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Das österreichische Flugwesen

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Nur wenigen Eingeweihten war es bekannt, was während der Zeit von Oesterreichs Unfreiheit — und niemand konnte sagen, wie lange sie dauern würde — auf dem Flugsektor an vorbereitenden Arbeiten geleistet wurde und wieviel Privatinitiative dazu erforderlich war. um ein Fundament zu schaffen, auf dem zum Zeitpunkt der Wiedererlangung unserer Lufthoheit sofort mit dem Aufbau des österreichischen Flugwesens begonnen werden konnte. Wir sind heute in der glücklichen Lage, feststellen zu können, daß bereits eine ganze Reihe von Maschinen im Einsatz stehen, die wirtschaftlichen Belangen dienen. Selbstverständlich handelt es sich hierbei um keine Großraumflugzeuge, wie wir sie von internationalen Flugverkehrsgesellschaften her kennen, sondern um kleine zwei- und viersitzige, einmotorige Passagierflugzeuge für den privaten Gebrauch. Zur Zeit, als Oesterreich noch eine eigene Luftfahrt besaß, also vor 193 8, war das

Privatflugzeug fast ausschließlich ein Sportgerät für Begüterte und man bezeichnete es damals zu Recht als „Sportflugzeug“. Heute, nach siebzehn Jahren der Unfreiheit, hat sich auf der ganzen Welt in der Fliegerei und damit auch im Einsatz von Flugzeugen für die Privatwirtschaft sehr viel geändert. Wir stehen demnach vor einer vollkommen neuen Situation und können prak tisch an keinerlei ernsthafte Tradition anschließen, weder was Maschinen noch was deren Verwendung anbelangt. Lim so beachtlicher und erstaunlicher ist es deshalb, daß es den maßgebenden Stellen, die sich mit dem österreichischen Flugwesen auseinanderzusetzen haben, gelungen ist, de facto einen gewissen Gleichlauf zu internationalen Usancen zu finden. Die Ursache dürfte nicht zuletzt darin zu suchen sein, daß an den verantwortlichen Stellen zwar in korrekter, jedoch bemerkenswert unbürokratischer, von bester Praxis zeugender Art und Weise vorgegangen wird. Wenn die Anzahl der zur Verfügung stehenden Maschinen im Bundesgebiet, gemessen an ausländischen Verhältnissen, derzeit auch noch relativ gering ist, so ist sie für den Umstand, daß wir über die Luftfreiheit erst so kurze Zeit verfügen, doch sehr beachtlich.

Außer dem privaten Einsatz in der Wirtschaft, also in Form von firmeneigenen Maschinen, die dem chronisch zeitknappen Geschäftsmann heute sehr viel Zeit sparen helfen, wird das kleine Passagierflugzeug auch als Lufttaxi eingesetzt, das man je nach Wunsch mieten kann. Aber auch Werbeunternehmen haben sich konsolidiert, die. die modernste Art der Reklame, jene in der Luft, mit Schleppbanner und in Kürze auch mit Neonbuchstaben oder als Himmelsschreiberei betreiben.

Die nicht zu leugnenden Vorteile eines der modernsten Fluggeräte, des Hubschraubers, führten vor einiger Zeit zur Gründung der ersten österreichischen Hubschraubergesellschaft. Sie setzt sich mit ihren Anfang kommenden Jahres zu erwartenden ersten Hubschraubern den Einsatz bei Rettungsaktionen, in der Land- und Forstwirtschaft, im Hochgebirgsstraßenbau usw. zum Ziel.

