, die maßgeblich an der Entdeckung des HI-Virus als Aids-Auslöser mitbeteiligt war, warnt aber davor, dass durch antiretrovirale Medikamente auf keinen Fall das Ziel der Beendung der Epidemie erreicht werden könne. "Ein wirkliches Heilmittel zu finden, wird sehr schwierig werden", sagt die Nobelpreisträgerin auf der Welt-Aids- Konferenz. Außerdem standen im vergangenen Jahr insgesamt nur 46 Prozent aller HIV-positiven Erwachsenen ausreichend Behandlungsmittel zur Verfügung. Ein weiteres Problem, das sich durch Präventivmedikamente ergibt, ist, dass weniger Kondome benützt werden und sich die Ansteckungsgefahr durch andere Sexualkrankheiten erhöht.

Diesem Problem soll jetzt aber während der Olympischen Spiele in Rio Abhilfe geschafft werden. Die Vorbildfunktion der Sportler wird als Werbung für sicheren Sex genutzt. Deshalb erhält jeder der 10.5000 Athleten rund 42 Gratis- Kondome im olympischen Dorf. Damit steht den Safer Sex Spielen in Brasilien eindeutig nichts mehr im Wege.

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