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Digital In Arbeit

Das Planetarium auf dem Bildschirm

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Ein Klick auf einen Planeten, einen Fixstern, ein „deep-sky“-Objekt (gemeint ist alles außerhalb der Milchstraße) genügt. Und schon erscheint auf dem Rildschirm der Name des Objekts. Zum Reispiel: NGC 6205 - M13 - Kugelhaufen im Herkules. Unter einem Kugelhaufen versteht man einen kugelförmigen Sternhaufen, einen „dicht gepackten Haufen von hunderttausenden oder sogar Millionen Sternen“, die einen Halo, einen Hof um unsere Milchstraße bilden und kaum chemische Elemente enthalten, die schwerer als Helium sind. Diese Information wiederum steht im Penguin-Lexikon der Astronomie, das sich ebenfalls mit einem Klick öffnen läßt und in dem man unter diskretem Gegrummel aus dem CD-ROM-Laufwerk des Computers auch schnell und bequem blättern kann. Selbstverständlich gelangt man, sobald man von den Informationen genug hat, mit einem weiteren Klick - diesmal ins Schließfeld - zum Anblick des Sternenhimmels zurück.

Die Sternspektren der Kugelhaufen deuten daraufhin, daß diese Sterne in einem frühen Stadium des Universums entstanden. Das steht auch im Penguin-Lexikon. Dies wiederum deutet darauf hin, daß auch Optimisten, die von der Allgegenwart von Leben im Kosmos überzeugt sind, dort kaum mit Leben rechnen dürfen. Dies freilich steht nicht drin. Auch Regriffe wie „Leben“ oder „Intelligentes Leben“ oder „Intelligenz“ sind unauffindbar. Aber vielleicht sind die Informationen zu diesem Thema intelligent verpackt. „Redshift“ ist allemal übersichtlicher als andere CD-ROMs. Obwohl das Stichwort „Redshift“ auch nicht im Lexikon vorkommt. Wer einen Tau von Kosmologie hat, findet es sowieso mühelos unter „Rotverschiebung“.

In allzuviele CD-ROMs schaut man ein- oder zweimal hinein und dann nie wieder. Hingegen wird, wer sich für den Sternenhimmel bezie-hungsweise für Kosmologie und Astronomie interessiert, „Redshift“ aus dem Ullstein-Soft-Media-Pro-gramm oft in sein Laufwerk legen, und wer einen hinreichend leistungsfähigen Laptop mit Farbdisplay und CD-Laufwerk hat, kann damit an einem sternklaren Tag sogar ins Freie gehen, den realen Sternenhimmel mit jenem auf seinem Bildschirm vergleichen und per Mausklick Informationen über jedes Lichtpünktchen einholen, das er auf dem echten Himmel sieht. Alles, was man am Himmel sehen kann, kommt auch auf dem Rildschirm vor. Und noch viel mehr.

Hier wurde tatsächlich eine erstaunliche Menge astronomischer Informationen verpackt. Sie stammen aus westlichen wie östlichen Quellen, unter anderem von der Russischen Akademie der Wissenschaften. Der Algorithmus, sprich das Formelwerk, das die Pünktchen auf dem Rildschirm steuert, ist ebenfalls beeindruckend. So kann man beispielsweise alle Konjunktionen zweier oder mehr Planeten einschließlich der Sonnenfinsternisse vom Jahr 4.712 vor bis 11.000 nach Christus abrufen, für die inneren Planeten allerdings mit hinlänglicher Genauigkeit „nur“ für maximal hundert Jahre. Sie sind nicht vielleicht in einem gigantischen Verzeichnis gespeichert (das könnte sowieso kein PC fassen), sondern werden jedesmal neu berechnet.

Daher ist es auch möglich, Konjunktionen, Sonnenfinsternisse und so weiter abzurufen, die vom Mond oder Mars oder sonst einem Planeten sichtbar sind. Auch den Sternenhimmel, den man zu einem beliebigen Zeitpunkt an einem beliebigen Punkt des Mars oder des Mondes sieht, kann man sich vorführen lassen. Der Autor dieser Resprechung hat es aber nicht ausprobiert. Die Sternbilder sehen ja vom Mars auch nicht anders aus als von der Erde. Auch die „Führungen“ und das Retrachten der gespeicherten Fotos (viele!) sind arge Zeitfresser. Eine Nacht mit „Redshift“ am Computer ist spannend und schnell herum.

Selbstverständlich gehen auch die Sterne auf dem Rildschirm auf, wandern über den Himmel und gehen unter, während die Sterne auf dem echten Himmel ihre Rahn ziehen. Mit einem Wort: „Redshift“ ist nicht nur eine brauchbare, sondern eine faszinierende CD-ROM, ist im Laptop ein Planetarium unter dem Arm, und in Verbindung mit dem PC (oder Apple, sie läuft in beiden Computerwelten) ein Trainer, mit dem man sich die Sternbilder einprägen kann. Auch das Erklärungsheft setzt mit seinem Umfang und seinen klaren Ausführungen einen neuen Standard. Die Auszeichnungais „CD-Rom des Jahres“ ist voll und ganz verdient.

Man kann das Programm starten und staunen. Es muß aber auch gesagt werden: Um seine komplizierteren Möglichkeiten nutzen zu können, ist einiger Zeitaufwand nötig, erst dann ist man mit allen Redienungselemen-ten und Anzeigen hinlänglich vertraut. Rlendet man alle ein, sehen sie aus wie ein Panel in einem Düsenjet, verdecken aber auch ziemlich viel Himmel. Aber das Ein- und Ausblenden geht recht schnell. Ebenso wie der legendäre „Flight-Trainer“ ist auch „Redshift“ eines jener gewaltigen Spielzeuge, welche Leute, die für ihre Rürozwecke eigentlich mit einem Minimum von Computer auskämen, zur Anschaffung eines um Klassen leistungsfähigeren, besser ausgestatteten und teureren Geräts veranlassen. Dafür gewinnt man im konkreten Falle tatsächlich mehr Einsicht in die abstrakten Zusammenhänge der Himmelsvorgänge, als die meisten von uns haben. „Redshift“ (von Ullstein Soft Media) ist die 1.349 Schilling, die man für diese CD-ROM hinblättern muß, wert.

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