"Das Kreislaufdenken gut verinnerlichen"

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"Wenn die Umwelt-und Entsorgungskosten, geschweige denn die Transportkosten in der globalisierten Wirtschaft, real mit eingerechnet werden, wären viele Produkte um ein Vielfaches teurer."

Rosemarie Stangl leitet das Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau an der Universität für Bodenkultur Wien. Die FURCHE hat sie zum großen Themenfeld der Bioökonomie befragt.

DIE FURCHE: Wo liegen die großen Chancen der Bioökonomie?

Rosemarie Stangl: Dass hier in Wertschöpfungskreisen gedacht wird, nicht mehr in Ketten. Das heißt, das Produkt landet am Ende seines Lebenszyklus nicht mehr im Müll, sondern wird in eine Wertschöpfung rückgeführt. Das steht in Einklang mit dem Konzept der Kreislaufwirtschaft: Man verschwendet keine Ressourcen, sondern führt diese der Wiederverwendung und dem Recycling zu. Auch die Kaskadenschaltung ist ein wichtiges Prinzip: So wird der Rohstoff - zum Beispiel das Holz aus dem Wald -nicht direkt der Verbrennung zugeführt, sondern zuvor die stoffliche Nutzung dazwischengeschaltet. Am Ende der Nutzungs-und Recyclingszyklen steht dann die Energiegewinnung.

DIE FURCHE: Wie wichtig ist die Bioökonomie für den Klimaschutz?

Stangl: Es geht darum, unsere Gesellschaft schrittweise in Richtung eines fossil-freien Wirtschaftens zu transformieren, also die Treibhausgase zu reduzieren und die CO2-Emissionen zu deckeln. Bioökonomie zielt darauf ab, biobasierte statt fossilbasierte Rohstoffe zu verwenden -zur Energiegewinnung und als Materialien für die Produktherstellung.

DIE FURCHE: Wo sehen Sie die Stolpersteine für die Umsetzung dieses neuen Konzeptes?

Stangl: Die Erdölbranche ist davon wohl weniger überzeugt, weil es ihren ökonomischen Strategien widerspricht. Ein aktuelles Hindernis liegt darin, dass Erdöl derzeit so billig ist. Schlimmer aber noch ist die Tatsache, dass es keine Kostenwahrheit in der Produktion gibt: Die Gesamtkosten von der Entwicklung bis zur Entsorgung werden nicht vollständig abgebildet. Wenn auch die Umwelt-und Entsorgungskosten, geschweige denn die Transportkosten in der globalisierten Wirtschaft, real mit eingerechnet werden, wären viele Produkte um ein Vielfaches teurer.

DIE FURCHE: Was könnte man tun, um der Kostenwahrheit besser gerecht zu werden?

Stangl: Im Grunde geht das wohl nur über Regulative. Aber auch internationale Abkommen wie jenes zum Klimaschutz sind hilfreich.

DIE FURCHE: Welche lokalen Ressourcen sind hierzulande wichtig für die Bioökonomie?

Stangl: Österreich hat eine große land-und forstwirtschaftliche Tradition, neben dem Holz sind es vor allem die Böden, die Felder, die Produkte aus der Landwirtschaft. Auch aus den Gewässern kann man Biomasse nutzen. Ebenso sehe ich das technologische Know-how in Österreich als wichtige Ressource, die für die Umsetzung der Bioökonomie wichtig ist.

Nur weil man biogene Rohstoffe nutzt, heißt das noch lange nicht, dass diese Nutzung per se auch nachhaltig ist. (Rosemarie Stangl)

DIE FURCHE: Wie sehen Sie diesbezüglich die Forschungssituation und deren politische Rahmenbedingungen in Österreich?

Stangl: Es gibt bereits eine breite Forschungslandschaft, die bisher aber nur wenig unter dem Label der "Bioökonomie" wahrgenommen wird. Jetzt geht es darum, dass sich Forscher und Forscherinnen in den Bereichen Biotechnologie oder Landwirtschaft mit dem Konzept der Bioökonomie identifizieren und das Kreislaufdenken verinnerlichen und weitergeben. Im neuen Regierungsprogramm ist die Bioökonomie vielversprechend abgebildet. Es enthält einen nationalen Aktionsplan, dessen Umsetzung und die Gründung eines Forschungsclusters. Parallel dazu wird eine Strategie im Bereich Forschung, Technologie und Innovation -FTI -realisiert.

DIE FURCHE: Warum ist auch die Ethik für die Bioökonomie wichtig?

Stangl: Die Komplexität der Anwendungen bringt große Herausforderungen mit sich. Wichtig ist, dass man die Ansätze der Bioökonomie kritisch reflektiert. Es geht auch um Werthaltungen, die hier einzubringen sind. Wir müssen stets die Nachhaltigkeit prüfen. Nur weil man biogene Rohstoffe nutzt, heißt das noch lange nicht, dass diese Nutzung per se auch nachhaltig ist.

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