Interessant ist aber auch, daß es bereits eine ganze Reihe von Flugzeugvertretungen gibt, die Maschinen der verschiedensten Typen und Herkunftsländer — vor allen Dingen Amerika, Schweden, Italien, England, in absehbarer Zeit auch die Tschechoslowakei — führen. Die Preise von neuen Maschinen liegen heute zwischen etwa 300.000 und 1 Million Schilling. Hubschrauber sind unter 1 Million Schilling überhaupt nicht zu bekommen und steigen mit allen Zubehörgeräten meist bis auf 1,5 Millionen Schilling. Was die Anschaffung der österreichischen Maschinen für die in Gründung begriffene Verkehrs-Luftfahrt-Gesellschaft kosten wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. und zwar ob es sich um neue Modelle handeln wird, die zum Einsatz kommen sollen, welches Fabrikat, ob zwei- oder viermotorige usw. Sollten neue Maschinen nicht zu bekommen sein, denn interessanterweise sind die Flugzeugfabriken oft auf lange Sicht ausverkauft, dann werden eventuell auch gebrauchte Maschinen, die in neuwertigen Zustand versetzt werden, in Betracht gezogen.

Fest steht jedenfalls, daß wir einen Linienbetrieb

aufnehmen und uns somit den internationalen Fluggesellschaften eingliedern werden.

Vom fliegenden Personal steht ein Teil jetzt schon zur Verfügung, ein anderer Teil wird eben ausgebildet. Die Flugzeugführer und Copiloten, die unsere Maschinen fliegen sollen, sind durchweg alte und erfahrene Flieger, die ohne Zweifel internationalen Qualitätsbegriffen entsprechen. Ihre Spezialausbildung kann nicht in Oesterreich erfolgen, da, abgesehen von den schweren Maschinen, die dazu erforderlich sind, auch die Einschulung auf die modernsten Spezialgeräte bei uns derzeit unmöglich ist. Wenn man überlegt, daß die Blindflugtrainer, die sich vom Boden überhaupt nicht erheben, Millionen Schilling kosten, dann ist es zu verstehen, daß es noch immer billiger ist, die Ausbildung im Ausland, wie etwa in England, durchführen zu lassen. Der Initiative maßgeblicher Kreise ist es gelungen, ein kleineres Gerät, den Line-Trainer, der u. a. ebenfalls zur Blindflugschulung dient, anzuschaffen.

Ueberhaupt ist es in Oesterreich schon seit längerem möglich, Motorfliegen zu lernen. Bisher war dies nur in Graz möglich. Neuerdings aber wird auch in Wien eine Motorfliegerschule eröffnet. Wie wir vom Leiter der österreichischen Fliegerschulen erfahren, kann hier der Privat-Pilotenschein erworben werden, und zwar für drei- und mehrsitzige Flugzeuge. Außerdem ist die Erlangung eines Kunstflugscheines möglich. Ebenso ist eine Ausbildung als Fallschirmspringer vorgesehen, darüber hinaus Erweiterungen von bereits vorhandenen Flugscheinen. Bisher wurden die Prüfungen im allgemeinen von Schweizer Kommissaren abgenommen, die zu diesem Zweck jeweils aus der Schweiz nach Oesterreich kommen mußten. Heute werden diese Prüfungen bereits durch österreichische Kommissare abgenommen, was nicht nur eine Vereinfachung des Vorganges mit sich bringt, sondern auch für Oesterreich selbst günstiger ist.

Man sieht also, daß sich die neue österreichische Fliegerei gut eingeführt hat und schon vieles auf diesem Gebiet geleistet hat.

Der Ausbau der Flugplätze ist ein besonderes Anliegen und wird entsprechend vorangetrieben. Ebenso wird die Flugsicherheit ständig durch neue Flugsicherungsanlagen verbessert. So wurde, wie wir erfahren, vor kurzer Zeit ein Schlecht-wetterlandegerät für Blindfluglandungen auf dem Schwechater Flugplatz montiert, das auch bei stärkstem Nbel eine vollkommen glatte und ungefährliche Landung ermöglicht. Außerdem wird in Kürze eine komplette Radaranlage einen weiteren wesentlichen Beitrag zur österreichischen Luftsicherung leisten. Sie wird gleichfalls auf dem Schwechater Flugplatz zur Montage gelangen.

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