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Damm gegen Mißbrauch

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Für den ersteren Weg zu kämpfen ist, im Grunde genommen, eine Angelegenheit der Kassen und nicht der Ärzteschaft selber, und eine diesbezügliche Korrektur entspräche nur den Grundsätzen einer sachlichen Bearbeitung des ganzen Fragenkomplexes. Der zweite Weg dazu, die Einführung einer Mitzahlung des Patienten für jeden Besuch und jede Beratung, würde an und für sich, dem Sinne des Gesetzes nicht widersprechend, einen ausgesprochenen Damm gegen den Mißbrauch der Einrichtung von Seiten der behandelnden Ärzte, nicht minder aber auch von Seiten der Mitglieder bedeuten. Es würde damit auch eine entsprechende Würdigung und Wertung der einzelnen ärztlichen Leistung und damit eine Hebung der ärztlichen Arbeit und des ärztlichen Ethos erreicht, wobei noch keineswegs gesagt sein soll, daß sich damit das ärztliche Einkommen als solches zwangsmäßig erhöhen müßte, es träte also vergleichsweise an die Stelle der ausgesprochenen Massenarbeit des Arztes eine Verringerung derselben, dafür aber eine solche mit verbesserter Qualifikation, für die nach besten Kräften zu sorgen Ärzteschaft und Sozialversicherung in gleichem Maße verpflichtet wären.

Die Beschreitung dieses Weges aber bedeutet zunächst wohl ein Politikum ersten Grades, obschon es nicht einzusehen ist, daß der Herr Direktor in der Fabrik oder in der Sozialversicherung, der Großbauer als freiwilliges Mitglied in der Landwirtschaftskrankenkasse oder der Ingenieur in einer Baufinna ärztlich ohne Selbstbehalt betreut werden soll, während der kleine Eisenbahner oder der bescheidene Briefträger und Lehrer am Lande für jede ärztliche Leistung eine Zahlung erbringen muß. Wer wie der Arzt Gelegenheit hat, alle Schattierungen der Bevölkerung nach Sitte und Haltung in gesunden und kranken Tagen kennenzulernen, der kommt nicht um den Schluß herum, daß unsere Sozialversicherung mehr dem kollektivistischen als dem wirklich sozialen Trend folgt und daß der wirtschaftlich Starke ausgesprochen zu Unrecht zum Nachteil des Schwachen geschützt erscheint.

Die Ärzteschaft müßte allerdings bei der Beschreitung dieses Weges, der die

Krage der Reform der Krankenversicherung von einer grundsätzliches-) >eite her aufrollt und die nur dann uif einen Erfolg hoffen darf, wenn sie in der Öffentlichkeit psychologisch ron allen daran beteiligten Kreisen nat großer Sachlichkeit und frei von illen politischen Schlagern vorbereitet vürde, auch ihrerseits auf einer Gene-■albereinigung verschiedener, schon angst offener Fragen bestehen. Hierzu jehört vor allem die Herstellung der nneren Bilanzwahrheit in den Aus-veisen der Sozialversicherung gegen-iber der Ärzteschaft in dem Sinne, daß lur noch solche Gelder als Ausgabe iir Arzthilfe in denselben anerkannt werden, welche die Ärzte auch wirklich erhalten, und nicht Ausgaben, die reine Verwaltungskosten sind, wie zum Beispiel die Kosten der Verrechnungsstelle, zum Teil auch der chefärztliche Kontrolldienst und andere. Was würden wohl die Gewerkschaften und die Beamtenschaft des Staates sagen, wenn die Kosten der ganzen Lohnbüros als Gelder aufscheinen würden, die sie als Gehalt erhalten haben, und dies ihnen in aller Öffentlichkeit vorgehalten würde, wie das gegenüber der Ärzteschaft mehrfach schon geschehen ist! Eine ehrliche Partnerschaft auf beiden Seiten, zwischen Ärzteschaft und Hauptverband der Sozialversicherungsträger,' ist eine Grundvoraussetzung für eine gesunde Reform der Sozialversicherung, wenn sie sozial, zweckentsprechend, zeitgemäß und von Bestand sein soll. Ventile für menschliche Mängel wird es immer noch auf beiden Seiten der Menschengruppen, für welche die Verträge geschlossen werden, geben, wobei auch bei der Ärzteschaft selber eine Überprüfung des nun einmal zur Verfügung stehenden Sozialprodukts der ärztlichen Arbeit im eigenen Wirkungskreis allen Ernstes zu erwägen und durchzuführen wäre.

Mit dem Aufwerfen der Frage einer bundeseinheitlichen Honorierung der Ärzteschaft auch bei Gebiets- und Landwirtschaftskrankenkassen, wie sie nun einmal von beiden Vertragspartnern im Gesetz nach § 342 (2) des ASVG festgelegt wurde und im Grunde eigentlich den Angelpunkt der momentanen Hochdruckkrise darstellt, ergibt sich für den sachlich und konstruktiv denkenden Fachmann automatisch die Frage der Schaffung eines übergeordneten, bundeseinheitlichen Honorarausgleichsfonds, wenn die Honorierung nach Einzelleistung in allen Ländern auch wertmäßig einheitlich zu sein hätte. In weiterer Folge erhebt sich dann die Frage, ob eine weitsichtige und unter dem Gesichtspunkt des föderalistischen Aufbaues unseres Staates einerseits und den -unbarmherzig zu erwartenden Realitäten in den nächsten Jahren anderseits zu erstrebende Reform der Sozialversicherung nicht ein vollständig neues und mutiges Konzept verlangt, das sich kurz in folgender Formulierung skizzieren ließe:

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